Sissi im Kölner Museum LudwigPrivate Traumbilder der jungen Kaiserin

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Aus einem Schönheitenalbum der Kaiserin: Die Schauspielerin Marie Garnier als Venus in der Oper „Orpheus in der Unterwelt“

Aus einem Schönheitenalbum der Kaiserin: Die Schauspielerin Marie Garnier als Venus in der Oper „Orpheus in der Unterwelt“

  • Was kaum jemand weiß: Kaiserin Elisabeth, besser bekannt als Sissi, sammelte Fotografien in privaten Alben. Darunter auch drei „Schönheitenalben“ mit Frauenporträts.
  • Elisabeths Alben werden jetzt erstmals im Kölner Museum Ludwig aufgeblättert. Unter den Schönheiten finden sich auch zahlreiche „Halbweltdamen“.
  • Unser Kunstkritiker erkundete, was der jungen Kaiserin daran gefiel.

Köln – Wie man aus Filmen, Büchern und Illustrierten weiß, hatte es Elisabeth von Österreich-Ungarn, die als Sisi oder auch Sissi bekannte Kaiserin, in ihrem Leben nicht immer leicht – gerade in ihren jungen „Schicksalsjahren“ nicht. Aber so manche Erleichterung brachten diese wohl doch mit sich. Als sich Elisabeth nämlich einen Wunsch erfüllen wollte, der für heutige Teenager selbstverständlich ist, um das Jahr 1860 aber ein Privileg höherer Stände war, schickte der Außenminister eine dringende Bitte an die Botschafter des Reichs: „I.M. die Kaiserin wünscht für ihre Privatsammlung photographierte Porträts schöner Frauen aus den vorzüglichen Hauptstädten Europas zu erhalten“, heißt es im Schreiben, und dass „allerhöchstdieselbe“ zudem „besonderen Werth“ darauf legen würde, auch Aufnahmen orientalischer Schönheiten und Haremsdamen zu besitzen. Oh la la, mag da der österreichische Abgesandte in Paris gedacht haben und legte mit Porträts kostümierter Schauspielerinnen das für ihn nächstbeste zur Sultansgespielin in den Briefumschlag.

2000 Bilder in 18 Alben

18 Alben mit rund 2000 Bildern zählt Elisabeths private Fotosammlung, drei dieser Alben waren exklusiv der weiblichen Schönheit reserviert. In ihnen finden sich würdige Hoffrauen ebenso wie Halbweltdamen, die, teils in gewagten Posen, der jungen Kaiserin wohl kaum als modische Anregung oder zur Selbstfindung gedient haben dürften. Worin bestand also ihr Nutzen? Allein in der Befriedigung höfischer Neugierde am triebhaften Leben der niederen Stände vermutlich nicht. Als nächstes fällt einem das Studium weiblicher Rollen ein, was nur auf Anhieb anachronistisch klingt. Es ist nämlich bestens dokumentiert, dass Elisabeth sich schmerzlich bewusst war, eine ihr mehr zugewiesene als zugefallene oder gar selbst gewählte Rolle auszufüllen.

Eine unbekannte Schönheit aus den Alben

Eine unbekannte Schönheit aus den Alben

Im Fotoraum des Kölner Museum Ludwig werden unter dem Titel „Sisi privat“ nun die 18 Alben der Kaiserin aufgeblättert – zumindest einige von ihnen und das auch nur buchstäblich. Seit 1994 befinden sie sich als gut behütetes Geheimnis im Besitz des Ludwig – einzelne Abbildungen wurden zwar in Ausstellungen gezeigt, aber die Alben niemals als Gesamtes vorgestellt. Lange befanden sich diese in Besitz der kaiserlichen Familie, erst 1978 kamen sie auf den Kunstmarkt; nach Köln gelangten sie als Teil der Sammlung Robert Lebecks. Für künstlerisch oder kulturhistorisch interessant hielt man sie in diesen Jahren offenbar nicht – trotz oder gerade wegen der berühmten Sammlerin.

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Mittlerweile sieht man das anders, wie das Literaturverzeichnis im Beiheft zur kleinen Ausstellung belegt. Nach aktueller Auffassung war das private, nicht der familiären Erinnerung dienende Sammelalbum zu Elisabeths Zeiten kein Zeitvertreib gelangweilter Adelsfrauen, sondern ein Medium der Welt- und Selbsterkenntnis. Auch die österreichische Kaiserin dürfte an den Aufnahmen studiert haben, welche Möglichkeiten, eine Frau zu sein, es außerhalb ihrer mondänen, aber eben auch engen Welt noch gibt, und vielleicht wollte sie auch lernen, wie man sich gierige Blicke zunutze macht oder sich ihnen geschickt entzieht. In der Privatheit ihrer Alben konnte die Kaiserinan ihrem Spiegelbild arbeiten, während Hoffotografen wie Ludwig Angerer den offiziellen Teil erledigten. Nachdem sich Elisabeth aus den Fängen des höfischen Zeremoniells befreit hatte, lehnte sie es fortan ab, sich weiter ablichten zu lassen – als ob sie ahnte, dass man, wie Marlene Dietrich später sagte, Menschen auch zu Tode fotografieren kann.

Ein Appetitanreger, mehr nicht

Im Kölner Fotoraum erhält man davon allenfalls einen ersten Eindruck, die Schau ist mehr Appetitanreger als vollwertige Erkundung. Die Alben liegen überwiegend geschlossen in Glasvitrinen, von einigen der handlichen Sammelbildchen hat man aufgeblasene Reproduktionen an die Wand gehängt; gut tut ihnen das leider nicht. An Originalen bietet „Sisi privat“ ansonsten Hofporträts, historische Ansichten von Elisabeths Lebensorten und eine kaiserliche Familienaufnahme, die in Wahrheit eine Collage ist. Sämtliche Alben sollen nach und nach digitalisiert und online gezeigt werden – ausgerechnet als „Kulturelles Erbe Köln“.

„Sisi privat. Die Fotoalben der Kaiserin“, Museum Ludwig am Dom, Köln, Di.-So. 10-18 Uhr, bis 21. Februar 2021.

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