Kommentar zur KoalitionEin Ruck muss durch Regierung und das ganze Land gehen

Ein Kommentar von
Lesezeit 2 Minuten
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Rande einer Sitzung des Haushaltsausschusses.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Rande einer Sitzung des Haushaltsausschusses.

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Bundeshaushalt steht die Ampel-Koalition unter Druck. Doch nicht nur sie muss anpacken – jeder ist gefragt.

Was haben Bäckereien, Hausarztpraxen, unterschiedliche Geschäfte und Gewerke sowie partiell der öffentliche Nahverkehr gemeinsam? Sie verkürzen ihre Öffnungszeiten oder reduzieren ihr Angebot, weil sie nicht genügend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden. Es mangelt an Pflegekräften. Schulklassen sind viel zu groß, weil es nicht genügend Lehrkräfte gibt. Dazu kommen marode Bahnstrecken, fehlende Wohnungen, eine lückenhafte Digitalisierung, erdrückende Bürokratie.

Ein düsteres Gefühl macht sich breit: Deutschland ist nicht mehr auf Zack. Und anstatt, dass die Bundesregierung kraftvoll gegensteuert in dieser Zeit der massiven Verunsicherung durch die Krisen und Kriege in der Welt, muss sie sich schon wieder mit sich selbst beschäftigen. Denn sie hat großen Mist gebaut. Mit einiger Wahrscheinlichkeit, ist nicht nur ihre Finanzpolitik beim Klima- und Transformationsfonds verfassungswidrig, sondern auch beim Wirtschaftsstabilisierungsfonds.

Ein Umdenken in der Koalition ist notwendig

Und nun macht die Ampel das, was sie leider am besten kann: um Pfründe für die eigene Partei kämpfen, rote Linien ziehen, streiten. Es wird sich bitter rächen, wenn jetzt kein Umdenken einsetzt. Es muss ein Ruck durch diese Koalition gehen – aber auch durch das ganze Land.

Jede Ampel-Partei muss Federn lassen. Bei Rekordsteuereinnahmen von einer Billion Euro in diesem Jahr ist auch Spielraum da. Fragwürdige Förderprogramme für Erneuerbare Energien, von denen oft nur besser Verdienende profitieren, müssen gestrichen werden, Abgaben für Reiche erhöht und Sozialleistungen reduziert werden. Und dann ist da noch die Schuldenbremse.

Das Bundesverfassungsgericht hat nicht geurteilt, dass die Regierung keine Schulden für den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft machen darf. Es besteht nur auf einer professionellen Erklärung. Es ist also möglich, die Schuldenbremse für die geplanten Investitionen auszusetzen und diese mit einer Notlage zu begründen. Was, wenn nicht Russlands Krieg gegen die Ukraine mit seinen dramatischen energiepolitischen und wirtschaftlichen Folgen für Deutschland, begründet eine Notlage. Noch mehr der Klimawandel, dessen Effekte wir in unseren Wäldern und Gärten beobachten können.

Den Staat nicht für den eigenen Vorteil abschöpfen

Aber auch die Bürgerinnen und Bürger tragen Verantwortung. Der Staat verliert schätzungsweise 100 Milliarden Euro durch Steuerhinterziehung. Pro Jahr. Und knapp vier Millionen Bürgergeld-Empfängerinnnen und -empfänger gelten als erwerbsfähig, aber es gelingt nicht, sie in Arbeit zu bringen. In allen Gesellschaftsschichten ist mitunter eine Haltung anzutreffen, den Staat für den eigenen Vorteil bestmöglich abzuschöpfen.

Es braucht eine neue Aufbruchstimmung. Besser anpacken als Hand aufhalten. Denn was uns gerade verloren geht, ist die Wertschätzung der Demokratie. Landauf, landab bröckelt das Vertrauen in die Stärke dieses Staates. Wird das nicht gestoppt, ist der Schaden mit keinem Geld der Welt zu beheben.

KStA abonnieren