„Es ist ein Armutszeugnis“Großer Mangel an Fiebersaft – so sollen Apotheken reagieren

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Ein Kind bekommt ein Medikament mit einem Löffel verabreicht. Wenn das Kind Fieber hat, sind in vielen Familien Fiebersäfte erste Wahl. Aber die sind derzeit schwer zu bekommen.

Wenn das Kind Fieber hat, sind in vielen Familien Fiebersäfte erste Wahl. Aber die sind derzeit schwer zu bekommen.

Viele Kinder sind derzeit krank und leiden an Fieber, doch die Medikamente sind knapp. Ärzte und Apotheker sorgen sich um die Arzneiversorgung in Deutschland.

Mit Sorge blicken Ärzte und Apotheker auf Engpässe der Arzneimittelversorgung, die insbesondere Medikamente für Kinder und hier wiederum fiebersenkende Mittel wie Ibuprofen oder entsprechende Stoffe betreffen. „Wir erleben eine sehr hohe Nachfrage nach fiebersenkenden Medikamenten wie Ibuprofen oder Paracetamol, weil derzeit extrem viele Kinder erkrankt sind“, sagt Thomas Fischbach, Präsident des Bundesverbands der Kinder- und Jugendärzte. „Es ist ein Armutszeugnis, dass so simple Medikamente wie ein Fiebersaft häufig nicht mehr verfügbar sind.“ Die Bundesregierung müsse tätig werden.

Apotheker beobachten seit Monaten eine eingeschränkte Verfügbarkeit von Fiebersäften und -zäpfchen für Kinder mit den Wirkstoffen Paracetamol und Ibuprofen, so die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. Auch Hustenmittel, Blutdrucksenker, Brustkrebsmedikamente oder Magensäureblocker sind derzeit nicht ohne weiteres zu bekommen.

„Bei den Fiebersäften für Kinder gibt es aufgrund des hohen Kostendrucks nur noch ganz wenige Hersteller, die den deutschen Markt versorgen – und die Nachfrage ist wegen einer erhöhten Atemwegsinfektionsrate bei Kindern in diesem Jahr stark angestiegen“, so ein Sprecher der Apothekerverbände.

Kein Rückschluss auf einen Lieferabriss

Es handele sich um Liefer-, nicht um Versorgungsengpässe, sagt ein Sprecher des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte mit Sitz in Bonn und Köln auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Es sei erkennbar, dass aus den vorliegenden Daten kein Rückschluss auf einen Lieferabriss gezogen werden könne, es würden kontinuierlich Arzneimittel in den Markt gebracht, so der Beirat des Instituts.

„Dennoch ist deutlich ersichtlich, dass unter anderem die aktuell erhöhte Atemwegsinfektionsrate bei Kindern zu einem Mehrbedarf dieser Produkte führt. Dieser kann derzeit nicht im vollen Umfang kompensiert werden.“

Die Empfehlung des Beirats an die Apotheken lautet, auf übermäßige Bevorratung zu verzichten – im Beirat wirken auch Apothekerverbände selber mit. Die Wirkstoffe für die rar gewordenen Medikamente seien vorhanden, das größte Problem gerade im Blick auf die Behandlung von Kindern betreffe die Darreichungsform.

Kinder ungefähr bis zu einem Alter von zwölf Jahren bevorzugen Säfte. Diese können die Apotheken selbst anmischen. „Kein Kind muss unbehandelt bleiben“, so das Institut.

Produktionsorte in Asien

Rund 68 Prozent der Produktionsorte von Wirkstoffen, die nach Europa geliefert werden, liegen in Asien, heißt es in der Studie des Pharmaverbands Forschender Arzneimittelhersteller. Kommt es dort zu Lieferproblemen oder gar zum Produktionsstillstand, kann das auch Deutschland treffen.

Vor wenigen Jahrzehnten seien die aktuellen Lieferengpässe undenkbar gewesen, kritisiert der Vorsitzende des Apothekerverbandes Nordrhein, Thomas Preis: „Früher war Deutschland die Apotheke der Welt, heute sind China und Indien die Apotheke der Welt.“ Der Grund für die Verlagerung sind die kostengünstigeren Produktionsbedingungen in asiatischen Ländern.

Nach dieser Verlagerungsstrategie der vergangenen Jahrzehnte sei es Zeit für ein Umdenken, so Christian Karagiannidis, Mitglied der Regierungskommission für Krankenhausversorgung, im Morgenmagazin von ARD und ZDF. „Wir müssen jetzt schon den Weg gehen, dass wir das Ganze wieder zurückholen. Vielleicht muss man auch diskutieren, dass wir bundeseigene Produktionsstätten brauchen für lebenswichtige Medikamente", sagte der Intensivmediziner. Auch eine Vorratshaltung sei im Bereich des Vorstellbaren. Ein Problem sei dabei aber, dass viele Medikamente mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum versehen und damit nicht unbegrenzt gelagert werden könnten.

Ärzte raten unterdessen, andere Formen der Darreichung von Medikamenten zu wählen. Eine Alternative zu Fiebersäften seien bei kleinen Kindern Zäpfchen, aber auch diese seien mittlerweile knapp, so der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte. Manchen Kindern könne man Arznei für Erwachsene verschreiben und zum Beispiel bei Schmerztabletten die Dosierung reduzieren. Man könne die Tabletten auch in einem Mörser zerkleinern.

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