GNTM Kandidatin verklagtLijana Kaggwas Prozess könnte die Show nachhaltig verändern

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Lijana Kaggwa bei der GNTM-Staffel 2020  

Hamburg – Vor zwei Jahren war sie Finalistin bei Germany’s Next Topmodel, heute wird sie von den Machern der Show verklagt. Lijana Kaggwa hat sich in einem Youtube-Video zu ihren traumatischen Erfahrungen bei der Casting-Show geäußert, und wirft dem Format Manipulation und psychische Gewalt vor. Ähnliche Vorwürfe standen bereits beim Finale der aktuellen Staffel Ende Mai im Raum, nachdem Youtuber Rezo ebenfalls ein Enthüllungsvideo postet. Kaggwa muss sich nun vor Gericht behaupten – der jüngste Beschluss fiel jedoch positiv für die 25-Jährige aus.

2020 war sie die Buhfrau in Deutschland – jedenfalls unter denen, die Germany’s Next Topmodel verfolgten. Kaggwa schaffte es zwar bis ins Finale, hat aber stark unter der Sendung gelitten. Die Zeit in der Modelvilla in Los Angeles, wo die Sendung größtenteils gedreht wird, hat sie keineswegs positiv in Erinnerung. Von der Außenwelt abgekapselt, kein privater Kontakt zur Familie, nur die jungen Kandidatinnen unter sich, die, so eine Behauptung Kaggwas, vom Produktionsteam gegeneinander aufgestachelt wurden. Denn nur mit genug konstantem Druck und Stress entstehe das Drama zwischen den Kandidatinnen, die Streitereien, die tränenreichen Zusammenbrüche, die im Fernsehen gut ankommen.

Kaggwa erkannte sich selbst nicht wieder

Hinzu kommt, dass Szenen aus der Villa so geschickt zusammengeschnitten wurden, sagt Kaggwa, dass am Ende immer ein Bösewicht aus der Situation hervorgeht. Dieses Muster zieht sich durch viele GNTM-Staffel. Eine „schwierige“ Kandidatin gibt es immer. 2020 fiel das Los auf Lijana Kaggwa.

Als sie vor dem Finale aus der Villa nach Deutschland zurückkehrte, wurde sie zum ersten Mal mit ihrem Image in der Show und der Art und Weise, wie sie inszeniert wurde, konfrontiert. Kaggwa selbst erkannte sich nicht wieder, die Zuschauer hatten aber schon ihr Urteil über sie gefällt. Der Hass im Internet häufte sich, sie wurde auf offener Straße angespuckt und beschimpft, in der Zeit bis zum Finale erhielt sie Personenschutz. Als Reaktion auf den Hass, der ihr entgegengebracht wurde, schied sie mit einer selbstbewussten Rede freiwillig aus dem Finale aus.

Sie wirft den Machern Manipulation und psychische Gewalt vor

Am 17. Mai 2022 veröffentlichte Kaggwa dann ein Video auf Youtube, in dem sie den Machern der Sendung schwere Vorwürfe macht. Eigentlich nichts, was man nicht schon von der Sendung erwartet oder bereits geahnt hätte. Trotzdem schlägt dieses Video Wellen, da es eben tatsächlich eine ehemalige Kandidatin ist, die sich trotz der bekannten Verschwiegenheitserklärungen, die die jungen Kandidatinnen unterschreiben müssen, gegen die Sendung ausspricht.

Die Vorwürfe von Manipulation und psychischer Gewalt lässt die Produktionsfirma Seven One Entertainment GmbH jedoch nicht auf sich sitzen. Sie verklagen Kaggwa aufgrund ihres Videos und beanstanden, so berichtet die Süddeutsche Zeitung, fünf Stellen aus dem Video, die sie für unwahr und geschäftsschädigend halten.

Gericht gibt Machern in zwei von fünf Punkten Recht

In einem ersten Beschluss des Landesgerichts Hamburgs wird den Machern in zwei Punkten Recht gegeben: Kaggwa darf nicht mehr behaupten, dass die Teilnehmerinnen in der Modelvilla nur einmal in der Woche eine Einkaufsliste für Lebensmittel verfassen durften oder dass die Füße einzelner Frauen vor dem Catwalk eingecremt wurden, um das Laufen in Absatzschuhen zu erschweren. Was Kaggwa hingegen weiterhin öffentliche behaupten darf, ist, dass die Show den Kandidatinnen ganze Handlungsstränge vorschreibt. Wie die Süddeutsche erläutert, beziehe sich dies nicht nur auf Dialoge, sondern auf das gesamte Verhalten der Teilnehmerinnen, das zur filmischen Verwertung manipuliert werde.

Dass es sich bei dieser Reality-Show doch nicht so ganz um Realität handelt, wird wohl niemanden wirklich überraschen. Was hingegen für die Zukunft der Show ausschlaggebend sein könnte, ist, dass das Gericht die vertraglich vereinbarte, zeitlich unbefristete Schweigepflicht, die die Kandidatinnen vor Beginn der Show unterschreiben müssen, als unwirksam einschätzt. Dies geht aus Gerichtsakten hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen.

Wichtige Geheimhaltungsklausel könnte unwirksam sein

Seven One hat daraufhin das Argument, Kaggwa habe gegen diese Geheimhaltungsklausel verstoßen, zurückgenommen. Die Vermutung liegt nahe, dass man dadurch vermeiden wolle, dass das Gericht die vertragliche Schweigepflicht tatsächlich für unwirksam erklären könnte. Dies könnte für die Sendung zum gefährlichen Präzedenzfall werden. Ein Sprecher von Pro Sieben leugnet dies auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung.

Derweil hat Seven One bereits ein zweites Verfahren gegen Lijana Kaggwa eingeleitet. Kaggwas Anwalt Simon Bergmann schätzt die Lage dennoch positiv ein. Der Rechtsstreit um Kaggwas Enthüllungsvideo könnte auch andere Kandidatinnen ermutigen, ihre Erfahrungen bei GNTM oder ähnlichen Formaten ebenfalls zu teilen. Und damit wäre, auch in der Einschätzung Kaggwas, schon ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung getan.

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