NS-RaubkunstKölner Museum Ludwig gibt Werk an Erben zurück

Lesezeit 4 Minuten
Egon Schieles „Kauernder weiblicher Akt“ (1917) aus der Sammlung des Kölner Museum Ludwig

Egon Schieles „Kauernder weiblicher Akt“ (1917) aus der Sammlung des Kölner Museum Ludwig

Köln – Zugänge sehen alle Museen gerne, Abgänge hingegen kommen in der Gedankenwelt deutscher Museumsdirektoren überhaupt nicht vor. Es sei denn, es handelt sich um die Rückgabe von Werken, die jüdischen Sammlern in der NS-Zeit geraubt, abgepresst oder anderweitig (so der offizielle Terminus) „verfolgungsbedingt entzogen“ wurden.

Jetzt hat die Stadt Köln angekündigt, ein Aquarell des österreichischen Malers Egon Schiele aus dem städtischen Museum Ludwig an die Erben von Heinrich Rieger zurückgeben zu wollen – und Ludwig-Direktor Yilmaz Dziewior zeigte sich darüber geradezu erleichtert. Er sei „dankbar“ für die Empfehlung der von beiden Seiten angerufenen „Beratenden Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts“, heißt es in der Stellungnahme der Stadt Köln, der Fall habe „alle Beteiligten lange beschäftigt“ und „uns im Museum Ludwig auch belastet“.

Seite 1998 wandelt sich die Haltung - aber nur langsam

Man kann Dziewiors Worten einen Mentalitätswechsel in den deutschen Kunstmuseen ablesen. Über Jahrzehnte hinweg war NS-Raubkunst dort kaum ein Thema, erst mit der „Washingtoner Erklärung“, in der sich der deutsche Staat 1998 verpflichtete, nach fairen Lösungen bei der Rückgabe „entzogener“ Kunstwerke zu suchen, wurde das allgemeine Stillschweigen allmählich durch einen Willen zur Aufklärung abgelöst. Früher als andere Städte begann Köln damit, die Sammlungen der eigenen Museen auf NS-Raubkunst hin zu durchleuchten, mehrfach gaben die betroffenen Museen Ludwig und Wallraf-Richartz „verdächtige“ Werke aus eigenem Antrieb an die Erben jüdischer Sammler zurück.

Allerdings gab es auch strittige Fälle – bereits 2013 entschied die Beratende Kommission eine Kölner Sache und empfahl, Oskar Kokoschkas „Bildnis Tilla Durieux“ aus der Sammlung des Museum Ludwig an die Erben des jüdischen Kunsthändlers Alfred Flechtheim zurückzugeben (was die Stadt auch tat). Damals argumentierte die Stadt, sie sei die rechtmäßige Besitzerin des Werks und musste sich im Nachhinein vorwerfen lassen, sich nicht rechtzeitig um eine gütliche Einigung mit den Erben Flechtheims bemüht zu haben.

Das könnte Sie auch interessieren:

Im Fall des Schiele-Aquarells erbat sie wegen der schlechten Quellenlage mehr Zeit für weitere Nachforschungen. Allerdings bezweifelte die Beratende Kommission in ihrer Empfehlung, dass nach vierjähriger Suche seitens der Stadt Köln in absehbarer Zeit neue Erkenntnisse zu erwarten seien.

Als die Freunde des Wallraf-Richartz-Museums das Werk im Jahr 1966 für 18000 Mark bei der Schweizer Kunsthändlerin Marianne Feilchenfeldt erwarben, mögen sie an eine „sichere“ Herkunft geglaubt haben. Es kam aus dem Besitz der Familie Norbert Geyerhahn, einem jüdischen Kaufmann, der 1938 nach dem „Anschluss“ Österreichs an Nazi-Deutschland nach Brasilien geflohen war. Allerdings hätte den Freunden einer der Vorbesitzer zu denken geben können: Der jüdische Sammler Heinrich Rieger wurde nach 1938 in seiner österreichischen Heimat verfolgt, enteignet und 1944 im KZ Theresienstadt ermordet.

Der Rat entscheidet

In seiner Sitzung am 23. März wird der Kölner Rat entscheiden, ob das Schiele-Aquarell wie von der Beratenden Kommission empfohlen restituiert wird. Die Zustimmung gilt als Formsache, alles andere sorgte wohl für einen Skandal.

Im Jahr 1938 soll Rieger, von Beruf Zahnarzt, bis zu 150 Werke Egon Schieles besessen haben – darunter nachweislich auch das Aquarell aus dem Museum Ludwig. Unter welchen Umständen und zu welchem Zeitpunkt das Bild in den Besitz Norbert Geyerhahns wechselte, ließ sich nicht mehr rekonstruieren – die Provenienzforscher der Stadt Köln brachten lediglich einige Indizien bei, nach denen Rieger die Papierarbeit bereits vor dem „Anschluss“ Österreichs verkauft haben könnte. So hat sich Rieger entsprechenden Recherchen zufolge vor dem Jahr 1938 von sechs Schiele-Arbeiten getrennt, doch überzeugte dies die Beratende Kommission nicht davon, dass Rieger ganz allgemein einen schwunghaften Handel mit seinen Werken trieb.

Letztlich spricht vieles dafür, dass Rieger auch Schieles Kölner Aktbild aus der Not heraus verkaufen musste und wenig dagegen – und im Zweifel schlägt die Beratende Kommission die Werke aus guten Gründen den Erben zu. Mit dieser Quasi-Umkehr der Beweislast soll verhindert werden, dass die durch Verfolgung und Krieg bewirkte unsichere Quellenlage zu einer Fortschreibung alten Unrechts führt.

KStA abonnieren