Leserbriefe zur WM in KatarWenig Vorfreude auf dieses Turnier

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Das Khalifa Stadion in Doha ist ein ovales Gebäude mit in der Mitte offenem Dach und aufwändiger Hängedachkonstruktion an den Seiten. Im Bildhintergrund schließt sich städtische Bebauung ans Stadion an.

Im Khalifa International Stadium in Doha wird auch die deutsche Nationalmannschaft Spiele absolvieren.

Das WM-Turnier hätte niemals an Katar gehen dürfen. Was folgt daraus für die Fans und die Medien? Auf diese Fragen antworten Leser und erklären, wie sie mit Boykott-Aufrufen umgehen.

Die falsche WM – Leitartikel von Carsten Fiedler (5.11.)

WM-Boykott für uns selbstverständlich

Selbstverständlich werden wir nicht ein einziges Spiel beziehungsweise Berichte und Kommentare zur diesjährigen WM verfolgen und möchten zu ihrem Boykott aufrufen. Tatsache ist doch, dass diese WM unter äußerst dubiosen und fragwürdigen Voraussetzungen stattfinden kann. 

Kein Mensch kann doch dieses Unternehmen, aufgebaut auf Korruption, Bestechung und menschenunwürdigen Verhältnissen der Bauarbeiter im Ernst unterstützen.  Irene Scheurer und Eckhard Krämer Bergheim

WM-Boykott ist heuchlerisch

Die WM nach Katar zu vergeben, war höchst wahrscheinlich unangemessen und mit Korruption verbunden. Allerdings jetzt, zehn Jahre später und zwei Wochen vor Beginn der Wettspiele, diese in Frage zu stellen und gar zum Boykott aufzurufen, halte ich für heuchlerisch und unangemessen; und es ist allen Beteiligten gegenüber höchst respektlos.

Des Weiteren stellt sich nicht nur bei dieser WM die Frage, was eine Weltmeisterschaft grundsätzlich meint und bezweckt: Will man bei einem großen Sportfest allen Ländern dieser Welt die Chance geben, sich zu qualifizieren und an den Spielen teilzunehmen oder nur den demokratischen? Dann sollte man die Veranstaltung aber vielleicht „Fußballmeisterschaft der demokratischen und die Menschenrechte respektierenden Staaten der Welt“ nennen.  Bernd Bühner Köln

Verzicht auf Public Viewing

Auch die Evangelische Jugend Schlebusch wird nach 22 Jahren ununterbrochenem „Public Viewing“ zu EM und WM in diesem Winter bewusst auf die gute Fußballstimmung und das miteinander Bangen und Jubeln in unserem großen Saal verzichten. Hieran möchten und werden wir nicht einen Cent verdienen! Dass überhaupt gespielt wird, ist ja schon ein Skandal. Stefan Lapke Leverkusen - Jugendreferent ejs

Vorfreude auf ein schönes Fußballfest

Das Lamentieren über die Missstände bei der Fifa in Zürich und in Doha sollte vom Fußball getrennt werden. Ich freue mich auf die Wettkämpfe und werde, soweit möglich, alle mich interessierende Fußballspiele am Fernseher verfolgen.

Ich habe in der Vergangenheit natürlich auch von der Korruption bei der Vergabe der Weltmeisterschaft gehört und mich geärgert. Man hatte Jahrzehnte Zeit, hier für Aufklärung zu sorgen und immer wieder den Finger in die Wunde zu legen. Das Gleiche gilt für die Zustände auf den Baustellen in Katar. Die Herrschenden kann man dafür nicht allein verantwortlich machen, denn die Baufirmen hätten hier sicherlich mehr Verantwortung zeigen können und müssen.

Hoffen wir, dass die viel zu hoch bezahlten Fußballer keine schweren Verletzungen erleiden und das aufgeblähte Schiedsrichterteam immer die richtigen Entscheidungen trifft! Wir können uns dann auf ein schönes Fußballfest in Katar freuen. Rainer Czoske Sankt Augustin

Aufrichtige Positionierung zur WM verpasst

Ich finde es bezeichnend, die Diskussion nicht schon zum Zeitpunkt der fragwürdigen Entscheidung „pro Katar“, sondern Jahre später zu Beginn der WM in dieser Intensität zu entfachen! Es ist wohlfeil, jetzt darüber zu diskutieren, ob die Veranstaltung boykottiert werden sollte oder nicht.

Vor allem die bis vor kurzem angestrengte Diskussion, ob unsere Nationalmannschaft teilnehmen sollte oder nicht und die entsprechenden Fragen an die Spieler empfinde ich zum jetzigen Zeitpunkt als unangemessen. Da hätte man sich deutlich früher auseinandersetzen müssen, nun ist das Thema „durch“ und eine Chance für eine aufrichtige Positionierung verpasst. Dieser Hinweis gilt auch und insbesondere für die Medien!

Was mich selbst betrifft, habe ich diesmal tatsächlich wenig Euphorie für die WM: Nicht nur wegen der unerträglichen Menschenrechtssituation und meiner Antipathie für den Staat Katar, sondern auch aufgrund der Tatsache, dass eine WM für mich definitiv nicht in den Winter gehört. Es ist schon erstaunlich, dass sich sämtliche europäische Top-Ligen dem verzerrten Spielplan gebeugt haben.

Ich habe mir vorgenommen, die WM diesmal an mir „vorbeiziehen zu lassen“ und ich hoffe, dass es viele andere auch tun, damit die Fifa begreift, dass sie übers Ziel weit hinausgeschossen ist. Wir haben es in der Hand, etwas zu verändern und auszuschließen, dass die Kommerzialisierung des „Kulturguts Fußball“ immer groteskere Formen annimmt! Frank Scholz Bergisch Gladbach

Lange, fußballfreie Winterpause

Als 56-jähriger Fußballfan kann ich sagen, dass jedes Großturnier seit meiner Kindheit jeweils ein Highlight war. Verbunden war dies immer mit einer großen Vorfreude. Dieses Mal freue ich mich auf eine lange, fußballfreie Winterpause. Ich werde nicht schauen! Zdenko Jelinic Bergisch Gladbach

WM-Boykott-Forderungen kommen zu spät

Es ist pervers, dass sich ein Land, das es sich leisten könnte, die besten und sozialsten Musterbaustellen der Welt zu erstellen, sich an den Ärmsten der Armen bereichert. Es ist empörend, wenn der größte Einzelverband der Fifa, der diese Entscheidung mitgetragen hat, jetzt von seinen Mitgliedern Konsequenzen aus seinem Verhalten einfordert.

Wenn der DFB sich nach der Entscheidung für Katar geweigert hätte, am Turnier teilzunehmen, hätten viele Mitglieder dies mitgetragen. Vielleicht können die Proteste aller, die sich den Menschenrechten im Sport, insbesondere im Fußball, verpflichtet fühlen, ihre Verbände zu einer dringend erforderlichen Reform der Entscheidungsgremien zwingen. Jürgen Müller Pulheim

„Das Vergnügen WM lasse ich mir nicht entgehen“

Die Fußball-WM in Katar wenige Tage vor ihrem Beginn zu boykottieren, wäre aus zwei Gründen töricht: Erstens spielen die besten Mannschaften der Welt gegeneinander. Dieses Vergnügen lasse ich mir nicht entgehen. Es waren außerdem nicht die Spieler, die den Austragungsort gewählt haben. Zweitens wurde Katar von der Fifa, einer Organisation, an der alle Länder der Welt beteiligt sind, als Austragungsort ausgewählt – soweit bekannt nach demokratischen Regeln.

Erinnere ich mich recht, bezog sich die anschließende Kritik auf die zu erwartenden Außentemperaturen. Menschenrechte waren vor mehr als zehn Jahren kein Thema. Wer kannte sich in diesem kleinen Emirat schon aus? Wir sind erst nach der Wahl klüger geworden. Um diesem Manko abzuhelfen, begrüße ich den Vorschlag von Carsten Fiedler: Nicht nur über Fußball aus Katar berichten, sondern auch über Missstände im Land. Winfried Saal Euskirchen

WM: Kommerz siegt über Gewissen

Worüber regen wir uns eigentlich auf? Darüber, dass in Katar Menschenrechte mit Füßen getreten und Fremdarbeiter ausgebeutet werden und man dort von Klimakrise wohl noch nichts gehört hat? Man hat auch Öl und Gas genug, um die Stadien herunterzukühlen. Das alles wusste man bereits bei der Vergabe der WM an das Emirat und man hat mit Bedacht die Petrodollar gewählt, weil man mit einem unvorstellbaren Haufen Geld sein „Gewissen“ beruhigen kann. Das ist offensichtlich passiert und es ist mehr als scheinheilig, jetzt zu lamentieren und Boykottaufrufe zu starten.

Kein einziger Fußballverband hat sich aus den Qualifikationsrunden abgemeldet, wäre das doch der richtige Zeitpunkt und Ort gewesen, um seiner Meinung Gehör und Gewicht zu verschaffen. Nichts zu unternehmen und darauf zu hoffen, dass irgendein Wunder das „ungeliebte“ Ereignis verhindern möge, ist an Naivität nicht zu überbieten. Aber wahrscheinlich ist der Wunsch nach Menschenrechten nicht so brennend wie die Aussicht auf die zig Millionen Dollar, die den Verbänden zufließen werden.  Manfred Jestel Lohmar

Ausnahme vom Boykott für Spiele der deutschen Mannschaft

Seit meiner Jugendzeit bin ich nicht nur als Spieler, sondern auch als Zuschauer Fußballfan. Erstmals in meinem Leben werde ich mir keine WM-Sendung ansehen, mit Ausnahme der Spiele der deutschen Mannschaft. Diese aber auch nur mit einem gewissen Bauchschmerzgefühl. Dr. Ferdinand Hähn Köln

Totale WM-Fernsehenthaltung

Danke für die informative Berichterstattung des „Kölner Stadt-Anzeiger“ über die Fußball-WM in Katar: „Zeichen der Ausbeutung“ - bewundernswert die Einstellung von Gastwirt Pfannschmidt und seinen Gästen, die eine Fernsehabstinenz der WM-Spiele vorhaben. Am 5.11. der Leitartikel „Die falsche Weltmeisterschaft“ von Carsten Fiedler sowie das ausführliche Dossier „Eine WM wie keine zuvor“ von Christian Löer.

Diese Berichte öffnen auch dem letzten noch unwissenden Fußballfan die Augen über die verheerenden Umstände der kommenden Fußball-WM in Katar. Es ist erschütternd, wie viel Korruption in der Fifa herrscht, dank der Herren Blatter, Platini, Beckenbauer, Infantino und vielen anderen. Wie fast überall bestimmt allein das Geld auch diesen schönen Fußballsport. Als winziges Zeichen der Ablehnung bleibt für einen begeisterten „Turniergucker“ lediglich die totale Fernsehenthaltung – sehr schade! Dr. Klaus Ridders Köln

„Boykott trifft nun den Kneipenwirt an der Ecke“

Ein Zuschauerboykott der WM zum jetzigen Zeitpunkt ist überflüssig bis scheinheilig. Die Fifa hat ihr Geld verdient. Die Einnahmen für Vergabe-, Fernseh- und Werberechte sind geflossen. Die Einnahmen für Zuschauertickets sind ein Tropfen auf den heißen Sand.

Die korrupte und ausschließlich auf Gewinn um jeden Preis ausgerichtete Politik der Fifa wäre ohne die Vergabe nach Katar nicht annähernd in den Fokus gerückt, wie nun geschehen. Ebenso wie der Umgang Katars mit Menschenrechten und Klimapolitik medial nicht mit der Präsenz in den Blick genommen worden wäre.

Ein Zuschauerboykott trifft nun den Kneipenwirt an der Ecke, der gebeutelt durch Corona und Energiekrise einer weiteren, kleinen Überlebensspritze beraubt wird. Die einzige wirklich wirksame Boykottmaßnahme wäre ein Teilnahmeverzicht der deutschen Mannschaft, besser aller europäischen Mannschaften, gewesen. Dafür hatte aber niemand, weder DFB noch Bundesregierung, ob der wirtschaftlichen Verflechtungen, den Mumm! Wolfgang Gorzalka Köln

Fifa-Präsident Gianni Infantino und Scheich Tamim bin Hamad Al Thani, Emir von Katar, signalisieren per Handschlag ihr gegenseitiges Einverständnis. Sie befinden sich auf einer farbig ausgeleuchteten Bühne.

Handschlag von Fifa-Präsident Gianni Infantino (l) und Scheich Tamim bin Hamad Al Thani, Emir von Katar bei der Auslosung der Vorrundenbegegnungen

WM: „Kein einziger Klick soll meine Gutheißung signalisieren“

Herzlichen Dank dafür, die Ereignisse und Skandale rund um die Katar-WM nochmals zusammengestellt zu haben. Alle beteiligten Akteure haben selbstverständlich sehr großes Interesse daran, dass in der zunehmenden Vorfreude und Begeisterung all dies in den Hintergrund rückt, verdrängt und vergessen wird. Meine Entscheidung zur Wahrnehmung des Sportereignisses habe ich bereits vor einiger Zeit getroffen:

Ich werde mich auf die Berichterstattung meiner Tageszeitung verlassen, alles andere werde ich meiden - zum ersten Mal seit 1974. Kein einziger Klick soll meine Gutheißung signalisieren. Dies bietet eine schöne Gelegenheit, demonstrativ mal den Regionalligen ein wenig mehr Beachtung zu schenken, die während der WM ja mit vier Spieltagen weiterlaufen. Dort wird toller Sport geboten!  Prof. Dr. Thomas Kistemann Köln

Der Freude am Sport dennoch Raum geben

Es wird langsam sehr nervig: Alles in dieser Welt ist schlecht. An gar nichts lässt der heutige Journalist mehr Freude zu. Merkwürdig ist nur, dass die Slums in Südafrika oder die Favelas in Rio de Janeiro bei den ehemaligen Weltmeisterschaften nur eine Randnotiz waren.

Es ist wichtig, Missstände zu benennen und öffentlich zu machen. Dafür bietet diese WM eine gute Chance. Aber Sport und Fußball bringen den Menschen doch die Freude, die den Alltag und die Probleme für einige Stunden vergessen lässt. Nutzen Sie die Chance, aufzuklären und zu berichten. Aber berichten Sie auch zur Abwechslung von Lebensfreude, Spaß und schönen Emotionen. Das macht das Leben doch lebenswert.  Alexander Hümmerich Köln

Menschenrechtsverletzungen und WM-Turnier unvereinbar

Als begeisterter Fußballfan konnte ich schon die Vergabe an Katar nicht nachvollziehen. Nun, kurz vor den Spielen habe ich für mich entschieden: Ich kann es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, auch nur ein einziges Spiel anzuschauen.

Wo Menschenrechte mit Füßen getreten werden, darf kein Platz für fröhliche Spiele sein. Ich richte mich stattdessen auf einen besinnlichen Advent ein.  Ingrid Schäfer Neuss

Statt WM Kreisliga schauen

Ich werde diese WM boykottieren, denn die Auswahl von Katar als Ausrichter, begleitet von massiver Korruption, ist abstoßend und respektlos. Nein, so eine WM brauche ich nicht, aber Fußball schaue ich trotzdem gerne: Kreisliga, denn da spielt mein Sohn und darauf freue ich mich.  Volker Jahr Euskirchen

Katar: „Sportliches und Drumherum lassen sich nicht trennen“

Seit der WM 1966 in England, die ich als Siebenjähriger völlig fasziniert am Schwarz-Weiß-Fernseher meiner Großmutter verfolgen durfte und die mir tatsächlich noch sehr präsent ist, habe ich allen folgenden Weltturnieren – für mich alle vier Jahre ein absolutes fußballerisches Highlight – erwartungsfroh entgegengeblickt und mich darauf gefreut.

Doch bedingt durch die Entwicklung im Profifußball, hin zu immer umfassender und alles bestimmender Kommerzialisierung, mache ich eine Art Seelenlosigkeit aus, die den eigentlichen Charme dieses faszinierenden Spiels mehr und mehr in den Hintergrund drängt. Die Vergabe an und die nicht verhinderte Durchführung der anstehenden WM in Katar setzt dieser leidigen Entwicklung nun die Krone auf.

Ich war bei den vergangenen Turnieren immer ganz nah dabei, habe alles rund um die Spiele und Land und Leute interessiert verfolgt, bei den Spielen mitgefiebert, mich über Erfolge gefreut und Niederlagen bedauert. Das bekomme ich unter den derzeit gegebenen Umständen nicht hin. Weil es mir einfach nicht gelingen will, das rein Sportliche vom gesamten Drumherum zu trennen. Schade. Detlef Stentenbach Leverkusen

WM-TV-Boykott

Früher habe ich mir als Schichtdienstler Urlaub genommen, um WM-Spiele im TV ansehen zu können. Die kommende WM werde ich mir auf keinen Fall ansehen. Theo Marx Hürth

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