„The Musician“Wie gruselig darf eine Kinder-Oper sein?

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Das Werk des nordirischen Komponisten Conor Mitchell, das in Köln Premiere feiert, erzählt die Vorgeschichte des Rattenfängers von Hameln.

Müssen Kinder-Opern in jedem Fall ein Happy End haben? Nicht unbedingt, Märchen, auf deren Stoffen sie oft genug fußen, warten damit zuweilen auch nicht auf. Zum Beispiel die Geschichte des Rattenfängers von Hameln, der sich an seinen untreuen Vertragspartnern bitterlich rächt.

Als eine Art Prequel der durch die Brüder Grimm populär gewordenen Erzählung präsentiert die Kölner Kinderoper im Saal 3 des Staatenhauses jetzt in deutscher Erstaufführung und deutschsprachiger Fassung „The Musician“ aus der Feder des nordirischen Komponisten Conor Mitchell, eine „Grusel-Oper“, deren Untertitel bezeichnenderweise „Oder: Wie der Rattenfänger nach Hameln kam“ lautet.

Und muss es – diese Frage ist mit der ersten eng verbandelt – in einer Kinderoper auf jeden Fall etwas zu lachen geben? Wahrscheinlich nicht einmal das. Und tatsächlich ist es hier nicht der Fall, wenngleich es de facto auch wenig zum Gruseln gibt. Wie auch immer: Siebenjährige und Ältere, für die das Stück vorgesehen ist, werden, so die wohl berechtigte Annahme, schon zu verkraften wissen, dass es auf der Welt (und auch im Theater) nicht immer lustig zugeht.

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Ein ausgegrenzter Junge rächt sich an seinen Peinigern

Wie aber lässt sich „The Musician“, der bislang durch Verneinungen charakterisiert wurde, positiv beschreiben? Nun, in dem vom Komponisten erstellten Libretto zu seinem Vier-Personen-Stück geht es um einen elternlosen und von seiner Umgebung – unter anderem von einem „fiesen, kleinen Mädchen“ – ausgegrenzten und verachteten „Jungen“, den ein zugereister Musiker das Flötenspiel lehrt.

Das setzt den Jungen in die Lage, es seinen Widersachern heimzuzahlen, indem er ihnen eine Rattenplage auf den Hals schickt, sie dadurch erpressbar macht und sich solchermaßen zu einem Quasi-Diktator aufschwingt.

Als der Musiker eines späteren Tages zurückkehrt, ist er entsetzt über diese Entwicklung, kann aber nichts mehr machen – der Dämon ist halt ein für allemal aus der Flasche. Der Junge ist übrigens zum Erzähler der Opernhandlung mutiert, die Geschichte, die dieser erzählt, ist – was erst am Ende offenbar wird – seine eigene.

Und die Moral „von det Janze“? Die ist nicht vieldeutig. So manches rutscht hier in eine abgründige Ambivalenz: Musik kann befreiend, aber auch zerstörend sein, die berechtigte Revolte gegen Unterdrückung in neuen Terror umschlagen. Die Kreisfigur des schlechten Weltlaufs präsentiert Mitchell, mithin eine pessimistische Geschichtsdiagnose. Kann man ihr in diesen Tagen wirklich widersprechen?

Problematisch ist das wiederholte Abwürgen der Bühnenhandlung

Bedenken provoziert weniger der Plot, auch nicht Arne Böges minimalistische Inszenierung, in der es ein paar nette Einfälle gibt. Etwa eine mit einem Knochenmann umhertanzende große Mausfigur (gruselig?). Und die Musik, vom Gürzenich-Orchester unter Rainer Mühlbach wie stets ansprechend serviert, ist zumal im stark herausgestellten Bläserapparat samt seinen Mixturen farben-, erfindungs- und abwechslungsreich. Stilpluralistisch angelegt, aktiviert sie hier einen eingängigen irischen Folksong, dort Jazz-Synkopen und auch leicht karikaturenhafte „klassische“ Opernelemente wie koloraturenbesetzte Arien.

Problematisch ist vielmehr das wiederholte Abwürgen der Bühnenhandlung durch besagten Erzähler sowie deren Austrocknung durch ein Übermaß an Dialogen. Es passiert – jedenfalls für eine Kinderoper – streckenweise einfach zu wenig. Da werden dann auch 70 Minuten lang.

Die Akteure – Sung Jun Cho als Musiker, Armando Elizondo als Erzähler, Tinka Pypker als Mädchen und Luzia Tietze als Junge – geben keinen Anlass zur Beanstandung (wobei Ensemblemitglied Sung Jun Cho seinen KollegInnen vom Opernstudio dann doch den Weg weist, den sie nehmen müssen, und Tinka Pypker darstellerisch einfach zu gebremst bleibt, um richtig „fies“ herüberzukommen). Den Strukturmängeln des Stücks vermögen auch sie nicht abzuhelfen.

Nächste Aufführungen: 27. Februar, 3., 5., 10., 11., 12. März

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