Interview mit Rita Ora„Ich führe ein Leben wie eine Profisportlerin“

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Rita Ora singt in ein weißes Mikrofon, der Hintergrund ist pink und violett.

Die Sängerin Rita Ora beim Festival BBC Radio 1's Biggest Weekend in Swansea.

Rita Ora veröffentlicht nach längerer Pause ihr drittes Album „You & I“. Im Interview spricht die Sängerin über ihre Musik und ihre Beziehung zum Regisseur Taika Waititi.

Sie war die erste Sängerin mit Balkan-Wurzeln, die zum Superstar wurde. Mittlerweile reüssieren auch Dua Lipa, Ava Max und Bebe Rexha, doch Rita Ora, geboren in Pristina (ehemaliges Jugoslawien) und aufgewachsen in London, ist seit 2012 mit zündenden Popsongs wie „Anywhere“, „I Will Never Let You Down“ oder „Your Song“ sehr gut im Geschäft.

Nun veröffentlicht die 32-Jährige nach längerer Pause ihr drittes Album „You & I“. Das klingt sehr abwechslungsreich, sehr sommerlich, nach Dance, House, Disco, Pop und Soul, die Melodien sitzen, und ein paar ruhige Nummern wie das hübsche „Notting Hill“ runden die gelungene Rita-Rundumbetreuung ab. Wir unterhielten uns mit Rita Ora, die seit einem Jahr mit dem neuseeländischen Filmemacher Taika Waititi verheiratet ist und den Verlauf ihrer Beziehung zu einem losen, roten Faden des Albums gemacht hat, über Zoom, aber auf ihren Wunsch hin ohne Bild.

Rita, im Video zu Ihrem jüngsten Hit „Praising You“ sagen Sie in einer Szene „This is what I was born to do“. Denken Sie, Sie sind auf der Welt, um Musik zu machen und die Menschen zu unterhalten?

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Rita Ora: Ja, das ist meine volle Überzeugung. Ich liebe, was ich tue. Ich wollte immer singen, singen, nichts als singen. Und ich genieße es, wirklich hart zu arbeiten. Die wenigsten Dinge im Leben bekommt man geschenkt. Der Satz, den du erwähnst, ist außerdem ein Zitat aus dem Film „Fame“ mit Irene Cara. Das ist einer meiner Lieblingsfilme.

In „Fame“, 1980 entstanden, geht es um eine Gruppe von Jugendlichen an einer New Yorker Schule für Musik und Kunst. Sie selbst sind in London an der renommierten „Sylvia Young Theatre School“ ausgebildet worden.

Ora: Das stimmt, und ich bin meinen Eltern bis heute sehr dankbar, dass sie mich bei meinem Traum, eine Musikerin zu werden, immer so toll unterstützt haben. Ich konnte mir nie ernsthaft einen anderen Beruf für mich vorstellen, als Kind schon habe ich im Chor gesungen, später in der Musikschule. Und natürlich im Pub meines Vaters.

Rita Oras Lieblingslied ist von Whitney Houston

„Meine Mutter kennt mich wie keine andere“, singen Sie im neuen Stück „Look At Me Now“. Was war ihr bester Rat?

Ora: Sie war immer, wirklich immer, für mich da. Meiner Mutter ist es noch jedes Mal gelungen, meinen Glauben in mich zu stärken oder ihn wiederzubekommen, wenn ich ihn verloren hatte. Wir halten als Familie sehr eng zusammen.

Ihr Vater hatte eine Kneipe im Londoner Stadtteil Notting Hill, wo Sie auch gewohnt haben. In der Ballade „Notting Hill“ blicken Sie nun auf diese Zeit zurück. Wie war Ihr Leben als Teenagerin?

Ora: Ziemlich schön. Notting Hill ist ein total buntes und diverses Viertel, die Menschen kommen von überall her, das Essen, die Musik, alles ist sehr, sehr multikulturell. Das fand ich immer cool. Und unser Pub, wo immer Supermusik lief, war wie ein zweites Wohnzimmer für mich. Ich habe oft dort gesungen, vor allem Klassiker, zum Beispiel von den Bee Gees, Abba oder Whitney Houston. „I Will Always Love You“ ist meiner Ansicht nach das großartigste Liebeslied aller Zeiten.

Sie haben also als Kind schon „I Will Always Love You“ geschmettert?

Ora: Ja, aber haben wir das nicht alle? (lacht)

Der in Albanien geborenen Sängerin ist ihre Herkunft wichtig

Sie waren ein Jahr alt, als Ihre in Albanien geborenen Eltern während des Bürgerkriegs aus dem damals zu Jugoslawien gehörenden Pristina nach London flohen. Heute ist Pristina die Hauptstadt des Kosovo. Fühlen Sie sich dem Land noch verbunden?

Ora: Oh ja, sehr sogar. Ich spiele regelmäßig kostenlose Konzerte daheim, in der albanischen Hauptstadt Tirana und in Pristina. Dann ist das ganze Land eingeladen. 2018 bin ich in Pristina anlässlich des 10. Jahrestages der Unabhängigkeit vor 300.000 Menschen aufgetreten. Es war einfach wundervoll. Ich finde es großartig, so viele Leute zusammenzubringen. Ich glaube fest daran, dass Musik eine starke Kraft ist, um Menschen, Weltanschauungen, Religionen, Kulturen, einfach alles, zu vereinen.

Seit 2015 Sind Sie sogar offizielle Ehrenbotschafterin des Kosovo.

Ora: Ja, und das erfüllt mich mit Stolz. Als meine Karriere vor über zehn Jahren begann, war ich die erste Sängerin aus dem Kosovo oder generell der Balkanregion, die international erfolgreich wurde. Ich empfinde es als Verantwortung, daran mitzuarbeiten, mein kleines, wunderbares Land bekannter zu machen.

Zurück zu „Praising You“: Das Lied ist eine Neubearbeitung des Fatboy-Slim-Hits „Praise You“ aus dem Jahr 1999. Erinnern Sie sich noch an die Zeit, als der Song rauskam?

Ora: Ja, klar tue ich das. Ich war sieben Jahre alt, als ich ihn zum ersten Mal hörte. Das war ein großer Pop-Moment für uns hier in Großbritannien. Der Song ist seitdem immer irgendwie aktuell geblieben. Ich habe ihn ein bisschen aufgemöbelt und ihm einen frischen Anstrich verpasst, all das aber mit sehr viel Respekt und Feingefühl dem Original gegenüber. Fatboy Slim ist auch wieder mit dabei. Mit ihm zu arbeiten war eine tolle Erfahrung.

Ihr neues Album „You & I“

„You & I“ ist Ihr erstes Album seit „Phoenix“ vor fünf Jahren. Heutzutage hauen Popmusiker*innen oft sehr viele Songs in sehr kurzer Zeit raus. Von diesem Trend halten Sie vermutlich nicht so viel, oder?

Ora: Ich kann nicht für andere sprechen, aber ich selbst brauche einfach einige Jahre, um ein vernünftiges Album zu machen. Das funktioniert nur, wenn ich mich bereit fühle. Ich will ja auch etwas zu erzählen haben. Und mir war wichtig, ein facettenreiches, ein buntes Album zu machen. Ich liebe Musik aus aller Welt. Das sollte sich auf „You & I“ widerspiegeln.

Man kann schon fast von einem Konzeptalbum sprechen, oder?

Ora: Oh Gott, ja, es ist praktisch wie die Chronik meiner vergangenen zwei bis drei Jahre. Lebensreisen verlaufen oft ungeplant und überraschend. Man steigt irgendwo ein und fährt an Orte, an die man vorher nicht gedacht hat. Alles, was ich auf diesem Album geschrieben oder woran ich mitgeschrieben habe, kommt ganz tief aus meinem Herzen.

Sie sind seit einem Jahr mit dem neuseeländischen Regisseur Taika Waititi verheiratet. Das Album spannt quasi den Bogen vom Kennenlernen bis zur Eheschließung. Worum geht es in „You Only Love Me“, wo Sie sagen: „Du liebst mich nur, wenn der Whiskey fließt“?

Ora: Um die Unsicherheiten am Anfang einer Beziehung. Du bist dir noch nicht im Klaren darüber, wo du stehst, wo du hinwillst, was der andere von der Sache hält. Aber du spürst, wie gern du die andere Person magst. Du möchtest weitermachen, weitergehen, doch zugleich zupfen die Zweifel an dir und machen dich ganz wahnsinnig.

Zu den Singles „Don't Think Twice“ und „Waiting For You“

Die neue Single, die Dance, House und Cabrio-Fahrten klingende „Don’t Think Twice“ wiederum handelt vom Sieg über diese Zweifel.

Ora: Ja. Die Botschaft ist: Lass dich ein, trau dich, spring einfach ohne nachzudenken und folge deinen Gefühlen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es sich lohnt, auf die Schmetterlinge im Bauch zu hören.

Im Text zu „Waiting For You“ sind die Zweifel dann endgültig passé. War für Sie schnell klar, dass Sie den Richtigen gefunden haben?

Ora: Ja, schon. Ich weiß, es klingt wie ein abgenudeltes Klischee aus der Märchenwelt, aber so ist es passiert. Unsere Beziehung, meine Ehe, gibt mir sehr viel Kraft. Deshalb habe ich mich entschlossen, ein Album darüber zu schreiben, wie sich unsere Geschichte entwickelt hat. Das aber natürlich auch so universell ist, dass sich auch die Zuhörerinnen und Zuhörer in den Liedern wiederfinden können. Ich will die Liebe für alle spürbar machen.

Sie sagen auch in einem Song, Sie hätten die Liebe schon aufgegeben und nur noch von der Seitenlinie zugeschaut, wie Ihre Freundinnen und Freunde nach und nach glücklich wurden.

Ora: Nicht immer nehme ich es mit der Wahrheit in den Songs so supergenau. Aufgegeben hatte ich meinen Glauben an die Liebe noch nie.

„Look At Me Now“ und „Girl In The Mirror“ handeln von der Liebe zu Ihnen selbst. Wie gelingt es Ihnen, Selbstzweifel, auch jenseits der Liebe, abzuschütteln?

Ora: Ich versuche, jeden Tag so zu nehmen, wie er kommt. Manche Tage sind besser als andere, manche Dinge klappen, anderer klappen nicht. Alles in allem ist „Look At Me Now“ ein Triumphsong. Wenn ich darauf blicke, was ich alles durchgemacht, welche Hindernisse und Hürden ich genommen habe, wie sehr sich auch mein Leben immer wieder verändert hat, kann ich wirklich nur dankbar dafür sein, wie positiv sich alles entwickelt und gefügt hat. Ich habe im Leben gelernt, dass es immer Licht gibt am Ende eines Tunnels.

Rita Ora ist auch Jurorin bei „The Voice Australia“

Hat Musik Ihnen bei Rückschlägen im Leben geholfen?

Ora: Immer! Musik ist das beste Therapiemittel, das ich kenne. Ich nutze Musik, meine eigene, aber auch andere, vor allem Soul von B.B. King, Nina Simone oder Prince, um mir selbst zu helfen.

Wie wörtlich ist eigentlich der Titelsong „You & I“ zu nehmen? Sie singen ja zum Beispiel, dass Sie auf Ihrer eigenen Hochzeitsfeier mit Ihrem Mann zu „Eternal Flame“ getanzt haben.

Ora (lacht): Den Song habe ich am Tag nach unserer Hochzeit geschrieben. Ich habe einfach die allerbesten Liebeslieder, die mir einfielen, zu einem ganzen Haufen von Metaphern aufgestapelt und in dieses Lied gesteckt. „Eternal Flame“, „Everlasting Love“, „Stand By Me“ und so weiter. Ich dachte, kein Klassiker ist zu übermächtig, um die Größe unserer Liebe zum Ausdruck zu bringen.

Sie sind nicht nur als Musikerin erfolgreich, sondern haben gerade auch eine weitere Staffel in der Jury von „The Voice Australia“ abgedreht, Sie sorgen immer wieder mit modischen Extravaganzen für Aufsehen, sind an einer Tequila-Marke beteiligt und haben mit Robert De Niro und Jamie Foxx im vergangenen Jahr den Film „Tin Soldier“ gedreht…

Ora:…was eine absolut traumhafte und komplett umwerfende Erfahrung war.

Wie halten Sie sich bei so einem Arbeitspensum fit?

Ora: Jedenfalls nicht mit Sex, Drugs & Rock’n’Roll. Der Partyaspekt kommt definitiv recht kurz. Ich achte darauf, genug zu schlafen, anständig zu essen, diszipliniert zu sein und mir die Kräfte gut einzuteilen. Ich führe im Grunde ein Leben wie eine Profisportlerin. Anders hältst du das nicht auf Dauer durch. Phasen, in denen ich Vollgas gebe, wechseln sich ab mit Phasen, in denen ich mich ausruhe. Es ist, wie gesagt, ein Traumjob. Aber es ist eben auch ein Knochenjob.

Und wieso der Tequila?

Ora: Weil ich ihn gern trinke (lacht). Ich liebe Tequila. Aber alles zu seiner Zeit.

Das Album „You & I“ erscheint am 14. Juli.

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