Jazz-Legende gestorbenVor vier Jahren bezauberte Carla Bley noch im Kölner Stadtgarten

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25.05.2012, Nordrhein-Westfalen, Moers: Die amerikanische Pianistin Carla Bley spielt mit ihrem Trio auf dem Moers Festival. Die US-amerikanische Jazzpianistin und Komponistin Carla Bley ist tot. Die Freejazz-Größe starb im Alter von 87 Jahren.

Die amerikanische Pianistin Carla Bley ist mit 87 Jahren gestorben

Die Pianistin und Komponistin Carla Bley prägte den Jazz mit Wucht und Humor. Jetzt ist sie mit 87 Jahren gestorben. Unser Nachruf.

Sie war eine der prägendsten Erscheinungen des Jazz – und eine der originellsten obendrein: Nahezu 60 Jahre lang begeisterte die Pianistin, Komponistin und Arrangeurin Carla Bley mit ihrer unverwechselbaren, stilprägenden Musik.

Ab 1964 leitete sie mit Michael Mantler das Jazz Composer’s Orchestra, danach ging sie mit Peter Brötzmann und Peter Kowald auf Tournee, bevor sie ihr Opus magnum schuf, die Jazz-Oper „Escalator over the Hill“ (1967–1971). Mal bändigte sie (tatsächlich mit rotblonder Löwenmähne) die dynamische Wucht ihrer Bigband, mal zelebrierte sie in kleineren Besetzungen walzertrunkene Zirkusmusik, die mit trunken torkelnden Melodien zu Tuba, Waldhorn und Posaune bruchlos in swingende oder coole Passagen hinüberglitt. Innovative Avantgarde behauptete sich gleichgewichtet neben komplexer „Dinner Music“, wie sie 1977 ein Album betitelte.

Politisch positionierte sich Carla Bley links und zitierte gerne Kurt Weill

Stets leuchtete dabei ihre Freude an lust- wie respektvollen Einfällen, Referenzen und Hommagen auf: Neben Nino Rota, Thelonious Monk, lateinamerikanischen Freiheitsmärschen ließ sie immer mal wieder Kurt Weill erstrahlen, während sie sich in ihren musikalischen Diskursen mit Charlie Hadens Liberation Music Orchestra politisch links positionierte.

Zeitgenössisch in der Nachfolge von Duke Ellington und Gil Evans, mäanderte sie in ihrem epochalen Gesamtkunstwerk „Escalator over the Hill“ durch alle Spielarten von Avantgarde, Jazz und Art Rock, griff östliche und afrikanische Einflüsse ebenso auf, wie sie literarische Elemente des Surrealen und Absurden einarbeitete. Mit einem kleinen Teil ihrer Big Band schuf sie für Pink-Floyd-Schlagzeuger Nick Mason das Jazz-Rock-Opus „Fictitious Sports“ (1979), während sie für den Film noir „Das Auge“ (1982) virtuos das Thema von „La Paloma“ umspielte.

Immer wieder gern kam sie nach Köln, vor allem in den Stadtgarten, wo sie im Mai 2019 zwei hinreißende Trio-Konzerte mit Steve Swallow (Bass) und Andy Sheppard (Saxofon) spielte. Sichtlich gezeichnet von ihrem hohen Alter, beschwor sie mit einem verschmitzten Lächeln, einem humorvollen Bonmot, vor allem aber mit ihrer mal temperamentvollen, mal elegant-intimen (Kammer-)Musik Augenblicke zeitloser Klangschönheit.

Mit Swallow und Sheppard spielte Carla Bley nahezu 30 Jahre zusammen. „Je mehr wir uns gegenseitig vertraut haben“, sagte sie einmal, „desto freier wurde unser Spiel. Unsere Regeln sind: nicht rauchen, nicht spucken, nicht fluchen. Und die Kleider anbehalten.“ Am 17.10. starb sie mit 87 Jahren daheim in Willow, New York.

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