Katharina Thalbach„Schönheit war nie mein Pfund“

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Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig: Katharina Thalbach als Angela Murkel.

Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig: Katharina Thalbach als Angela Murkel.

Frau Thalbach, wenn man eine lebende Figur wie die Kanzlerin spielt – ist die Verantwortung da größer als für fiktive Figuren?

Katharina Thalbach: Ach, ich hab eher dem Drehbuch gegenüber Verantwortung und, was gern unterschätzt wird, der Unterhaltung. Ich mache meinen Beruf ja letztlich, um möglichst viele Leute zu unterhalten. Dennoch wollte ich meine Murkel keinesfalls als Witzfigur darstellen, sondern eine Ahnung davon erkennen lassen, was die echte Merkel ist: eine ungemein spannende Person, die ihren Ehrenplatz in der Geschichte einnehmen wird; da wollte ich sie nicht ausschließlich karikieren.

Sie haben sie betont verschroben dargestellt.

Thalbach: Mehr aber auch nicht, da war ich mir mit dem Regisseur schnell einig. Wie ich aus verlässlichen Kreisen weiß, hat die Kanzlerin aber Sinn für Humor; deshalb wird sie akzeptieren, gar drüber schmunzeln, dass Frau Murkel komische Momente hat. Aber wir haben uns bei ihren Blazern fast so große Mühe gegeben wie mit den Körperhaltungen.

„Ich empfinde mich als normal“

Das Merkel-Herz mit den Händen.

Thalbach: Und ihre Schultern. Wie die ständig hochstehen, als wuchte sie alle Last der Welt empor – diesen Druck auszudrücken war schwieriger, als es am Bildschirm aussieht. Das mag vielleicht lustig wirken, ist allerdings ernst gemeint und spielt auch kaum eine Rolle im Film, weil es ja doch einer über Guttenberg ist. Wäre es einer über Merkel, würden mich ganz andere Dinge interessieren.

Zum Beispiel?

Thalbach: Ihre Herkunft als Physikerin, die die Welt in ihre kleinsten Teilchen aufdröseln kann und über einen anderen Zeitbegriff auch eine andere Vorstellung von Endlichkeit erhält. Das würde ich sofort spielen, auch weil mich die christlich geprägte DDR-Bürgerin von einst mit der Utopie einer gerechten Welt interessiert.

So was haben Sie schon mal gespielt.

Thalbach: Als Solidarność-Mitbegründerin in Schlöndorffs „Strajk“. Anna Walentynowicz war übrigens gegen den Film, weil sie nicht im Vordergrund stehen wollte. Bis sie vor drei Jahren über Smolensk im selben Flugzeug umkam wie Polens Präsident Kaczyński, war Anna eine echte Kämpferin, der es um die Sache, nicht um sich selbst ging.

Diesen Mangel an Eitelkeit teilen Sie mit ihr, oder? Sie stellen sich auch so in den Dienst der Sache, dass Ihre Figuren alle Perfektionszwänge der Branche unterlaufen.

Thalbach: Das haben Sie nett formuliert. Ich habe auch meine Eitelkeiten, aber unbedingt schön zu wollen gehört nicht dazu. Schönheit war noch nie mein Pfund, dafür bin ich von der Physiognomie her nicht gebaut und mittlerweile einfach auch nicht mehr jung genug.

Kann es sein, dass Ihre Rollen seit „Sonnenallee“ 1999 immer kauziger werden?

Thalbach: Dazwischen gab es zwar auch immer wieder Filme, in denen ich sehr naturalistisch bin. Aber stimmt schon: Als großer Fan von Monthy Python habe ich einen großen Hang zum Skurrilen.

Auch privat?

Thalbach: Meine Tochter würde jetzt sagen, klar, die ist ein Freak; ich selbst empfinde mich aber als eher normal. Andererseits beobachte ich mich nicht genug, in dem Punkt fehlt mir doch die Eitelkeit. Ich bin jedenfalls kein Showmaster, der mit seiner Persönlichkeit arbeitet, deshalb verstelle ich mich auch so gern, deshalb sind mir aber auch Interviews lästig, weil die oft sehr ins Persönliche gehen. Ich will meine Ruhe haben und spielen.

Dabei stellen Sie zusehends auch Männer dar, zuletzt den Alten Fritz.

Thalbach: Ich habe sogar schon lange vor Fritze Männer gespielt, vor allem auf der Bühne.

Wie kam es dazu?

Thalbach: Ich hab mit 18 den ersten Jungen gespielt, Anfang 30 kam ein Außerirdischer hinzu, später mein selbst inszenierter Pförtner bei „Macbeth“. Und als ich Mitte der 90er für Juhnke als „Hauptmann von Köpenick“ einspringen musste, war es um mich geschehen. Seither interessiert mich nicht mehr das Geschlecht einer Rolle, sondern deren Aussage. Mir ist wichtig, was man zwischen den Ohren hat, nicht zwischen den Beinen. Und weil Sex irgendwann unwichtiger wird, finde ich es auch nicht schlimm, da unten zu altern. Aber verstehen Sie mich nicht falsch: Ich bin gern Frau und möchte gewiss kein Mann sein. Dass mein Spiel die Geschlechtergrenzen überwindet, hat eher mit meinem Typ zu tun.

Und mit Ihrer Stimme. Kommt die Tiefe von Nikotin oder den Genen?

Thalbach: Eher Ersteres, ich habe immer viel geraucht. Aber was draus gemacht hat meine erste Sprecherzieherin. Die sagte nämlich schon ganz früh, meine Stimme dränge ins Tiefe. So eine Aussage in jungen Jahren prägt enorm, da gewöhnt man sich ein anderes Timbre an. Das wird durchs häufige Spielen von Männern gewiss nicht höher. Und mit dem Alter schon gar nicht.

Sie haben im Vorjahr Ihren ersten Preis fürs Lebenswerk zu bekommen. Klingt so ein bisschen nach Rentenanwartschaft.

Thalbach: Ach, das war ja schon mein dritter. Und jeder heißt ja, dass meine Arbeit gewürdigt wird. Da bin ich dann schon eitel.

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