Südeuropa in FlammenWarum immer mehr Waldbrände am Mittelmeer wüten

Lesezeit 5 Minuten
Flammen erreichten die griechische Ortschaft Gennadi.

Flammen erreichten die griechische Ortschaft Gennadi.

Immer wieder vernichten im Mittelmeerraum Brände Landschaften und Wohngebiete. Der Mensch spielt dabei eine entscheidende Rolle – in zweifacher Hinsicht.

Eine Fläche so groß wie Montenegro ist im vergangenen Jahr in Europa verbrannt. Mehr als 1,6 Millionen Hektar. Es war die zweitschlimmste Waldbrandsaison in der Europäischen Union seit 2000, wie aus den Daten des Europäischen Waldbrandinformationssystems (EFFIS) hervorgeht. Ursächlich für die Schäden waren knapp 17.000 Waldbrände, die in 45 europäischen Ländern wüteten. Die Waldbrandkarte weist dabei ein eindeutiges Muster auf: Vor allem betroffen war der Süden Europas, der Mittelmeerraum – also Länder wie Spanien, Frankreich, Italien, Kroatien oder Griechenland.

Dieses Muster setzt sich in diesem Jahr scheinbar fort: Wegen eines Waldbrandes mussten auf der griechischen Insel Rhodos Tausende Menschen evakuiert werden. Auch auf Korfu brennt es seit Tagen. „Wir erleben die schwierigsten Tage dieses Sommers“, sagte ein Sprecher der Feuerwehr aus der Zentrale des Zivildienstes in Athen.

Zeitgleich suchen Brände die italienische Insel Sizilien und die Türkei heim: Der internationale Flughafen von Palermo musste am Dienstag vorübergehend geschlossen werden. In der Türkei wurde die Evakuierung von einem Dutzend Häuser und einem Krankenhaus angeordnet, weil ein Feuer in einem Waldgebiet in der Nähe des Ferienortes Kemer in der Provinz Antalya loderte. Und das sind nur ein paar der Brände, die aktuell in Südeuropa auftreten.

Ein abgebranntes Haus steht in der Nähe des Dorfes Gennadi auf Rhodos.

Ein abgebranntes Haus steht in der Nähe des Dorfes Gennadi auf Rhodos.

Dass es im Mittelmeerraum immer wieder zu Waldbränden kommt, ist kein Zufall. Zwei Faktoren spielen hierbei eine Rolle: Einerseits schafft der Klimawandel – je mehr er voranschreitet – bessere Brandvoraussetzungen, andererseits hat der Mensch seine Finger im Spiel.

Mensch ist Hauptverursacher von Waldbränden

„Etwa 96 Prozent der Waldbrände in Europa haben menschliche Ursachen“, erklärt Jesús San-Miguel-Ayanz, leitender Forscher am Institut für Umwelt und Nachhaltigkeit der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission. Es kann sich dabei entweder um fahrlässige Brandstiftung handeln, zum Beispiel indem unachtsam eine noch glühende Zigarette in der Natur weggeworfen wird, oder um vorsätzliche – das heißt, das Feuer wird absichtlich gelegt. Im Fall vom Großbrand auf Rhodos wird derzeit über eine vorsätzliche Brandstiftung spekuliert, bestätigt ist das jedoch noch nicht. Das griechische Ministerium für Bürgerschutz hat entsprechende Ermittlungen eingeleitet.

Generell ist die Datenlage zu den Brandursachen begrenzt; denn nicht alle europäischen Länder melden Daten zu Waldbränden, so San-Miguel-Ayanz. In den Ländern, die entsprechende Daten übermittelt haben, zeigte sich in den vergangenen Jahren allerdings der große Einfluss des Menschen.

Ein türkischer Feuerwehrmann versucht, einen Waldbrand in Beykoz, einem Vorort von Istanbul, zu löschen.

Ein türkischer Feuerwehrmann versucht, einen Waldbrand in Beykoz, einem Vorort von Istanbul, zu löschen.

Bei Bränden, für die Informationen über ihre Ursachen verfügbar sind, werden nur 4 Prozent der Brände nicht mit menschlichen Ursachen in Verbindung gebracht, heißt es in einem Report aus dem Jahr 2017, an dem der Forscher mitgewirkt hat. In diesen Fällen könnten natürliche Ursachen wie Blitzeinschläge oder Selbstentzündungen eine Rolle gespielt haben.

Je wärmer es wird, desto mehr verbrennt

Während der Mensch also der Brandverursacher ist, wirkt der Klimawandel als Brandbeschleuniger. Die Erderwärmung führt dazu, dass es im Süden Europas zunehmend heißer und trockener wird. „Für den Mittelmeerraum prognostizieren die Klimamodelle durchweg eine regionale Erwärmung, die etwa 20 Prozent über dem globalen Mittelwert liegt, und geringere Niederschläge (minus 12 Prozent bei einer globalen Erwärmung von drei Grad Celsius)“, erklärte der Weltklimarat 2022 in einem seiner Berichte. Immer mehr Wälder werden künftig also unter Trockenstress leiden, weil ihnen Wasser fehlt. Damit steigt die Waldbrandgefahr.

Bei einer Erderwärmung um drei Grad Celsius würde sich die Fläche, die derzeit jedes Jahr im Mittelmeerraum verbrennt, verdoppeln, schrieben spanisch-italienische Forscherinnen und Forscher 2018 in einer Studie. Sie gehen derzeit von durchschnittlich etwa 4500 Quadratkilometern aus, die pro Jahr am Mittelmeer in Flammen aufgehen. Selbst wenn das Pariser Klimaabkommen erfüllt wird und „nur“ eine Erwärmung von 1,5 Grad eintritt, würden 40 Prozent mehr Fläche von Feuern betroffen sein.

Ein weiterer Faktor, der die Waldbrände im Mittelmeerraum begünstigt, ist die Landflucht. Immer mehr Menschen verlassen die ländlichen Regionen und ziehen in die Städte. Das heißt, dort, wo einst Ackerflächen und Weiden waren, verwildert die Vegetation nun zusehends. Damit steht mehr „Brennmaterial“ zur Verfügung. „Im Regen wächst das Brennmaterial, in der Trockenzeit verbrennt es“, fasst Feuerökologe Alexander Held vom European Forest Institute zusammen. Diese klare Trennung von Regen- und Trockenzeit gibt es auch in den Subtropen. „Das kann auch im Mittelmeer ein sehr natürliches Feuerregime sein – ist es aber natürlich nicht mehr durch die vielen anthropogenen Einflüsse.“

Wie kann man den Waldbränden vorbeugen?

Auch wenn die Zahl der Brände im Mittelmeerraum immer mehr zunimmt: Grundsätzlich ist Feuer ein wichtiger Bestandteil vieler Ökosysteme, auch in den mediterranen. Dort gibt es zum Beispiel Pflanzen, sogenannte Pyrophyten, die sich an eine häufige Feuereinwirkung angepasst haben und von ihr sogar profitieren. Die Korkeiche gehört dazu, die vor allem im westlichen Mittelmeerraum vorkommt. Ihre dicke Rinde schützt sie vor Waldbränden. Schon kurze Zeit nach einem Brand treibt sie wieder frisch aus.

Um Waldbränden im Mittelmeerraum in Zukunft vorzubeugen, schlagen San-Miguel-Ayanz und seine Kolleginnen und Kollegen deshalb vor, mehr Wissen zur Widerstandsfähigkeit und Resilienz von Waldbaumarten zu sammeln. Auch braucht es aus ihrer Sicht ein besseres Vegetationsmanagement. Das bedeutet zum Beispiel, unnötiges Brennmaterial wie Totholz zu entfernen. Doch nicht nur in der Natur muss sich etwas ändern, auch der Mensch muss sein Verhalten reflektieren. Die Forscherinnen und Forscher appellieren, mehr für die Waldbrandgefahr zu sensibilisieren.

Präventiv Feuer mit Feuer bekämpfen

Feuerökologe Held sieht noch eine andere potenzielle Präventionsmaßnahme: Feuer mit Feuer bekämpfen. „Den Absturz eines Löschflugzeuges mit Todesopfern verbuchen wir als Gesellschaft als tragisches Unglück, das ist akzeptiert“, sagt er. Am Dienstag war ein Löschflugzeug in Griechenland während eines Einsatz abgestürzt. „Mildes, kontrolliertes Feuer zur Prävention anzuwenden, um Katastrophen zu verhindern, das akzeptieren wir als Gesellschaft scheinbar nicht.“

Die Idee hinter den kontrollierten Bränden ist, in der kalten Jahreszeit Totholz und Sträucher in bestimmten Waldbereichen aktiv zu verbrennen, damit sie in den Sommermonaten keinen Großbrand anfachen können. Diese Taktik wendet inzwischen Portugal an – auch eines der Länder, die immer wieder von größeren Waldbränden betroffen sind.

Gegen die Landflucht als Einflussfaktor hilft wiederum am Ende nur eines: den ländlichen Raum attraktiver machen. Das fordert Johann Georg Goldammer, Direktor des Global Fire Monitoring Centers, im Gespräch mit NDR Info. Dort müssten theoretisch alte Bewirtschaftungsformen, also Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Weidewirtschaft, wiederhergestellt werden, um Brennmaterial zu beseitigen. Der Experte räumte jedoch ein: „Es ist eine Mammutaufgabe.“

KStA abonnieren