„Keenan wurde zu Tode getasert“Cousin einer „Black Lives Matter“-Gründerin stirbt nach Polizeieinsatz

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Demonstranten halten eine Fahne mit den Worten „Black Lives Matter“ bei einem Protest vor der South Los Angeles Sheriffs Station. (Archivbild)

Demonstranten halten eine Fahne mit den Worten „Black Lives Matter“ bei einem Protest vor der South Los Angeles Sheriffs Station. (Archivbild)

„Er brauchte Hilfe und wurde getötet“, sagt Black-Lives-Matter-Gründerin Patrisse Cullors zum Tod ihres Cousins nach einem Polizeieinsatz. 

Ein Cousin der Mitbegründerin von Black Lives Matter, Patrisse Cullors, wurde von der Polizei in Los Angeles getötet. Der 31-jährige High-School-Lehrer Keenan Anderson wurde nach einem Verkehrsunfall von Beamten fixiert, die Polizisten setzten zudem mehrfach Taser gegen den Mann ein, das zeigen Videoaufnahmen, die die Polizei in Los Angeles am Mittwoch veröffentlicht hat. Der „Guardian“ hatte zunächst über den Fall berichtet. Anderson starb wenig später an einem Herzstillstand. 

Die am Mittwoch veröffentlichten Aufnahmen vom 3. Januar zeigen, dass Anderson um Hilfe bettelte, während mehrere Beamte ihn festhielten. An einer Stelle hört man den 31-Jährigen, der über das ganze Video hinweg verängstigt und nervös wirkt, den Satz „Sie versuchen, mich zu George Floyd zu machen“, sagen. Zudem bittet Anderson immer wieder um Hilfe und äußerte seine Sorge, getötet zu werden.

Tödlicher Polizeieinsatz in Los Angeles: „Ich möchte, dass die Leute mich sehen können“

Im drastischen Video ist zu erkennen, dass ein Beamter seinen Ellbogen auf Andersons Nacken drückt, bevor ein anderer den am Boden liegenden Mann mehrfach mit einem Taser attackiert. Kurz darauf wird Anderson von Sanitätern in ein Krankenhaus gefahren. Nach Angaben der Polizei in Los Angeles starb der 31-Jährige schließlich rund viereinhalb Stunden später im Krankenhaus an einem Herzstillstand.

Zu Beginn des Videos ist zu erkennen, wie ein Polizeibeamter an einer Kreuzung in Los Angeles eintrifft und Anderson dort mitten auf der Straße vorfindet. „Bitte helfen Sie mir“, sagt der 31-Jährige dann zu dem Beamten. Der Polizist reagiert darauf mit der Aufforderung, die Straße zu verlassen und dem Befehl „Stellen Sie sich an die Wand.“

31-Jähriger stirbt nach Taser-Einsatz: „Drehen Sie sich um, oder ich werde sie tasern“

Anderson reckt die Hände in die Höhe, erklärt, dass es ihm leidtue und befolgt die Anweisung zunächst. Nach kurzer Zeit wirkt der 31-Jährige dann jedoch besorgt ob des Verhaltens des Beamten und verlässt seine bisherige Position. „Ich möchte, dass die Leute mich sehen können“, erklärt er gegenüber dem Polizisten, der ihn auffordert, sich dann eben auf den Bürgersteig zu setzen.

Der 31-Jährige leistet der Anweisung jedoch nicht Folge, sondern beginnt zu fliehen – woraufhin der Polizist mit seinem Motorrad die Verfolgung aufnimmt. „Runter auf den Boden, sofort“, weist der Beamte Anderson schließlich mitten auf der Straße an. Der wiederum entgegnet: „Bitte helfen Sie mir“ und „Sie versuchen, mich zu töten“.

Black-Lives-Matter-Gründerin: „Mein Cousin hat um Hilfe gebeten, und er hat sie nicht bekommen“

Schließlich kommen weitere Beamte hinzu und fixieren Anderson am Boden – dann kommt es zum Taser-Einsatz. „Drehen Sie sich um, oder ich werde sie tasern“, warnt ein Polizist Anderson noch vor dem Einsatz des Elektroschockers. Eine erkennbare Gefahr geht vom unbewaffneten Anderson, der bereits am Boden fixiert ist, in diesem Moment offenkundig nicht aus.

„Mein Cousin hat um Hilfe gebeten, und er hat sie nicht bekommen. Er wurde getötet“, kommentierte Black-Lives-Matter-Gründerin Cullors gegenüber dem „Guardian“ die Videoaufnahmen. „Es war ein Verkehrsunfall – anstatt ihn wie einen potenziellen Kriminellen zu behandeln, hätte die Polizei den Krankenwagen rufen sollen“, führte sie aus.

Empörung über Polizeieinsatz in Los Angeles: „Keenan wurde zu Tode getasert“

„Niemand verdient es, in Angst zu sterben, in Panik zu geraten und um sein Leben zu fürchten. Mein Cousin hatte Angst um sein Leben. Er hat die letzten zehn Jahre damit verbracht, Zeuge einer Bewegung zu werden, die sich gegen die Tötung von Schwarzen wendet“, sagte Cullors. „Er wusste, was auf dem Spiel stand und er wollte sich schützen. Niemand war bereit, ihn zu schützen.“

Black-Lives-Matter-Mitgründerin Patrisse Cullors bei einem Wahlkampfauftritt für den Demokraten Bernie Sanders im Jahr 2019.

Black-Lives-Matter-Mitgründerin Patrisse Cullors bei einem Wahlkampfauftritt für den Demokraten Bernie Sanders im Jahr 2019.

Auch die Mitgründerin des Black-Lives-Matter-Ablegers in Los Angeles, Melina Abdullah, äußerte sich gegenüber dem „Guardian“ zu den Videoaufnahmen. Der Fall unterstreiche, dass die Bewegung sich nicht bloß „für irgendeine Sache“ einsetze. „Wir kämpfen für unser eigenes Leben und für unser Volk.“

Bürgermeisterin von Los Angeles „zutiefst beunruhigt“

„Der Mord an Keenan ist absolut entsetzlich. Das LAPD spricht nicht von einem ‚Mord‘, sondern von einem ‚Tod in Haft‘. Aber Keenan wurde zu Tode getasert. Wir wissen, dass die LAPD den Tod von Keenan verursacht hat“, führte Abdullah aus.

Der Polizeichef von Los Angeles, Michel Moore, erklärte unterdessen in einer Pressekonferenz, Anderson habe sich „unberechenbar“ verhalten und einen „medizinischen Notfall erlitten“. Außerdem verwies Moore darauf, dass ein Bluttest Cannabis und Kokain bei Anderson nachgewiesen habe.

Polizei setzt Taser zehnmal gegen unbewaffneten 31-Jährigen ein

Insgesamt hätten die Beamten den Taser zehnmal gegen Anderson eingesetzt, räumte der Polizeichef ein, erklärte jedoch, es sei „unklar“, welche Rolle der Einsatz des Tasers und die Gewaltanwendung der Beamten beim „unglücklichen Tod“ Andersons gespielt hätten. Laut den Richtlinien der Polizei in Los Angeles gebe es keine Grenze für den Einsatz von Tasern. Grundsätzlich sollten Beamte den wiederholten Einsatz jedoch vermeiden.

Die Bürgermeisterin von Los Angeles, Karen Bass, bezeichnete die Aufnahmen des Einsatzes in einer Erklärung unterdessen als „zutiefst beunruhigend“ und fügte hinzu: „Wir müssen die Anwendung von Gewalt insgesamt reduzieren. Wenn keine unmittelbare Gefahr für andere besteht, dürfen die Strafverfolgungsbehörden nicht der erste Ansprechpartner sein, wenn jemand eine psychische Krise erlebt.“

Anderson, der als Englischlehrer an einer Schule in Washington D.C. arbeitet und lediglich zu Besuch in Los Angeles war, hinterlässt ein junges Kind, berichtet der „Guardian“. Seine Cousine Cullors ist eine der drei Frauen, denen die Gründung der Black-Lives-Matter-Bewegung im Jahr 2013 zugeschrieben wird, nachdem George Zimmerman vom Mord an Trayvon Martin in Florida freigesprochen worden war.

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