Eine schonungslose Dokumentation zeigt die Sucht- und Absturzgeschichte des Rappers mit kurdischen Wurzeln.
Schockierende Netflix-DokuDeformierte Nase von Haftbefehl sorgt für Aufsehen – das steckt dahinter

Bei der Premiere erschien Haftbefehl mit Sturmhaube, neben ihn steht Elyas M'Barek.
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Die Netflix-Dokumentation über den Deutsch-Rapper Haftbefehl „Babo - Die Haftbefehl-Story“ hat sich nach nur kurzer Zeit bei Netflix auf die Spitzenposition geschoben. Auch in den sozialen Medien wird die schonungslose Doku über Straßenkriminalität, Ruhm, Drogen und eine schwierige Familiengeschichte immer wieder thematisiert. Besonders die deformierte Nase des Musikers wirft viele Fragen auf.
Gleich die erste Einstellung sorgt für einen Schockmoment. In einen schlichten Sessel vor schwarzem Hintergrund lässt sich Haftbefehl, bürgerlich Aykut Anhan, sichtlich gezeichnet, fallen. Hastig macht er sich sofort eine Zigarette an. Auf die Frage, wie es ihm gehe, antwortet er: „Mir geht's gut, Brudi. Ich war in Therapie.“ Und ergänzt: „Ich war schon tot.“
„Babo - Die Haftbefehl-Story“: Zerstörte Nase von Rapper sorgt für Aufsehen
Der Drogenmissbrauch über Jahre hat Spuren hinterlassen. Besonders auffallend ist die stark zerstörte Nase. Sie ist merkwürdig deformiert, die Spitze ist eingefallen und verdeckt die Nasenlöcher. So sehen Menschen aus, deren Nasenscheidewand durch massiven Kokainkonsum perforiert ist.
Kein Wunder, denn Haftbefehl schnupfte seit seiner Jugend Kokain, was zu einer dauerhaften und gravierenden Schädigung seiner Nasenstruktur führte. Diese schreckliche Beobachtung wird in den sozialen Medien besonders häufig hervorgehoben. Nun ist auch klar, warum der Rapper bei der Premiere eine Sturmmaske trug. So konnte er seine Nase verstecken.
Haftbefehl-Doku auf Instagram: Deutsche Rap-Szene reagiert schockiert
Auch in der Musikbranche erregte die Doku große Aufmerksamkeit. Die deutsche Rap-Szene reagierte überwiegend geschockt über Haftbefehls Absturz. Der Rapper Capital Bra war so eingeschüchtert, dass er sich fürchtete, die Dokumentation überhaupt anzuschauen. In einer Instagram-Story klagte der 30-Jährige sein Leid.
Ausgangspunkt für das Netflix-Meisterwerk waren Drehbücher für eine Serie, die der Rapper vor rund vier Jahren an Elyas M'Barek schickte. „Er wollte sein Leben fiktional in einer Serie erzählen und ich sollte seinen Vater spielen“, erinnert sich M'Barek. „Weil ich seine sehr tragische Familiengeschichte kannte, war mir klar, dass ich diese Rolle nicht übernehmen kann.“ Man entschied sich stattdessen, eine Doku zu drehen.

So sah der Rapper Haftbefehl 2018 noch aus. (Archivfoto)
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Elyas M'Barek kam auf die Idee, eine Haftbefehl-Doku zu machen
Der Journalist Juan Moreno und der Werbefilmer Sinan Sevinç haben den Rapper mit kurdischen Wurzeln über zwei Jahre begleitet. In dieser Zeit schläft er sehr viel: im Backstage-Bereich, während der Autofahrten und sogar beim Friseur scheint er wegzunicken. Ein Körper, der alles gibt, um Erholung zu erzwingen.
Die Netflix-Doku nimmt das Publikum mit nach Frankfurt, Istanbul, zeigt ekstatische Massen auf dem Frauenfeld-Festival in der Schweiz und lässt andere Musik-Größen zu Wort kommen – den inzwischen gestorbenen Rapper Xatar, Moses Pelham, Jan Delay. Sie attestieren Haftbefehl „wahnsinnige Energie“, sprechen vom „König“, vom größten Künstler, den die Deutschrap-Szene hervorgebracht habe.
Haftbefehl mit Skandal-Auftritt in Mannheim – Netflix-Doku stand vor vor dem Aus
Die Bilder vom Skandal-Auftritt 2022 in Mannheim, als sich Aykut Anhan kaum auf den Beinen halten kann, vom Aufwachen auf einer Intensivstation nach einem Drogenexzess, auf den kein Umdenken folgt, sondern der Griff zu den nächsten zehn Gramm, sorgen für den nächsten Schock. Für die Macher des Films war nach Mannheim erstmal nicht klar, wie es weitergeht.
Dass das ganze Projekt auf wackligen Beinen stand, ist nur logisch. „Es ist kein Geheimnis, die Doku stand mehrere Male vor dem Abbruch“, erzählt Juan Moreno, der einst den Geschichten-Fälscher Claas Relotius beim Spiegel entlarvte. „Der Film nimmt einen mit, und er schockt“, sagt M'Barek rückblickens. „Es ist wahrscheinlich die schonungsloseste, direkteste Musiker-Doku, die ich kenne. Wir wollten ihm ein Denkmal setzen, unsere Liebe zu ihm als Künstler zum Ausdruck bringen, aber trotzdem das Publikum nicht belügen, wirklich alles auf den Tisch packen. Das war auch Aykuts Wunsch.“ (mbr)

