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Glosse zu Attacken auf KunstwerkeKartoffelbrei kann eben doch nicht hexen

Ein Kommentar von
Lesezeit 4 Minuten
Kartoffelbrei Attacke dpa 301022

Mit Kartoffelbrei verschmierter „Getreideschober“ von Claude Monet im Museum Barberini in Potsdam.

  • Nach Attacken auf Kunstwerke von van Gogh und Monet ist die Aufregung groß.
  • Aufregen sollten wir uns aber lieber über die Ursache der zweifelhaften Protestform.
  • Außerdem: Ist das nicht Aktionskunst – auch wenn die eh keiner mag? Eine Glosse.

Eigentlich könnten sich die Museen doch freuen. So viel Aufmerksamkeit wie ihre Kunstwerke derzeit bekommen, gibt es für die staubigen Monets, van Goghs und Hastenichtgesehens ja nun wirklich nicht aller Tage. Fast könnte man meinen, den Besucherinnen und Besuchern beim Museumsbesuch direkt ein Glas – sagen wir um der Diversität willen mal – Apfelmus mit auf den Weg zu geben, wäre aus Marketingsicht eine prima Idee.  

Aber ein halbwegs humoristischer Umgang mit den jüngsten Attacken auf die „großen Künste“ scheint vielen dieser Tage schwer zu fallen. Vielleicht sogar denjenigen am schwersten, die sich sonst nur wenig für die „Sonnenblumen“ oder den „Getreideschober“ interessieren? Glücklicherweise gibt es dazu noch keine Statistik, wir können da also munter im Nebel stochern.  

Bei Kartoffelbrei-Attentaten werden manche zur Leberwurst

Wie auch immer: Manche werden ob der Kartoffelbrei- und Tomatensuppe-Attentate jedenfalls zur Leberwurst. Ob Facebook-Nutzer oder Bild-Redakteur, angesichts der kulinarischen Attacken auf die wehrlosen, aber immerhin penibel von Glasscheiben geschützten Kunstwerke, hat so mancher Schaum vor dem Mund. Die neusten Klimadaten interessierten in der letzten Woche gleichzeitig kaum jemanden. 

Alles zum Thema Klimawandel

Bei „Bild“, quasi als Leserservice, konnte man stattdessen sogar lernen, auf welche Art und Weise man „Klima-Spinner“ von der Straße „rupfen“ kann, ohne sich dabei juristisch angreifbar zu machen. Von einer Notwehrlage fantasierte man dort. Und wenn man in die Kommentarspalten der sozialen Netzwerke schaut, wird’s nur noch finsterer.

Man müsste sich mit der Wirkung des eigenen Schaffens befassen

Das eine könnte mit dem anderen natürlich zusammenhängen. Aber um das zu erkennen, müsste man sich ja mit der Wirkung des eigenen Schaffens befassen – was man übrigens auch muss, um die Gefahren, die der Klimawandel mit sich bringt, zu verstehen.

Aber ja, über die Mittel der Aktivisten kann man und muss man ganz gewiss streiten – aber bitte vernünftig. Und auch darüber – wenn es schon nur um Aufmerksamkeit gehen sollte – ob derartige Aktionen sie nicht auf die falschen Aspekte des Anliegens lenken. Es gibt sie also, die validen Argumente gegen kartoffelbreibasierte Protestformen.

Was sind die ollen Sonnenblumen denn schon wert im Vergleich zu einer lebenswerten Zukunft?

Argumente dafür gibt es auch, wenngleich man sich dafür ein bisschen strecken muss. Was sind die ollen Sonnenblumen denn schon wert im Vergleich zu einer lebenswerten Zukunft? Und wie viel hat man von einem Monet, wenn im Museum irgendwann 45 Grad herrschen? 

Eine drastische Lage legitimiert aus Sicht der Protestler eben auch drastische Mittel – wobei fliegende Nahrungsmittel es wohl eher nicht in die Top 10 der schlimmsten Terrorakte schaffen werden. Das Anliegen der Klima-Aktivisten ist aber ohnehin nicht die Zerstörung der Kunst, sondern die Verdeutlichung falscher Prioritäten. Dementsprechend könnte man auch damit umgehen.

Die Attacke auf die Kunst als Kunst gedacht

Dass jedes bisher attackierte Kunstwerk von Glas geschützt war, ist ja kein Zufall. Die Aktivisten dürften das vor ihren Attacken genauer gewusst haben als so mancher, der sich nun schwallartig über ihre ach-so-barbarischen Taten echauffiert. Auch ein Justizminister hätte sich diesbezüglich wahrlich nicht zu Wort melden müssen, um diesen Furor so noch zu befeuern. Die Kunst braucht keine heldenhaften Retter, sie war gar nicht in Gefahr. Im Gegenteil.  

Strenggenommen geht die Nahrungsmittelverschwendung der Klima-Aktivisten schließlich ohnehin als Aktionskunst durch, auch wenn die – seien wir ehrlich – eh niemand mag. Schließlich hat das sogar schon eine an die Wand genagelte Banane geschafft, indem sie sich aktionskünstlerisch verspeisen ließ. Warum also nicht mit Kartoffelbrei-Kanonen auch mal auf Monets feuern? Die Attacke auf die Kunst als Kunst gedacht. 

Kartoffelbrei kann eben doch nicht hexen

So betrachtet ließe sich damit doch halbwegs leben. Jedenfalls zumindest deutlich besser als mit den globalen Zukunftsaussichten, die uns der Klimawandel beschert – und die uns mehr aufregen sollten als Bilderrahmen, die geputzt werden müssen.

Die Klimaschutzmaßnahmen reichen nicht aus. Zu diesem Ergebnis kommt ein Bericht des Uno-Klimasekretariats aus der letzten Woche. Trotz der Selbstverpflichtung von 193 Ländern im Rahmen des Pariser Klimaabkommens könnte sich die Erde demnach bis Ende des Jahrhunderts um rund 2,5 Grad gegenüber vorindustrieller Zeit erwärmen – und damit die Ziele des Abkommens um ein Grad verfehlen. Kartoffelbrei kann eben doch nicht hexen. 

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