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Auf InstagramEhemalige „Princess Charming“-Teilnehmerinnen berichten von mutmaßlichen sexuellen Übergriffen

Lesezeit 6 Minuten
Firmenschild von RTL Deutschland vor dem Sendezentrum des privaten Fernsehsenders in Köln (Symboldbild)

Firmenschild von RTL Deutschland vor dem Sendezentrum des privaten Fernsehsenders in Köln (Symboldbild)

Bereits die zweite Teilnehmerin der TV-Show „Princess Charming 2021“ hat auf Instagram Details eines mutmaßlichen sexuellen Übergriffs im Rahmen der Sendung veröffentlicht.

Die erste Staffel von „Princess Charming“, das queere Pendant der Datingshow „Die Bachelorette“, kam im vergangenen Jahr bei den Zuschauenden sehr gut an. Besonders die Aufklärungsarbeit der Kuppelshow wurde gelobt. Nun sind zwei Kandidatinnen mit Berichten von mutmaßlichen sexuellen Übergriffen während der Dreharbeiten an die Öffentlichkeit getreten. Sie, ehemalige Teilnehmende und weitere Instagram-Nutzende machen neben den mutmaßlichen Täterinnen RTL+ sowie die Produktionsfirma der Sendung mitverantwortlich.

„Princess Charming“: Ehemalige Teilnehmerin Jo veröffentlicht ein Instagram-Video

Am Montag, 14. November, postete „Princess Charming 2021“-Kandidatin Jo ein Video auf ihrem Instagram-Account. Auf dem Coverbild steht „Was bei Princess Charming noch passiert ist. TW: Se*ueller Übergriff“. In dem Video berichtet sie von einem mutmßalichen Vorfall während der Dreharbeiten 2021. Demnach habe die Kandidatin Wiki, die als Influencerin Wikiriot bekannt ist, in einer Nacht versucht, sie im Bett zu küssen.  

Nachdem Jo „Nein“ gesagt habe, habe Wiki sich auf sie gesetzt und sie erneut versucht zu küssen. Am nächsten Tag seien weitere Kandidatinnen auf sie zugekommen, um ihr zu erzählen, dass Wiki bei dem Übergriff untenrum nackt gewesen sei. Jo gibt in dem Video außerdem an, dass sie eineinhalb Jahre geschwiegen habe, weil sie nicht gewusst habe, ob sie darüber reden dürfe.

In den Kommentaren wird Jo hauptsächlich unterstützt. Ihr wird für ihren Mut gedankt und Solidarität zugesprochen. Manche Nutzerinnen sprechen auch ihre Empörung Wikiriot und der Produktion gegenüber aus. „Erst 2 Staffeln Princess Charming und beides Mal übergriffiges Verhalten. Befremdlich finde ich, wie damit umgegangen wird“, schreibt ein Nutzer. In der zweiten Staffel 2022 hatte die Princess Hanna eine Kandidatin ohne Konsens geküsst. Das wurde ausgestrahlt.

„Princess Charming 2021“: Wikiriot entschuldigt sich für sexuellen Übergriff bei Jo

Einen Tag nach Jos Video postet Wikiriot, auf deren Account Konsens einer der Hauptthemen ist, ein kurzes Video auf ihrem Instagram-Account. Sie wollte nicht zu viel Raum einnehmen. In dem Video bezieht sie zu dem Übergriff Stellung und bestätigt die Aussagen von Jo: „Hört bitte auf, über Vorwürfe zu sprechen. Es sind keine Vorwürfe, das, was Jo sagt, stimmt.“

Sie entschuldigt sich dafür und meint, dass sie es nicht rechtfertigen könne und wisse auch, dass sie es nicht „klären“ könne. Nun könne sie nur ihr Verhalten reflektieren und verantwortungsvoll mit ihrer Schuld umgehen, um sich nicht wieder so zu verhalten. Sie bittet darum, dass Jo zugehört wird. Wikiriot gibt außerdem an, sich nicht früher zu dem Vorfall geäußert zu haben, weil sie nicht in der Position gewesen sei, darüber zu sprechen. In der Position seien Betroffene.

Die Reaktionen auf das Video sind negativ. In den Instagram-Kommentaren ist die Sprache von Doppelmoral und Unglaubwürdigkeit. „Wenn du richtigerweise keinen Raum einnehmen willst, dann hör auf, das zu tun“, heißt es in einem Kommentar. Einige fragen, wie sie Konsens so thematisieren konnte, wenn sie sich selbst nicht daran gehalten hatte. Andere Nutzer fordern sie auch auf, ihren Account zu löschen. 

Instagram-Account von „Princess Charming“: „Details und Ausmaß waren nicht bekannt“

Nach beiden Videos wird immer wieder eine Stellungnahme der Produktion gefordert. Wie es seien könne, dass die Thematik so verschwiegen wurde, fragen zahlreiche Nutzerinnen. Unter Posts des Accounts der Sendung wird nach einem Statement verlangt. Am Samstag, 19. November, postete der Account dann eine Text-Tafel.

Die Details und das Ausmaß seien nicht bekannt gewesen, „sonst hätte das Team vor Ort selbstverständlich sofort reagiert“, heißt es darin. Außerdem wird betont, wie wichtig Konsens sei und dass er für die Produktion höchste Priorität habe. Dieses Statement sorgt für Ärger, Empörung und Unverständnis: „Ihr hättet eure Plattform jetzt nutzen können, um euch in aller Form bei Jo zu entschuldigen, euch selbst an der Nase zu nehmen und aus euren Fehlern zu lernen“, schreibt eine Userin.

Fans machen RTL+ und Produktion mitverantwortlich

Auch Influencer und ehemalige Teilnehmende reagieren verärgert. „Abgesehen davon, dass jedem bekannt ist, dass 24/7 mitgeschnitten wird, sollte der eigene Anspruch anders angelegt sein“, schreibt Lars Tönsfeuerborn, der Gewinner der ersten Staffel „Prince Charming“. „Für mich war's das“, betont er und distanziert sich wie auch andere Teilnehmende von der Produktion sowie RTL+ und Seapoint Productions. Einige Youtuberinnen und Youtuber wie Silvi Carlsson und Aljosha kündigten an, die aktuelle „Prince Charming“-Staffel nicht mehr zu kommentieren, um die Macher nicht weiter zu unterstützen. 

Am Donnerstag, 24. November, berichtete nun eine weitere Kandidatin der ersten „Princess Charming“-Staffel von einem weiteren Vorfall. Sarina postete mehrere schwarze Texttafeln mit weißer Schrift. Auf der zweiten Tafel spricht sie eine „explizite Triggerwarnung“ für „se*xualisierte Gewalt“ aus, die im Detail beschrieben wird. In dem Text benennt Sarina die Täterin nicht, sondern schreibt von „du/dir“. 

Auch Sarina berichtet von mutmaßlichem sexuellem Übergriff während „Princess Charming“-Dreh

Sie beschreibt einen Vorfall, bei dem eine andere Kandidatin Sarinas Finger mutmaßlich an und in ihren Intimbereich geführt habe. Auf der vorletzten Tafel schreibt Sarina dann, dass sie von drei Übergriffen der Täterin wisse. Auf der letzten Tafel schreibt sie deshalb, dass es irrelevant sei, ob die Produktion von dem beschriebenen Vorfall Bescheid gewusst habe. „Da zwei dieser Vorfälle ausgestrahlt wurden, somit bekannt waren, hätte zumindest der letzte Übergriff verhindert werden können“, schreibt sie, „vielleicht sogar der an mir“.

Mit ihrem Post macht die ehemalige Kandidatin die Produktion somit explizit mitverantwortlich. Auch in den Kommentaren wimmelt es von Solidaritätsbekundungen und Zusprachen. Außerdem wird die Kritik and der Produktion lauter: „Na, wie wäre es mit einem zweiten Schrottstatement?“, kommentiert eine Userin in Richtung der Sendungsverantwortlichen. „Find es schrecklich, dass die Produktion sowas zugelassen hat, die müssen des doch auf den Kameras haben“, heißt es in einem weiteren Kommentar. 

Am Freitagabend, 25. November, postete der Instagram-Account „charmings.official“ ein weiteres Statement. Darin geht es wieder um den Vorfall, den Kandidatin Jo beschrieben hatte. Demnach habe die Produktion mit den beteiligten Personen „Kontakt aufgenommen und – da es sich um den Vorwurf einer Straftat handelt – auch Jurist:innen eingeschaltet“.

„Princess Charming“ nennt Jos Schilderung in zweitem Statement „nachweislich falsch“

Das Videomaterial sei begutachtet worden. Ein unabhängiger Anwalt sei dabei zu der Auffassung gekommen, „dass das Bildmaterial ‚eindeutig für Einvernehmlichkeit spricht‘ und „eine strafbare (ggf. versuchte) sexuelle Nötigung (…) bzw. sexuelle Belästigung (…) nicht belegbar sind‘“. Jos Empfinden würden sie sehr bedauern. Sie würden ihr anbieten, ihr das Material zu zeigen und „ihr eine unabhängige Person zur Aufarbeitung zur Seite“ zu stellen.

Außerdem verkündet der Account, bereits vorhandene Sicherheitsmaßnahmen zu überprüfen und gegebenenfalls zu optimieren „Dazu gehört aber auch, dass wir unsere Kandidat:innen vor nachweislich falschen Darstellungen in der Öffentlichkeit schützen“. Dieses Statement führt in den Kommentaren zu erneuter Empörung. „Ich dachte es geht nicht mehr schlimmer“, schreibt eine Userin. Eine weitere kommentiert: „Warum zur Hölle sollte Wiki dann selbst bestätigen, dass es so vorgefallen ist wie von Jo geschildert?“

Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat am Freitag bei RTL+ sowie der Produktionsfirma Seapoint Productions um eine Stellungnahme gebeten. Die Anfrage blieb bislang unbeantwortet.

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