Elke Heidenreichs exklusive GeschenktippsDas sind die besten Bücher zum Fest

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08 Frans Snyders, Die Löwin, 1620-25

"Die Löwin" von Frans Snyders aus "Gemalte Tiere"

Ehrlich gesagt: ich ärgere mich immer, wenn mich jemand um Tipps für Weihnachtsbücher bittet. Ihr sollt das ganze Jahr über lesen, sage ich dann. Aber ich weiß doch noch genau, dass früher, als ich noch nicht von den Verlagen so großzügig beliefert wurde, meine schönsten Weihnachtsgeschenke eben Bücher waren.

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Elke Heidenreich

Und zu Weihnachten gab es immer besonders Prächtiges- die neueste, schönste Märchenausgabe, die klassischen Sagen, Bildbände, die man sich selbst kaum geleistet hätte - also gut: Weihnachten das besondere Buch! Und da hab ich gleich zwei:

„Gemalte Tiere“ 

Das wohl schönste in diesem Jahr erschienene Buch stammt aus dem Schirmer/Mosel Verlag und heißt „Gemalte Tiere“. Es ist ein opulenter Prachtband mit 61 Meisterwerken aus 7 Jahrhunderten, darunter Brueghel, Tintoretto, Dürer, aber auch Andy Warhol, Beuys und Roy Lichtenstein, der mit Micky Maus und Onkel Donald dabei ist, Maus und Ente.

Cover Gemalte Tiere

"Gemalte Tiere"

Über jedes Bild schreibt ein anderer Autor, von Florian Illies über Isabella Rossellini und Edgar Reitz bis, ja: zu mir, ich habe eine Seite über ein Bild von Giovanni Segantini geschrieben.

Wenn ich das Buch hier so lobe, dann nicht, weil ich daran etwas verdienen würde- meine Seite ist bezahlt. Sondern weil es kaum einen schöneren und bewegenderen Band über das Verhältnis Mensch-Tier gibt als diesen.

Immer schon war das eine enge Allianz, sowohl mit wilden Tieren als auch mit Haus- oder Nutztieren, sie sind uns nah und, sagt Nietzsche, sie sind so viel klüger und besser als wir, die wir alles zerstören.

Es ist ein hinreißendes Bilder- und Geschichtenbuch für Kinder und Erwachsene.

„Franz Kafka. Die Zeichnungen“

Cover Kafka Zeichnungen

"Franz Kafka. Die Zeichnungen"

Und noch ein Prachtband, ganz anderer Art: „Kafkas Zeichnungen“, bei Beck herausgekommen. Kafka zeichnet? Naja, ein paar Skizzen von ihm kannte man, sie zierten die Cover seiner amerikanischen Ausgaben.

Aber was niemand wusste: wie viele Zeichnungen seit 63 Jahren in einem Zürcher Banksafe lagen und jetzt erst entdeckt wurden. Das Buch erklärt noch mal ausführlich die verworrene Geschichte von Kafkas Nachlass, den sein Freund Max Brod ja vernichten sollte – hat er nicht getan, und daraus erwuchsen jahrelange Rechtsstreitigkeiten.

Aber dass es so viele Skizzen und Zeichnungen des Schriftstellers gab, der – wussten Sie das? sogar mal Zeichenunterricht genommen hatte!- das ahnte niemand.

Kafka1

Eine Zeichnung aus "Franz Kafka: Die Zeichnungen" (C.H. Beck)

Nun kann man sie besichtigen, die skurrilen, phantastischen, fragilen Gebilde, von denen manche so aussehen wie Kritzeleien, die man selbst beim Telefonieren macht und manche wie Meisterwerke, die an Kafkas ebenso groteske Geschichten erinnern – sie illustrieren sie nicht (erwarten Sie also keinen Käfer!), aber sie zeigen: die Hand, die das malte, passt genau zum Kopf, der das schrieb.

„In die Arme der Flut“

Cover In die Arme der Flut

Gerd Donovan: "In die Arme der Flut"

Nach den Prachtbänden jetzt zwei Romane: Gerard Donovan hat ein verstörendes Buch über den Tod geschrieben. Zu Weihnachten? Zum Geburtstag von Jesus? Ja, weil das ja auch sehr viel mit Leid und Tod zu tun hat, das wissen wir doch.

„In die Arme der Flut“ erzählt die Geschichte von Luke Roy, der durch verschiedene Katastrophen in seinem Leben nicht mehr viel Kraft hat und eines Tages von der 35 Meter hohen Brücke in seinem trostlosen Heimatort Ross Point springen will.

Schon mehr als fünfzig Menschen haben das vor ihm getan – die Selbstmörderbrücke hat einen gewissen Ruhm. Unten ist ein wilder Fluss mit Strudeln und Felsen, Überleben sehr unwahrscheinlich. Luke zögert, geht dann doch wieder weg – und sieht ein gekentertes Boot weiter oben im Fluss, und ein Kind treibt auf die Strudel unter der Brücke zu.

Und da springt Luke, ohne nachzudenken. Er rettet das Kind und sich und wird nun wider Willen zum Helden. Jetzt fächert das Buch alles auf, was an Hysterie und Bosheit im sogenannten sozialen Netz möglich ist.

Er wird gefeiert, dann wieder verdammt – er wollte ja eh springen und sterben! – seine Existenz wird quasi vernichtet und am Ende… lesen Sie selbst.

Es ist ein Roman über das, was Menschen Menschen antun, und wenn einer fragt: „Bin ich durchgeknallt oder ist es die Welt?“, dann lautet die Antwort: die Welt dreht am Rad, und darum knallen immer mehr Menschen allmählich durch. Romane sind unter anderem dazu da, das zu zeigen. Dieser tut es.

„So war’s eben“

Cover So war es eben

Gabriele Tergit war eine Gerichtsreporterin in der Weimarer Republik, sie schrieb auch Romane, hatte eine scharfe Zunge und musste früh vor den Nazis fliehen.

Nach dem Krieg kehrte sie zurück, einen dicken Gesellschaftsroman im Gepäck, den in den 60er Jahren kein Verlag drucken wollte: man hatte keine Lust, sich an jüdisches Leben zu erinnern.

Jetzt hat der Schöffling Verlag den großartigen und höchst unterhaltenden Roman endlich herausgebracht. „So war’s eben“ heißt er lakonisch, so haben eben erst alle schön zusammengelebt, Juden und Nichtjuden, in den Berliner und Wiener Salons, miteinander verwandt, befreundet, dann kamen die Nazis mit ihrem Rassenwahn, rissen Familien auseinander, zerstörten im Krieg Städte und Bindungen, danach wuchs nichts mehr richtig zusammen.

Die Bücher

„Gemalte Tiere“ Hrsg. Kirsten Claudia Voigt und Lothar Schirmer, Verlag Schirmer/Mosel, 160 Seiten, 49,80 Euro.

Andreas Kilcher (Hrsg.): „Franz Kafka. Die Zeichnungen“, C.H.Beck, 360 Seiten, 45 Euro.

Gerard Donovan: „In die Arme der Flut“, dt. von Thomas Gunkel, Luchterhand, 320 Seiten, 20 Euro.

Gabriele Tergit: „So war’s eben“, Schöffling, 625 Seiten, 28 Euro.

Thomas Gsella: „Ich zahl‘s euch Reim“, Kunstmann, 230 Seiten, 18 Euro.

Das Buch ist ein riesiger Bilderbogen über rund 80 Jahre, Lebensgeschichten werden mit vielen exakten Beschreibungen von den Sofas bis zu den Kleidern und den Mahlzeiten geschildert in prallen Dialogen, man ist beim Lesen wie in einem langen Film, nur dass man sich die Bilder im Kopf selber macht.

Großartig. So war’s eben.

„Ich zahl‘s euch Reim“

Und, schnell noch dies: der ebenso politische wie witzige Thomas Gsella hat wieder neue Gedichte geschrieben, „Ich zahl’s euch Reim“, bei Kunstmann verlegt.

Eins hier zum Schluss:

Cover Gsella

Deutlich besser auf dem Posten Als der reife Olli Kahn Ist der Virologe Drosten Mit dem Namen Christian. Von dem Süden übern Westen Übern Norden bis zum Osten: Weltweit virologt am besten Unser Virologe Drosten. Söder? Bloß nicht! Laschet? Nein! Laschet Drosten Kanzler sein!

In diesem Sinne, frohe Weihnachten, Ihre Buchempfehlerin Elke Heidenreich 

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