So war der TV-KrimiDieser „Tatort“-Fall wäre bei den „Drei ???“ besser aufgehoben gewesen

Lesezeit 4 Minuten
Johanna Stern beugt sich über den Goldschatz, der auf einer samtenen Decke liegt. Der Kurator Albert Dürr sitzt vor dem Schatz und beäugt Stern kritisch. Auch Odenthal schaut skeptisch zu ihrer Kollegin.

Ulrike Folkerts als Lena Odenthal, Lisa Bitter als Johanna Stern und Heino Ferch als Nibelungen-Spezialist Dr. Albert Dürr

Der erste Tatort nach der Sommerpause kommt aus Ludwigshafen. „Gold“ ist ein dramatisches Experiment, das die Nibelungensage zitiert. Die Mystery-Elemente sind aber einfach zu ironisch, um spannend zu sein.

Wenn ein Tatort mit einer an Dokumentarfilme erinnernden Narration einsetzt und eine Figur als Erzähler direkt in die Kamera schaut, dann erkennt man schnell, dass das hier kein gewöhnlicher Tatort ist. Von Hagen von Tronje ist die Rede, der den Schatz der Nibelungen im Rhein versenkt hat. Parallel beobachtet man Boris Wolter, der einen Schatz ausgräbt und dann zu Tode kommt. 

Hat Wolter da tatsächlich den Schatz der Nibelungen gefunden? Dieser gilt den Ermittlerinnen, die den Wissensvorsprung der Zuschauer aufholen müssen, erstmal als vermisst. Ein Gespräch mit seiner Mutter Hilde (Karin Hennemann) ergibt, dass seine Ex-Frau immer wieder trunken in sein Leben wirbelte. Beide hatten eine Faszination für alles Mittelalterliche. Doch auch ein Wein aus Deidesheim, den Wolter in seiner Wohnung hat, ist auffällig. Der Mann nahm Medikamente gegen Epilepsie ein und durfte eigentlich nicht trinken. 

In „Tatort: Gold“ wird Wagners „Ring“ gesungen

So führt die Spur Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Johanna Stern (Lisa Bitter) in die pfälzische Gemeinde. In Wolters Kofferraum findet sich tatsächlich ein Münzschatz. Der Kurator einer Ausstellung zur Nibelungensage, Dr. Albrecht Dürr (Heino Ferch) bestätigt, dass es sich um einen historischen Fund handelt und will den Schatz gleich für sein Museum einkassieren, auch wenn Lisa Bitter das zu verhindern weiß. Das Goldfieber zeigt bei ihr sogar erste Anzeichen für eine Karriere als Grabräuberin: Beim Fund eines beringten Fingers im Wald will sie als erstes wissen, was mit dem Ring passiert.

Und wie schon zu Beginn fallen weiter Zitate an die Nibelungensage und Wagner: Der Hotelier singt aus Wagners „Die Walküre“, der mysteriöse Kurator und Erzähler Dr. Albrecht Dürr (Heino Ferch) schmettert wortgewaltige Verse. Und ein Rechtsanwalt, der nur eine marginale Rolle spielt, heißt natürlich Hagen. 

Odenthal und Stern kommen auf die Spur des Nibelungenschatzes

Ein Besuch bei Wolters Ex-Frau Melania (Pheline Roggan) ergibt zunächst nichts. Wolter war aber am Abend seines Verschwindens noch mit einer Frau essen, die sich als die Besitzerin eines Weinguts herausstellt: Susanne Bartholomae (Ulrike C. Tscharre). Auch wenn sich zunächst kein Verdachtsmoment herausstellt, bekommen die Zuschauer auch hier wieder einen Wissensvorsprung: Bartholomae ist nicht nur vor kurzem verwitwet, sondern auch mit ihrem Weingut hoch verschuldet.

Parallel ereignet sich ein weiterer Mord: Der Hehler Helmuth Roth (Jo Jung) bot der Juwelierin Marie Bernard (Marie Bonnet) Teile des alten Schatzes zum Verkauf an. Sie bezahlte stattdessen mit einer Kugel und raubte den Schatz. Eine ganze Weile gammelt der Hehler vor sich hin, bis der Gestank die Anwohner auf ihn aufmerksam macht. Nach dem Fund der Leiche dauert es nicht lange, bis Odenthal und Stern über eine Überwachungskamera an der Straße auch die Juwelierin finden können. Sie scheint aber nichts mit Wolters Verschwinden zu tun zu haben. 

Die Auflösung

Die Ermittlerinnen erfahren von Susanne Bartholomaes Geldproblemen und stoßen bald über Satellitenbilder auf eine Hütte, die erst vor kurzem auf ihrem Feld errichtet wurde. Tatsächlich finden sie dort die Grabung des Schatzes. Bartholomae reagiert mit einem verzweifelten Versuch, die Ermittlerinnen in der Hütte einzuschließen und sie in Brand zu setzen. Doch wie erwartet, können Odenthal und Stern sich in höchster Not befreien und Bartholomae verhaften.

Es stellt sich heraus, dass sie den Schatz als erste gefunden hat. Boris Wolter wollte hinter ihrem Rücken den Schatz an sich bringen, weswegen sie ihn tötete und im Wald verscharrte. Am Ende verabschiedet der mysteriöse Kurator als Erzähler der Folge sein Publikum: „Ein Erbe nun, dem ich zu eigen, endlich das Gold und den Fluch in meinen Händen zum Verneigen.“

Fazit zum „Tatort: Gold“

Mit der Nibelungensage hat sich die Folge einen sehr ikonischen Stoff herausgesucht. Heino Ferch spielt seine theatrale Erzählerfigur ausgezeichnet, die Spielorte werden auch unter Einsatz der epischen Musik zu Bühnenbildern einer großen Inszenierung. Wer von der Nibelungensage nicht genug bekommen kann, freut sich über die zahlreichen Anspielungen auf die Sage oder Wagners „Ring der Nibelungen“. 

Die Inszenierung des Goldfiebers kommt mit dem animierten Gefunkel und Geklimper aber etwas billig daher. Die Mystery-Elemente werden durch den Fluch nur mit einem Augenzwinkern erzählt. Insgesamt hält die Folge die Anspielungen auf die Sage immer auf einer ironischen Distanz, was der Spannung enorm schadet.  Man taucht nicht ein in diesen Tatort, der zwar ein interessantes künstlerisches Experiment wagt, dem aber viel opfert.

Wer mit dem Humor nichts anfangen kann, beobachtet so einen Krimi, der seiner eigenen Ironie erliegt. „Tatort: Gold“ geht ohne Zweifel kreativ mit dem Genre um. Der Fall wäre bei den „Drei ???“ aber besser aufgehoben gewesen.

KStA abonnieren