Abo

Keine Hygiene, kaum BildungKinder der „Waldfamilie“ dürfen auch Weihnachten nicht nach Hause

3 min
Das abgelegene Haus von Nathan Trevallion und Catherine Birmingham in Palmoli in den italienischen Abruzzen

Das abgelegene Haus von Nathan Trevallion und Catherine Birmingham in Palmoli in den italienischen Abruzzen

Ein Aussteiger-Ehepaar hat erneut vor Gericht verloren, die drei Kinder müssen vorerst im Heim bleiben.

Der Fall einer britisch-australischen Familie bewegt seit Monaten die italienische Öffentlichkeit und mittlerweile auch die Politik. Catherine Birmingham und Nathan Trevallion lebten mit ihren drei Kindern als Aussteiger in den Abruzzen, einem rauen Gebirgszug östlich von Rom, der an die Adriaküste grenzt. In ihrem steinernen Häuschen gibt es weder fließend Wasser noch Strom oder eine Toilette. Was die Behörden alarmierte, ist die Lebenssituation und der Gesundheitszustand der Kinder der „Waldfamilie“, wie sie in Italien genannt wird. 

Ein Jugendgericht in L’Aquila entzog den beiden Eltern im November das Sorgerecht für das achtjährige Mädchen und die beiden sechsjährigen Zwillingsgeschwister. Ihre Unterbringung in einem Heim wurde angeordnet. In dem einige Kilometer entfernen Ort werden die Kinder derzeit von ihren Eltern besucht – Medienberichten zufolge kommt die Mutter täglich vorbei, der Vater darf die drei regelmäßig besuchen.

Das Grundstück, auf dem Nathan Trevallion und Catherine Birmingham mit ihren Kindern in Palmoli leben.

Das Grundstück, auf dem Nathan Trevallion und Catherine Birmingham mit ihren Kindern in Palmoli leben.

Hintergrund der Entscheidung war ein schlechter Gesundheitszustand der Kinder sowie mangelnde schulische Bildung der Achtjährigen. Das ältere Mädchen namens Utopia Rose kann weder Englisch noch Italienisch lesen und lediglich seinen Namen schreiben. Die jüngeren Brüder Galoran und Blubell haben bislang offenbar ebenfalls keine Form der vorschulischen Bildung erhalten. In Italien ist zwar Heimunterricht grundsätzlich erlaubt, es muss aber eine Anbindung an eine Schule geben.   

„Waldfamilie“: Kinder erhielten keine Impfungen und waren nie beim Kinderarzt

Besorgniserregend war aber auch, dass es offenbar lange keinerlei medizinische Betreuung für die Kinder gab. Aus Gerichtsdokumenten, die der „Corriere della Sera“ zitiert, geht hervor, dass sie erst im Sommer 2025 erstmals bei einem Kinderarzt waren. Sie wurden also auch nicht geimpft. Die Tochter soll zudem zeitweise an einer akuten spastischen Bronchitis gelitten haben, die von ihren Eltern weder gemeldet noch behandelt wurde.

Die Erkrankung des Kindes war vermutlich auf unzureichende Wohnverhältnisse zurückzuführen. Catherine Birmingham und Nathan Trevallion lebten mit ihren Kindern in selbstgewählter Isolation in dem Häuschen unter prekären Bedingungen. Sie sollten offenbar von „schädlichen“ Einflüssen der Zivilisation, auch Medien, ferngehalten werden. Als sie ihre Eltern verließen, lernten sie zum ersten Mal Duschen und Lichtschalter kennen und hatten wohl auch erstmals Kontakt zu Gleichaltrigen.

Kinder der „Waldfamilie“ hatten Pilzvergiftung

Der Fall war ins Rollen gekommen, als die Kinder vor etwa einem Jahr mit einer Pilzvergiftung ins Krankenhaus kamen. Damals nahm das Jugendamt die Familie ins Visier. Nach der Behandlung in einem Krankenhaus hatten die Ärzte die Polizei eingeschaltet. Die hygienischen Zustände im Wald wurden als für Kinder unzumutbar gewertet.

Jetzt scheiterte eine Berufung der Eltern gegen das Urteil des Jugendgerichts vor der nächsthöheren Instanz – dabei hatten die Eltern sich offenbar kooperationsbereit gezeigt, das Haus wird vom Vater renoviert. Dennoch kann die Familie nun wohl nicht gemeinsam Weihnachten im eigenen Haus verbringen. Das wiederum ruft rechtskonservative Politiker auf den Plan. 

„Für diese Richter gibt es nur ein Wort: Schande“, kommentierte der Vize-Ministerpräsident und Chef der rechten Regierungspartei Lega, Matteo Salvini, bei X. „Kinder sind kein Eigentum des Staates, sie müssen mit der Liebe ihrer Mutter und ihres Vaters leben und aufwachsen können.“ Ähnlich äußerte sich die Forza-Italia-Politikerin Michela Vittoria Brambilla.

Die örtliche Sektion der Nationalen Richtervereinigung schoss allerdings zurück und wehrte sich gegen die Diskreditierung ihrer unabhängigen Arbeit. Weihnachten ändere nichts an den notwendigen Überprüfungen, die vor einer Rückkehr der Kinder durchgeführt werden müssten.