In den skandinavischen Ländern rudern sie schon zurück. Ein Experte kritisiert nun den übermäßigen Einsatz von digitalen Technologien in Schulen.
Kritik an der BildungspolitikBildungsforscher fordert Ende des „Digitalisierungswahns“ in Schulen

Bildungsforscher kritisiert Digitalisierungswahn in Schulen und plädiert für mehr Fokus auf traditionelle Lernmethoden. (Symbolbild)
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Der Augsburger Bildungsforscher Klaus Zierer plädiert dafür, den „Digitalisierungswahn“ in Schulen aufzuhalten. Nachdem Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) jüngst angekündigt hatte, die 1-zu-1-Ausstattung mit Tablets von der fünften auf die achte Klasse zu verschieben, forderte Zierer am Dienstag, die Einführung von digitalen Endgeräten für die Schule vorerst komplett zu stoppen. Erst sollten die bisherigen Erfahrungen ausgewertet werden, um dann eine vernünftige pädagogische Entscheidung zu treffen, die langfristig dem Wohl der Kinder diene.
Zierer verwies auf die Erfahrungen aus den skandinavischen Ländern. Sie galten als Vorreiter in Sachen digitale Bildungsmedien, kehrten davon aber wieder ab. Eine Vielzahl an Studien belege, dass eine frühe unreflektierte Digitalisierung der Schulen den Kindern mehr schade als nütze, heißt es. Weiter führte der Experte die Hattie-Studie an. Diese habe gezeigt, dass Tablets in den Klassen kurzfristig die Motivation der Schüler gesteigert habe, allerdings nur für zwei bis drei Wochen. Wenn die Kinder gemerkt hätten, dass es doch bloß ums anstrengende Lernen gehe, dann sei die Motivation wieder gesunken.
Sinnloses Umherwischen
Beim Lesen und Schreiben sei zudem zu beobachten gewesen, dass es eine Reihe von Fallstricken gebe, so der Schulpädagoge. Dazu gehöre das schnelle Wegwischen beim Lesen und das unkontrollierte Vergrößern beim Schreiben, das vor allem bei Schülern auftrete, deren Lese- und Schreibprozesse noch nicht abgeschlossen seien. Auch die Rückmeldungen von den ersten Versuche in Bayern seien nicht positiv, sagte Zierer. Viele Schüler hätten von einer Situation in den Klassenzimmern berichtet, in denen Schüler während des Unterrichts Spiele spielten, sinnlos umherwischten und keine Kontrolle mehr über das Lernen gehabt hätten.
Lehrer sähen sich nicht in der Lage, das damit verbundene Ablenkungspotenzial einzufangen, führte der Hochschullehrer weiter aus. Die Eltern wiederum hätten zuhause das Problem, den Umgang mit einem weiteren digitalen Endgerät zu begleiten. An allen Ecken und Enden ist seiner Auffassung nach Unzufriedenheit zu spüren. Dazu komme, dass das aktuelle Konzept den Mangel aufweise, dass die Tablets als private Geräte angeschafft werden müssten und nicht als Schul-Tablets zur Verfügung stünden. Dies führe nicht, wie das Kultusministerium gerne behaupte, zu mehr Bildungsgerechtigkeit. (kna)