Ist Skifahren noch zeitgemäß?„Brauner Matsch neben schmalen Schneepisten – Das vermisse ich nicht“

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Ein Skifahrer braust einen Abfahrtshang hinunter. Oben ist Schnee, unten gerät er auf die Wiese.

Gesunder Spaß im Schnee oder eine Qual für die Natur? Skifahren ist umstritten.

Vom Berg hinab ins Tal wedeln, dass der Pulverschnee nur so spritzt. Skifahren ist ein Traum. Aber im Massentourismus eben auch eine ökologische Sauerei. Oder? Zwei Autoren, zwei Meinungen.

Ich habe tolle Kindheits-Erinnerungen ans Skifahren: märchenhafte Winter-Berge, lange Tage im Schnee, rasante Abfahrten, brennende Oberschenkel, kalte Nasen, Germknödel und diese ganz besonderen, riesengroßen Eisbecher in der „Übergossenen Alm“ in Dienten am Hochkönig.

Die immergleiche Ferienwohnung in Österreich, die Freundschaft zu den Kindern der Vermieter, die so bewundernswert viel schneller und eleganter die Berge hinunter schlängelten als wir. Weihnachtsferien waren gleichbedeutend mit Skiurlaub. Und Skiurlaub bedeutete Abenteuer, Natur, Freiheit, sportliche Herausforderung, Nervenkitzel.

Heute, 40 Jahre später, bringe ich meinen Kindern das Skifahren bei wie einst meine Eltern mir und deren Eltern ihnen. Der Eisbecher ist auf eine weniger imposante Normalgröße geschrumpft und Winter-Berge sind nur noch manchmal zu bewundern. In diesen Weihnachtsferien war in den Wiener Voralpen bestes Wander- und weniger Skifahr-Wetter.

Susanne Rohlfing

Susanne Rohlfing

Freie Journalistin mit breitem Themenspektrum: Sport, Familie, Bildung, Gesundheit, Fitness, Nachhaltigkeit. Hat in Köln Sport mit dem Schwerpunkt Publizistik studiert, schreibt seit 2002 auch für den...

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Natürlich fragen wir uns da, ob dieses Hobby noch zeitgemäß ist. Ich finde: Ja, ist es. Solange es noch geht, werde ich Skifahren. Alpin, Langlauf, Tourenski – was immer die Schneebedingungen hergeben. Und wenn es wie in diesem Winter nur Kunstschneepisten gibt, werde ich meinen Kindern auf diesen das Skifahren beibringen.

Weil es uns Spaß macht. Weil Skifahren immer noch die beste Möglichkeit ist, um im Winter an der frischen Luft sportlich aktiv zu sein. Und weil das Skifahren in unseren leider immer wärmer werdenden Breitengraden eben nicht nur Sport, sondern auch bewahrenswertes Kulturgut ist. Irgendwann wird das nicht mehr so sein.

Die Existenz vieler Menschen beruht auf dem Wintertourismus

Natürlich sind diese weißen Pistenbänder in braun-grüner Landschaft nicht vergleichbar mit den Winter-Bergen meiner Kindheit. Natürlich ist der Spaß gedrosselt, wenn nur in bestimmten Bereichen für viel Geld Zugang zu Schnee besteht und die wilde Schlittenfahrt über die Wiese neben der Unterkunft ausfällt.

Vielleicht ist es sentimentaler Unsinn, am Skifahren festzuhalten. Aber es gibt sie ja noch, diese Tage in den Bergen, an denen ununterbrochen dicke Schneeflocken vom Himmel fallen. An denen auf den Pisten die allerbesten Bedingungen herrschen und das Herz vor Freude hüpft. Würden wir an allen anderen Tagen aufs Skifahren verzichten, gäbe es die nötige Infrastruktur sehr schnell nicht mehr. Gut für die Berge, könnte man sagen. Aber weniger gut für all die Menschen, deren Existenz auf dem Wintertourismus beruht.

In den Süden fliegen, ist nicht die bessere Alternative

Zudem: Was tun wir Skitouristen, wenn wir nicht Skifahren? In den Süden fliegen vielleicht. Wenn schon kein Schnee, dann wenigstens richtig warm. Kleiner würde unser CO2-Fußabdruck dadurch nicht. Und dann noch dies: Das künstliche am Kunstschnee ist, dass er nicht auf natürliche Art vom Himmel fällt. Aber auch er besteht aus gefrorenem Wasser. Schnee wird daraus auch in der Schneekanone nur, wenn es kalt genug ist, deutlich unter null Grad. Mit fortschreitendem Klimawandel wird es also irgendwann auch keinen Kunstschnee mehr geben. Erst dann ist es an der Zeit, auch im Winter die Wanderschuhe zu schnüren.

Susanne Rohlfing, 48, liebt das Skifahren seit Kindheitstagen und bringt es nun mit viel Freude auch ihren drei Kindern bei. So lange es eben geht – und dann wird gewandert.


Skifahren ist der beliebteste Wintersport der Deutschen. Die Gründe sind nachvollziehbar. Als sportbegeisterter Mensch gab es für mich viele Jahre nichts Schöneres: Während der Liftfahrt das weiße Bergpanorama zu bestaunen, oben angekommen, den Schnee unter den Brettern knirschen zu hören und dann auf der ersten Abfahrt durch weißes Pulver zu gleiten – ein Gefühl der Freiheit.

Die Bilder allerdings, die wir diese Wintersaison vielerorts sehen, haben mit dieser weißen Bergidylle nichts mehr gemein. Maximal ein schmaler präparierter weißer Streifen war da zu sehen, es dominierten die Farben Braun und Grün. Die Folgen des Klimawandels sind diesen Winter spürbarer denn je. In den tieferen Lagen der Alpen und den deutschen Mittelgebirgen fällt im Durchschnitt immer weniger Schnee – ein Trend, der sich unweigerlich fortsetzen wird. Die Winter werden künftig im Schnitt noch kürzer und weniger frostig. Viele Gletscher werden verschwinden.

Was bedeutet das für den Skitourismus? In seiner derzeitigen Form gefährdet er das Ökosystem – und damit seine eigene Grundlage. Denn es ist die einzigartige Natur, die Skiregionen für Tourismus und Erholung attraktiv macht. Um den Betrieb zu gewährleisten, werden bereits seit Jahren in fast allen Skigebieten sogenannte Schneekanonen eingesetzt. Doch Kunstschnee hat mehrere problematische Aspekte. Energie- und Wasserverbrauch sind enorm, auch der Boden leidet.

Peter Stroß

Peter Stroß

Redakteur im Newsteam des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Jahrgang 1986. Nach dem Studium (Musikwissenschaft und Deutsche Sprache und Literatur an der Uni Köln) zunächst für den WDR im Einsatz, dann für vers...

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In diesem Jahr setzten Betreiber im Schweizer Skigebiet Gstaad sogar Helikopter ein, um Schnee „einzufliegen“, weil sie „ihre Pisten mit allen Mitteln offen halten“ wollten. Ist das noch legitimierbar? Werden Skigebiete neu angelegt oder umgebaut, sind die Klimafolgen noch eklatanter. Dann werden teilweise ganze Ökosysteme umgebaut, Wälder gerodet, Böden planiert und Flüsse umgeleitet.

Ein weiteres zentrales Umweltproblem ergibt sich aus der An- und Abreise der vielen Urlaubsgäste. 84 Prozent fahren laut dem Bundesumweltministerium mit dem eigenen Auto in die Alpen. Ist Skifahren also wirklich noch vertretbar? Angesichts des Klimawandels und anderer anhaltender Öko-Krisen lautet meine Antwort „Nein“.

Skitourismus ist Massentourismus. Wintersportler sind nicht nur Leidtragende, sondern auch Mitverursacher. Denn ihr Sport hinterlässt einen nicht unerheblichen ökologischen Fußabdruck in den Bergen. Während Skifahrerinnen und Skifahrer noch die Wahl haben, ob sie an ihrem Skiurlaub festhalten wollen oder nicht, bleibt vielen Skigebieten längst keine Abwägung mehr. Wenn Betreiber Anfang Januar auf Sommerbetrieb umstellen und ihre Sommerrodelbahnen öffnen, muss klar sein, dass ein Umdenken stattfinden muss.

Vor allem die Skigebiete in tieferen Lagen werden schon mittelfristig dazu gezwungen sein, mit anderen sportlichen Aktivitäten wie Wandern oder Winterbergsteigen um Gäste zu werben. Mein letzter Skiurlaub liegt übrigens inzwischen schon viele Jahre zurück. Und wenn ich dieser Tage die Bilder von braunem Matsch und trostlos schmaler, angelegter „Schneepisten“ sehe, kann ich guten Gewissens sagen: Das vermisse ich nicht.

Peter Stroß, 36 Jahre alt, ist Redakteur im Newsteam. Einst begeisterter Ski- und Snowboardfahrer (außerdem Apfelstrudel-auf-der-Hütte-Fan), hat er dem Wintersport inzwischen abgeschworen.

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