Niclas Arenz schreibt in Köln-Mülheim persönliche Gedichte für Fremde – emotionale Begegnungen und Poesie zum Mitnehmen.
Zwischen Tasten und EmotionenDichter aus Köln-Mülheim schreibt Gedichte für Fremde

Arenz liest Fremden in Kerzenschein sein Gedicht für sie vor.
Copyright: Sina-Marie Schons
Es ist ein warmer Sommerabend in einem kleinen Café in Köln-Mülheim. Zwischen dampfendem Tee und leisen Gesprächen sitzt Niclas Arenz, eine alte Olympia-Schreibmaschine vor sich. Das Klackern der Tasten mischt sich mit dem Summen der Stadt, während er mit konzentriertem Blick die Geschichte eines Fremden in Poesie fasst. „Ich schreibe Gedichte für Menschen, die ich nicht kenne, aber für einen Moment sehr genau verstehen möchte“, sagt der 25-Jährige.
Niclas Arenz ist Dichter – doch nicht irgendeiner. Mit seiner Schreibmaschine reist er zu Hochzeiten, Märkten, Veranstaltungen wie der Bohème Sauvage oder setzt sich in Cafés, um personalisierte Gedichte zu kreieren.
Jedes Gedicht ein Unikat
Niclas sitzt bereit, seine Schreibmaschine vor sich, das Papier eingespannt. Fremde treten an seinen Tisch, setzen sich ihm gegenüber und beginnen zu erzählen: von Gedanken, Gefühlen, kleinen Momenten oder großen Themen, die sie gerade bewegen. Manchmal stellt Niclas eine ruhige Rückfrage, tastet sich vorsichtig an das Gesagte heran. Dann beginnt das leise Klackern der Tasten, sein Blick ist konzentriert, die Finger tanzen über die Maschine. Wenn das Gedicht fertig ist, fragt er: „Möchtest du, dass ich es dir vorlese?“ Einige nicken, andere nehmen das Blatt still entgegen. Die meisten gehen dankbar, fast beseelt – mit einer kleinen Erinnerung in der Hand, die nur für sie bestimmt ist.
„Kein Gedicht bleibt bei mir. Sie gehen alle mit den Menschen nach Hause“, erzählt Arenz. „Manchmal sehe ich Tränen, oft ein Lächeln und das ist das Schönste daran.“
„Eine Sache, die mir jemand einmal sagte, hat mich sehr berührt: ‚Du hast Worte für mich gefunden, nach denen ich lange gesucht habe‘, sagt er nachdenklich. Besonders berührend war eine Begegnung mit einem Mann, dem Arenz ein Gedicht schrieb, das dieser am folgenden Montag bei der Beerdigung seiner Mutter ins Grab legen wollte. „Solche Momente zeigen, dass Poesie mehr sein kann als nur Worte auf Papier, sie wird zur Erinnerung und zum Trost“, sagt der rechtsrheinische Kölner.
Du hast Worte für mich gefunden, nach denen ich lange gesucht habe.
Für viele ist es eine ungewöhnliche Erfahrung: mit einem Fremden in wenigen Minuten so viel Emotion zu teilen. „Das Spannende ist, dass diese Begegnungen eine ganz besondere Atmosphäre schaffen. Obwohl wir uns nicht kennen, entstehen Momente der Intimität, die bereichern.“ Auf seinem Instagram-Kanal gibt er Einblick in diese Begegnungen und zeigt seine verschiedenen literarischen Arbeiten.
Niclas Arenz ist 25 Jahre alt und stammt ursprünglich aus der Eifel, genauer aus Weibern in der Nähe des Nürburgrings. Für seine Ausbildung zum 3D-Game-Artist zog er vor fünf Jahren nach Köln, wo er seitdem lebt. Vor etwa zwei Jahren verlagerte sich sein kreatives Schaffen von der 3D-Kunst hin zum Schreiben. 2022 kaufte er seine erste Schreibmaschine, um zunächst Briefe zu schreiben. Ein Video einer Dichterin aus New York, das ihn online inspirierte, brachte ihn jedoch dazu, personalisierte Gedichte zu verfassen. Im vergangenen Jahr schrieb der Student erstmals live Gedichte bei einem Dating-Event – ein besonderer Moment, der den Startschuss für seine poetische Reise bedeutete.
Das Event mit dem Namen Queer Amore wird von seiner Mitbewohnerin organisiert und findet in Köln-Mülheim statt. Es bietet queeren Menschen einen Safe Space, um sich kennenzulernen. Mit einem Awareness-Team und immer wieder neuen Programmpunkten versucht Queer Amore eine offene und unterstützende Atmosphäre zu schaffen.
Niclas Ziel ist klar: „Ich möchte Dichtkunst zugänglicher machen und an möglichst vielen Orten Geschichten von Fremden hören.“ Mit jedem Gedicht schafft der junge Poet eine Erinnerung, die weit über Worte hinausgeht – ein kleines Stück Poesie zum Mitnehmen.