Reihe „Musik der Zeit“Wie eine Klarinette zur Katze wird

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Thorsten Johans mit seiner Klarinette

Klarinettist Thorsten Johanns

Die Konzertreihe „Musik der Zeit“ mit Neuer Musik und den Ensembles des WDR gibt es schon seit 1951 - am Samstag war das Oberthema „Tempowechsel“.

Philippe Manoury komponierte „Passages“ für Thorsten Johanns, der bis 2015 Soloklarinettist des WDR Sinfonieorchesters war und das Werk nun erneut mit seinen vormaligen Kolleginnen und Kollegen aufführte. Der französische Komponist – Jahrgang 1952 – assoziiert die Klarinette mit einer Katze und gibt dem Instrument entsprechendes Futter: quirlige Läufe, extreme Lagenwechsel, sirrende Höchstlagen, samtpfötchen-weiches Pianissimo, spitz-kralliges Fortissimo, schnatterndes Stakkato. Und stellenweise wird die ausgezeichnet gespielte Soloklarinette links und rechts auf der Bühne noch von zwei weiteren Orchesterklarinetten umschwänzelt.

Brillanter Handwerker

Manoury ist ein brillanter Handwerker, in dessen Musik alles klingt und schlüssig aufgeht. Doch hört man kaum etwas, was man nicht anderswo schon gehört hat. Steven Daverson gruppierte für sein uraufgeführtes „Figures Outside a Dacha“ gleich sieben Solisten im Mittelpunkt des unter Leitung von Manuel Nawri hochkonzentriert spielenden WDR Sinfonieorchesters. Trotz elektronischer Verstärkung und Zuspiel entstand jedoch keine vielfarbig und konzertant die Tiefe des Raumes auffächernde Musik, sondern ein träger, trüber Klangbrei, passend zur beschworenen Schlussszene von Andrej Tarkowskijs durchweg verregnetem Film „Nostalghia“.

Den dortigen Kinobildern entsprachen bei Naomi Pinnocks „The Field is Woven“ Gemälde von Agnes Martin. Die 1979 geborene Engländerin reihte verschieden instrumentierte Mehrklänge wie Farbflecken eines Teppichs aneinander, so dass ruhig auf- und abtretende Flächen wie in Musik von Morton Feldman resultierten.

Durch alle Konzerte der WDR-Reihe „Musik der Zeit“ ziehen sich in der laufenden Spielzeit Werke von György Ligeti anlässlich von dessen hundertstem Geburtstag 2023. Das 1988 vollendete Klavierkonzert schichtet unterschiedliche Rhythmen und Tempi zu polyphon kreisenden Texturen. Der zeitlichen Komplexität entsprechen Überlagerungen im Tonraum. Die gleichschwebende Stimmung des Soloinstruments kollidiert mit Naturtönen von Horn und Streicherflageoletts. Die französische Pianistin Sophie Patey spielte ohne Unterlass die polyrhythmische Komplexe wie der Präzisionsmechanismus eines Player Piano. Faszinierend und Schwindel erregend.

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