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„L'Arte del Mondo“Leverkusener Orchester will seit 20 Jahren Völker verbinden

5 min
L'arte del mondo, Leverkusen

L' arte del mondo tritt in der ganzen Welt auf, hier in der Wüste in Tunesien in einem der größten Amphitheater der Welt in „El Jem“.

Das Ensemble von Dirigent Werner Ehrhardt feiert seinen runden Geburtstag mit einem Konzert im Forum am 19. September.

Wenn Werner Ehrhardt darüber erzählt, was hinter seinem Orchester „L'arte del mondo“ steckt, dann geht es über das rein Musikalische weit hinaus. Der 68-Jährige sitzt im Gespräch mit dem „Leverkusener Anzeiger“ im Garten seines Hauses in der Waldsiedlung. Mal sprudeln die Worte aus ihm heraus, mal überlegt er lange für seine Antworten.

Vor 20 Jahren, im September 2005, hat das inzwischen renommierte Orchester sein erstes Konzert gegeben. Und – im Namen (aus dem Italienischen: Die Kunst der Welt) ist das schon erkennbar – für Ehrhardt ist „L'arte del mondo“ eine Brücke, um Kulturen miteinander zu verbinden.

Aber zunächst an den Anfang. Es ist das Jahr 2004, Ehrhardt und seine Frau Linda genießen den Italienurlaub in der Toskana. Da kommt den beiden die Idee, ein neues Orchester zu gründen. Ehrhardt, studierter Geiger und Dirigent, hatte zuvor das auf Alte Musik spezialisierte Ensemble „Concerto Köln“ geleitet. Linda Ehrhardt war zeitweise die Geschäftsführerin des 1985 gegründeten Ensembles. So soll die Aufteilung auch beim neuen Orchester sein, das den beiden vorschwebt.

Arte del Mondo Dirigent Werner Ehrhardt. Foto: Ralf Krieger

Ehrhardt ist ein Experte für Alte Musik.

„Wir wollten etwas ins Leben rufen, das aber nicht nur Alte Musik spielt, sondern etwas, was gesellschaftlich-musikalische Strömungen ins Jetzt holt.“ Was ein bisschen kompliziert klingt, kann Ehrhardt anhand von Beispielen besser erklären. Da ist einmal die Alte Musik, deren Experte Ehrhardt ist. Als Alte Musik wird die Musik des Frühmittelalters bis etwa 1750 bezeichnet. Da sind aber auch Begegnungen mit anderen Musikarten, und zwar vor allem mit Klängen aus anderen Kulturen, die die Projekte von „L'arte del mondo“ einzigartig werden lassen.

Zum Beispiel: „Wir haben mit türkischen Musikern gespielt.“ Da war die Richtung: „Wir spielen Alte Musik, aber was ist denn eure Alte Musik?“ So entstand ein Zusammenklang von mitteleuropäischer und osmanischer Tradition. Ein Kontrast, der Werner Ehrhardt heute noch schwärmen lässt.

L'arte del mondo, Leverkusen

Das Bild zeigt die Musiker und Musikerinnen mit Daniel Hope zusammen in Patagonien, im Konzertsaal Teatro del Lago von Frutillar, „vor einem der schönsten Vulkane der Erde, dem Osorno“, schwärmt Ehrhardt.

Oder das interkulturelle Oratorium „Israel in Egypt“, das das Leverkusener Orchester vor zehn Jahren zum ersten Mal bei den Händel-Festspielen in Halle mit einem israelischen Künstler aufgeführt hat. Das Alte Testament diente dabei als Libretto, die Chöre waren Händel-Musik, aber die Arien wurden von palästinensischen Muslimen auf Arabisch und von Kantoren auf Jiddisch gesungen. Herausgekommen sei „ein Ineinandergreifen von traditioneller Barockmusik und arabischer und jüdischer Musik“. Dieses völkerverbindende Element sehe er für „L'arte del mondo“ ganz klar als Auftrag.

Werner Ehrhardt

Die Idee, das Orchester zu gründen, kam Werner Ehrhardt in der Toskana.

In den Jahrzehnten seiner Tätigkeit als Musiker sei er viel herumgekommen in der Welt. Und immer habe er sich gefragt: „Wie ist Deine Kultur und wie ist Deine Musik?“ Jeder komme aus seiner kulturellen und musikalischen Welt und damit wollen er und seine Musikerinnen und Musiker in einen Dialog kommen. Und eigentlich immer zeige sich dabei: Die übergeordneten Gefühle seien bei allen gleich. Er sieht die Kunst als ein Mittel, sich vor der „großartigen und vielfältigen Schöpfung“ zu verneigen.

Es gehe darum, Verbindungen zu schaffen, das Verständnis auch für andere Kulturen zu wecken. „Den anderen erlebbar und hörbar zu machen und dann ins Verhältnis zu ‚unserer‘ Musik setzen“ will der Leverkusener Dirigent.

Das, was er und sein Orchester gern spielen und wofür sie berühmt sind, nennt Ehrhardt „musikalische Ausgrabungen“. Also Stücke und Komponisten jenseits von Beethoven, Mozart und Haydn – allein schon zeitlich. Schon als Geigenstudent bei Franzjosef Maier, dem Ehrhardt nach eigenen Aussagen sehr viel zu verdanken hat, habe er aus der Alten Musik herausholen wollen, was drin stecke. Damit auch diese Komponisten wie Josef Mysliveček oder Joseph Martin Kraus Eingang ins Konzertrepertoire fänden.

Der Wert von Kunst ist für eine Gesellschaft nicht messbar.
Werner Ehrhardt

„L'arte del mondo“ besteht aus freien, professionellen Musikerinnen und Musikern. 40 Mitglieder zählt das Orchester, wenn alle da sind. Je nach Projekt spielt das Ensemble aber auch in kleineren Besetzungen. Als Ehrhardt und seine Frau angefangen haben, das Orchester aufzubauen, habe es eine „Academia L'arte del mondo“ gegeben, berichtet Ehrhardt. Das heißt, über eine Exzellenzförderung konnten junge Hochschulabsolventen als eine Art Weiterbildung in Alter Musik zum neu gegründeten Orchester hinzustoßen. Das sei bis heute die Idee, sagt Ehrhardt: „Erfahrene Musiker sollen mit jungen zusammenspielen. Und das ist voll aufgegangen.“

L'arte del mondo, Leverkusen

In der Philharmonie St. Petersburg mit dem Harfenisten Xavier de Maistre

2010 wurde „L'arte del mondo“ zum Orchester in Residenz der Bayer Kultur. „Ein Meilenstein“, wie Ehrhardt berichtet. Seitdem probt das Ensemble im Erholungshaus, kann dort Projekte umsetzen und ist unter anderem auch Teil des „Start“-Festivals. Anfangs, erinnert sich der Dirigent, habe man als Bayer-Künstler nicht für die Stadt auftreten dürfen. Das sei zum Glück vorbei.

Über das Landesministerium für Bildung, Kunst und Kultur bekommt „L'arte del Mondo“ Förderungen für Projekte, auch die Kunststiftung unterstützt das Orchester, dazu arbeite man schon lange mit dem WDR und Sony zusammen. Ein starkes Netz hat sich Ehrhardt da aufgebaut.

Das Orchester hat durch die Unterstützung von Bayer Kultur Glück, denn angenehmer wird es nicht für Künstlerinnen und Künstler in der Kulturszene. Das Geld ist überall knapp, möglicherweise streicht das Land weitere Exzellenzförderungen. Auch die Corona-Pandemie habe dazu beigetragen, dass Konzertveranstalter unsicherer seien. Man biete lieber das Bekannte. Das, was den Laden voll mache, sagt Ehrhardt. Dabei müsse man aufpassen, dass das Kreative, das, was abseits des Bekannten stattfinde, nicht untergehe. „Künstlerische Einengung“, nennt Ehrhardt das. Er mahnt: „Der Wert von Kunst ist für eine Gesellschaft nicht messbar.“

„L'arte del Mondo“ sieht sich als Leverkusener Orchester. Man sei stolz darauf, sagt der Dirigent. Erst recht zwischen der großen Konkurrenz zwischen Düsseldorf und Köln. Er wolle einen Beitrag dazu leisten, dass der Gedanke in seiner Stadt wachse: „Wir kriegen hier auch was hin.“


Das Geburtstagskonzert

Einen Querschnitt aus 20 Jahren „L'arte del Mondo“ erwartet die Zuhörerinnen und Zuhörer auf dem Geburtstagskonzert am Freitag, 19. September, um 19.30 Uhr im Forum. Ehrhardt und das Orchester dürfen diverse Weggefährten aus den vergangenen 20 Jahren begrüßen, unter anderem Yair Dalal (Geige und Oud) und Sandro Roy (Gipsy-Geige). Dazu gibt es eine kleine Ausstellung mit Filmausschnitten und Fotos. Karten gibt es unter anderem über „Lust auf Leverkusen“. (nip)