„Regelrechter Tsunami“Berlins Politik reagiert entsetzt auf geplatztes Riesenaquarium

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Berlins Bürgermeisterin Franziska Giffey und ein Feuerwehrmann gehen am Eingang des Radisson Blu Hotels vorbei.

Berlins Bürgermeisterin Franziska Giffey besuchte die Unfallstelle am Mittag.

Die Berliner Politik ist entsetzt: Das Großaquarium am Berliner Dom war eine bekannte Touristenattraktion in Berlin. Am frühen Freitag ist es zerborsten. Zur Unglücksursache gibt es nun erste Erkenntnisse.

Ein Knall mit verheerenden Folgen hat am Freitag die Hauptstadt erschüttert. Das riesige Aquarium Aquadom mit 1500 Fischen in einem Hotel nahe dem Berliner Alexanderplatz ist zerborsten. Eine Million Liter Wasser ergossen sich am sehr frühen Morgen aus dem zerstörten 16 Meter hohen Glaszylinder in das Hotel und auf die Straße. Doch weil so früh morgens zahlreiche Hotelgäste noch nicht im Erdgeschoss unterwegs waren, wurden nur zwei Menschen leicht verletzt. Hinweise auf einen gezielten, gewaltsamen Anschlag gab es laut Polizei zunächst nicht.

Rettungskräfte evakuieren lebende Fische in einem Eimer und gehen unter einer Absperrung her.

Rettungskräfte konnten noch lebende Fische evakuieren.

Stattdessen wird eine Materialermüdung bei dem 16 Meter hohen Aquadom vermutet. Die Polizei und viele Hotelgästen sprachen von einem sehr lauten Knall, der zu hören war. Bei der Feuerwehr ging um 5.43 Uhr der Alarm eines automatischen Feuermelders in dem Hotel ein. Teile der Fassade des Hotels flogen auf die Straße, große Mengen Wasser strömten aus dem Hotel. Polizei und Feuerwehr waren seit dem Morgen mit jeweils etwa 100 Personen im Einsatz.

Erdgeschoss des Hotels am Berliner Dom liegt „komplett in Trümmern“

Nach Angaben der Feuerwehr wurde der Riesenbehälter im Lichthof des Hotels, durch den ein Fahrstuhl führt, auf der Stelle zerstört. „Wenn das Aquarium defekt ist, dann platzt das schlagartig“, sagte ein Sprecher. „Das ist nicht ein kleiner Riss, aus dem das Wasser austritt, sondern das komplette Aquarium ist schlagartig geplatzt.“ Das Erdgeschoss liege „komplett in Trümmern“. Von den rund 1500 Fischen im Wasser überlebten nur wenige in Pfützen.

Ein toter Fisch liegt neben einem Gulli vor dem Hotel Radisson Blue.

Hotelgäste berichteten von toten Fischen in der Hotellobby. Von den rund 1500 Fischen im Wasser überlebten nur wenige.

Hotelgäste berichteten, dass im durchnässten Erdgeschoss zwischen den Resten des Beckens überall tote Fische lagen. Weitere Hunderte Fische in Becken im Keller, die der Nachzucht dienten, überlebten. Weil der Strom für die Sauerstoffversorgung und Heizung ausfiel, sollten sie in die benachbarte Unterwasserwelt Sealife gebracht werden. Das Sea Life mit vielen weiteren großen und kleinen Aquarien befindet sich etwas entfernt im selben Gebäudekomplex und blieb heil. Statiker müssen nun die Sicherheit der Gebäude überprüfen.

Aquadom war das „größte, zylindrische frei stehende Aquarium der Welt“

Viel Wasser sei in die Kanalisation gelaufen, viel aber auch in Keller und benachbarte Einrichtungen - etwa das DDR-Museum. Der Aquadom war nach Angaben der Betreiber das „größte, zylindrische frei stehende Aquarium der Welt“, eine bekannte Attraktion in Berlin. Es war ein Behälter aus Acrylglas, der einen Durchmesser von 11,5 Metern hatte. Die Scheiben sollen 20 Zentimeter dick gewesen sein. Fische aus über 100 verschiedenen Arten schwammen in den 1000 Kubikmetern Salzwasser. Das entsprach einem Gewicht von 1000 Tonnen.

Das Atrium eines Hotels ist verwüstet und liegt in Trümmern.

Das Atrium des Hotels liegt in Trümmern. Wasser strömte bis auf die Straße.

Das Aquarium wurde den Angaben zufolge bis Sommer 2020 umfassend modernisiert und öffnete dann wegen der Corona-Pandemie erst 2022 wieder. Der Bau soll vor knapp 20 Jahren nach damaligen Mitteilungen und Berichten knapp 13 Millionen Euro gekostet haben. Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) sprach an der Unglücksstelle von einer immensen Zerstörung. „Das ist ein regelrechter Tsunami, der sich hier ergossen hat über die Hotelräumlichkeiten, die anliegenden Restaurants“, sagte Giffey.

„Wenn das Ganze nur eine Stunde später passiert wäre, dann müssten wir über furchtbare menschliche Schäden berichten.“
Franziska Giffey (SPD), Berlins Regierende Bürgermeisterin

Berlin habe aber großes Glück gehabt. „Wenn das Ganze nur eine Stunde später passiert wäre, dann müssten wir über furchtbare menschliche Schäden berichten“, sagte sie und sprach von „Glück im Unglück“. Die Eigentümerfirma des Aquadoms zeigte sich „bestürzt über das Unglück“. Der Grund für das Zerbersten des riesigen Zylinders sei noch „völlig unklar“, sagte ein Sprecher der Firma Union Investment. „Wir versuchen uns derzeit in Abstimmung mit Polizei und Feuerwehr vor Ort ein genaueres Bild von der Lage und des entstandenen Schadens zu verschaffen“.

Das Unternehmen Sea Life zeigte sich ebenfalls „bestürzt“ und rief dazu auf, von Spekulationen abzusehen, „bis die Hintergründe des Unglücks geklärt sind“. Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) sagte: „Die Ermittlungen zur Ursache ist natürlich noch nicht abgeschlossen, erste Anzeichen deuten jedoch auf eine Materialermüdung.“

Materialversagen, laut Aquarien-Hersteller, als Ursache gut möglich

Auch der Aquarien-Hersteller Florian Schuran hält ein Materialversagen als Ursache für gut möglich. „Das Becken ist, glaube ich, jetzt 18 Jahre alt, besteht aus mehreren Klebenähten und das sind dann immer die Schwachstellen, die in dem Falle versagen können“, sagte der Geschäftsführer der Firma New Wave aus Wassenberg (Nordrhein-Westfalen). Nach Angaben der Feuerwehr lief ein großer Teil des Wassers durch die Türen im Erdgeschoss auf die Straße und dort in die Gullys.

In den Kellergeschossen habe man nicht viel Wasser gefunden. Das zerstörte Erdgeschoss wurde mit Rettungshunden nach Menschen abgesucht. Wegen der schweren Beschädigungen mussten die Gäste des Hotels das Gebäude verlassen. Knapp 300 Personen befanden sich noch in dem Hotel. Einige von ihnen berichteten übereinstimmend von einem explosionsähnlichen Knall.

„Es ist alles zerstört im Innenraum. Da liegen tote Fische. Die ganzen Möbel sind zerstört. Die Scheiben sind zerstört. Überall Scherben.“
Karin Wicki und Sandra Hoffmann, Hotelgäste aus der Schweiz

„Wir haben uns richtig erschrocken“, sagte eine junge Frau. Karin Wicki und Sandra Hoffmann aus der Schweiz schilderten: „Es ist alles zerstört im Innenraum. Da liegen tote Fische. Die ganzen Möbel sind zerstört. Die Scheiben sind zerstört. Überall Scherben.“ Sie seien erst kurz vor 9.00 Uhr informiert worden, dass sie das Hotel verlassen müssten.

Trümmer liegen auf der Straße.

Trümmer liegen auch vor dem Eingang eines Süßwarengeschäftes neben den Türen zum Sea Life im Radisson Hotel.

Auch in der Vergangenheit waren zuweilen Aquarien geplatzt - wenn auch nicht so riesige wie jetzt in Berlin. Im Dezember 2012 riss das mehrere Zentimeter dicke Glas eines Open-Air-Haifischbeckens in einem Einkaufszentrum im chinesischen Shanghai. Verletzt wurden 16 Menschen. Ursache war wohl eine Kombination aus Minustemperaturen, warmem Wasser und schwachem Material. (dpa)

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