Rob Reiner wurde mit 78 Jahren Opfer eines Gewaltverbrechens. Von 1984 bis 1992 hatte er eine unvergleichliche Erfolgsserie im Kino.
Zum Tod von Rob ReinerEin wunderbar einfühlsamer Regisseur

Rob Reiner (r.) mit Tom Cruise am Set von „Eine Frage der Ehre“.
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Als hätte man Besuch vom Weihnachtsmann gehabt, schwärmt ein Kollege des britischen „Guardian“ von seinem Interview mit Rob Reiner. Und meint damit weniger das Nikolaus-kompatible Äußere des US-Regisseurs, als dessen väterlich einnehmendes Wesen. Umso schockierender wirkt die Nachricht, dass der 78-jährige Reiner und seine Frau Michele am Sonntag tot in ihrem Haus in Brentwood, einem gut situierten Stadtteil von Los Angeles, aufgefunden wurden, offensichtlich Opfer eines Gewaltverbrechens. Am Montag nahm die Polizei den 32-jährigen Sohn des Paares fest. Nick Reiner hat lange mit Drogenproblemen gekämpft.
Der Sohn des Komikers und Regisseurs Carl Reiner („The Dick Van Dyke Show“, „Reichtum ist keine Schande“) erlangte erste Berühmtheit als „Meathead“ in der TV-Serie „All in the Family“, der linke Schwiegersohn des kleingeistigen Familientyrannen Archie Bunker. In der deutschen Version der Serie – „Ein Herz und eine Seele“ – hatte Dieter Krebs diese Rolle übernommen.
„Stand by Me“ gilt als die beste Adaption einer Stephen-King-Vorlage
Anschließend versuchte sich Reiner als Regisseur. Besser gesagt: Er fand sich sofort. In seiner Mockumentary „This Is Spinal Tap“ (1984) folgte er den Missgeschicken der fiktiven britischen Metal-Band Spinal Tap. Der viel zitierte Film gilt als eine der lustigsten Komödien überhaupt, für Reiner bedeutete er nur den Beginn einer unvergleichlichen Erfolgsserie: Mit seiner dritten Regiearbeit, dem Coming-of-Age-Drama „Stand by Me“, trat er nach eigener Einschätzung endgültig aus dem Schatten seines berühmten Vaters, obwohl das Verhältnis stets harmonisch war: Als Reiner Senior ihn fragte, ob er vielleicht seinen Namen ändern wolle, um lästigen Vergleichen zu entgehen, sagte der liebende Sohn, er würde eher seinen Vornamen in „Carl“ ändern.
„Stand by Me“ gilt neben „The Shawshank Redemption“ als die beste Adaption einer Stephen-King-Vorlage, was zuvörderst an der einfühlsamen Führung lag, die Reiner seinen jungen Stars, unter anderem
Wil Wheaton und River Phoenix, angedeihen ließ. Das Väterliche lag ihm schon damals: Er beharrte darauf, dass die Zigaretten, die die jungen Streuner auf ihrem Abenteuer rauchen, aus Kohlblättern gedreht wurden. Und die Serie hielt an: mit dem parodistischen, ebenfalls endlos zitierbaren Märchen „Die Braut des Prinzen“ und mit der Mutter aller modernen Rom-Coms „When Harry Met Sally“. Es war übrigens auch Reiners Mutter Estelle, der er die lustigste Zeile schenkte: „Ich nehme das Gleiche, was sie hat“, wies sie die Bedienung des Diners an, in dem Sally gerade einen Orgasmus nach Salatgenuss vorgespielt hatte.
Der Film hätte beinahe nicht als Komödie geendet, eigentlich sollten sich die ewig besten Freunde als Liebespaar verfehlen. Aber dann lernte Reiner, der nach seiner Scheidung von der Schauspielerin und Regisseurin Penny Marshall zehn Jahre lang als Single gelebt hatte, am Set die Fotografin Michele Singer kennen – und übertrug sein privates Glück auf das fiktive Paar.
Reiner für den Rest seiner Karriere Komödien drehen können, stattdessen forderte er sich heraus, mit seiner zweiten, horrorlastigeren King-Verfilmung „Misery“, die Kathy Bates einen Oscar einbrachte, und mit dem Gerichtsdrama „Eine Frage der Ehre“ (1990), in dem uns Jack Nicholson darüber informierte, dass wir die Wahrheit doch gar nicht ertragen können.
Die eine Wahrheit über Rob Reiner ist, dass er nie wieder an diese Serie anknüpfen konnte, die andere, dass er an anderer Stelle Erfolge feierte, etwa als prominenter Fürsprecher der Demokraten und politischer Aktivist – vergeblich versuchten Freunde, ihn zu einer Kandidatur als Gouverneur von Kalifornien zu bewegen – und immer wieder als Gelegenheitsschauspieler, in Scorsese „The Wolf of Wall Street“ und zuletzt in der Sitcom „The Bear“.
