Hochstapler beriet LandesregierungFalscher Doktor soll 985.000 Euro zurückzahlen

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Ein Gebäude der Universität Duisburg-Essen auf dem Campus Essen ist zu sehen. Ein funktioneller Hochhausbau mit rotem Treppenturm.

Der Angeklagte Ahmet Ü. wechselte 2017 mit gefälschter Zweiter Staatsprüfung und fingierter Dissertation an die Universität Essen-Duisburg, um zu habilitieren.

Er hat schon den Beamtenstatus verloren und soll Gehalt zurückzahlen: Neue Details im Fall eines Ex-Beraters der Landesregierung in Islamfragen, gegen den die Staatsanwaltschaft Duisburg Anklage erhoben hat.

Der Fall bringt die nordrhein-westfälische Landesregierung in Bedrängnis: Gut zwei Jahrzehnte soll sich ein Deutsch-Türke mit falschen Hochschulabschlüssen zunächst einen Lehrerposten erschlichen haben. 2009 avancierte Ahmet Ü., 46, sogar zum Beamten auf Lebenszeit, stieg bald auf zum Berater des Schulministeriums in Islamfragen und türkischem Sprachunterricht, war ein gern gesehener Gast auf interkulturellen Konferenzen. 2017 wechselte er mit gefälschter Zweiter Staatsprüfung und fingierter Dissertation an die Universität Essen-Duisburg, um zu habilitieren.

Auch nahm der Islamexperte an den Diskussionen der Landesregierung mit dem umstrittenen türkischen Moscheeverband DITIB teil, die Erdogan-nahe Gemeinschaft durfte neben fünf weiteren Organisationen im Mai 2021 in die Kommission für den islamischen Religionsunterricht eintreten. Nebenbei bewarb sich Ahmet Ü. als Dozent bei der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung.

Zu Unrecht bezogene Lehramtsbezüge sollen zurückgezahlt werden

Inzwischen aber deutet alles darauf hin, dass die Landesregierung wie auch nachgeordnete Schulbehörden auf einen Hochstapler hereingefallen sein könnten. Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft Duisburg Ahmet Ü. wegen gewerbsmäßigen Betruges in 29 Fällen, Urkundenfälschung und Titelmissbrauchs beim Amtsgericht angeklagt.

Wie eine Gerichtssprecherin dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ auf Anfrage mitteilte, soll der Angeschuldigte knapp 985.000 Euro „Wertersatz“ für die jahrelang zu Unrecht bezogenen Lehramtsbezüge an die Staatskasse leisten. Weitere Recherchen ergaben, dass Ahmet Ü. bereits im Vorfeld im Zuge eines Dienstenthebungsverfahrens seinen Beamtenstatus verloren hatte. Für den Angeschuldigten gelte bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens die Unschuldsvermutung, betonte die Behördensprecherin.

Der Kölner Strafverteidiger Andreas Kerkhof, der den mutmaßlichen Betrüger vertritt, wollte sich im Gespräch mit dieser Zeitung am Dienstag nicht zu den Strafvorwürfen äußern: Bisher habe sein Mandant keine Aussage in der Angelegenheit gemacht. Das werde sich erst einmal auch nicht ändern. „Momentan wird komplett geschwiegen, wir wollen zunächst einmal den Verlauf der Hauptverhandlung abwarten“, erklärte Kerkhof.

Keine Zweifel an akademischem Titel gehegt

Ausgelöst wurden die Ermittlungen durch Recherchen der „Welt“. Im Sommer 2021 hatte ein Reporter herausgefunden, dass der Angeklagte unter falschem Doktortitel seit Jahren das Schulministerium in NRW beriet. Angeblich will Ahmet Ü. an der Goethe-Universität in Frankfurt/Main promoviert haben. Niemand überprüfte, ob seine Angaben den Tatsachen entsprachen. Anlass dazu gab es keinen, galt der zweifache Familienvater intern doch als gescheit, beredt und äußerst patent in islamischen Religionsfragen.

Dass türkische Medienberichte und Videos eine besondere Nähe zur DITIB nahelegten, nahm im politischen Düsseldorf offenbar keiner wahr. Weder in der rot-grünen Ära unter Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), noch unter ihrem Nachfolger Armin Laschet (CDU) in der schwarz-gelben Koalition.

Ahmet Ü. selbst hat ein enges Verhältnis zur DITIB zurückgewiesen. Zweifel bleiben. So werden dem Angeklagten auch rege Kontakte zum türkischen Generalkonsulat nachgesagt. Zudem war er auf einer Werbeveranstaltung der Erdogan-Partei AKP in Berlin zu sehen. Auch tauchte der ministerielle Islamberater im Jahr 2013 auf der Homepage des Amts für Auslandstürken als Beiratsmitglied auf. Eine Art Lobby-Organisation, die der türkische Autokrat Recep Tayyip Erdogan geschaffen hatte, um Landsleute in Deutschland und anderswo für sich einzunehmen.

Nach ersten kritischen Medienberichten zog die damalige FDP-Schulministerin Yvonne Gebauer 2021 die Reißleine. Der Werkvertrag der NRW-Landesregierung mit dem Islamexperten Ahmet Ü. wurde nach zehn Jahren aufgrund vehementer Zweifel an seiner akademischen Laufbahn aufgelöst. Zugleich flog der angehende „Professor“ von der Uni Duisburg-Essen. Inzwischen hat sich der einstige Religionsexperte der Landesregierung als Berater selbstständig gemacht.

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