Regierung erklärt NotlageKilometerlanger Magmatunnel unter Island – Vulkanausbruch im Atlantik befürchtet

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Auf der Reykjanes-Halbinsel auf Island bebt seit Tagen die Erde. Forscher befürchten einen gewaltigen Vulkanausbruch, bereits im Juli spuckten mehrere Vulkane reichlich Lava. (Archivbild)

Auf der Reykjanes-Halbinsel auf Island bebt seit Tagen die Erde. Forscher befürchten einen gewaltigen Vulkanausbruch, bereits im Juli spuckten mehrere Vulkane reichlich Lava. (Archivbild)

Island rüstet sich für einen enormen Vulkanausbruch. Ein Ausbruch könnte auch starke Auswirkungen auf das europäische Festland haben.

Die Anzeichen auf einen starken Vulkanausbruch auf Island verdichten sich. Laut Geologen könnte ein Ausbruch bald bevorstehen. Die Erdbeben in der Nähe der Stadt Grindavík verschoben sich am Abend vom Stadtzentrum weiter nach Osten in Richtung eines zwölf Kilometer langen Magmatunnels, der unter der Stadt hindurch in den Atlantik führt.

Der Tunnel, der bis zu 1500 Meter unter der Erde liegen soll, könnte zeitnah einen Vulkanausbruch auslösen. Isländische Geologen befürchten, dass der Ausbruch schlimmer werden könnte als die Eruption auf Eldfell im Jahr 1973. Bei dem Ausbruch bildete sich eine drei Kilometer lange Erdspalte, aus der pro Sekunde mehr als 100 Kubikmeter Lava gespuckt wurden.

Island: Vulkanausbruch rückt näher – Forscher entdecken kilometerlangen Magmatunnel

„Es kann in den nächsten Stunden passieren, oder in wenigen Tagen. Im Moment herrscht große Unsicherheit“, sagte Foscher Porvaldur Póroarso dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Island, RÚV. Laut dem isländischen Wetterdienst wurden am Freitag (10. November) in der Nähe von Sundhnúk, einer Reihe von Kratern nördlich von Grindavík, mehrere Erdbeben festgestellt, die sich nach Süden ausbreiteten.

Die Erdbeben wurden nahezu alle in der Nähe des Magmatunnels gemessen, der von Sundhnúk nach Südwesten durch Grindavík in den Atlantik verläuft. „Eine Eruption in Grindavík wäre eine Katastrophe“, erklärte der Geologe Ármann Höskuldsson gegenüber RÚV. Die etwas mehr als 3600 Einwohner wurden am Freitag aus Sorge vor einem Ausbruch evakuiert.

Grindavík: Geologen befürchten verheerendesten Vulkanausbruch auf Island seit 50 Jahren

Für die Forscher erhärtete sich im Verlauf des Wochenendes eine weitere Theorie: Der Magmatunnel könnte im Atlantik ausbrechen. Eine Eruption unmittelbar vor der Küste von Grindavík könnte weitreichende Folgen haben.

Der Ausbruch wäre eine sogenannte Ejektion; ein explosiver Ausbruch, bei dem vor allem Gestein und Asche austreten. Es würde sich eine große Rauchwolke bilden, die bis nach Europa ziehen könnte.

Eine riesige Aschewolke, wie beim Ausbruch des Eyjafjallajökull im Jahr 2010, wird nicht vermutet, da die Asche nicht in die höheren Schichten der Atmosphäre gelangen würde. „Je nachdem, wie der Wind zum Zeitpunkt des Ausbruchs steht, könnte die Wolke aber kilometerweit nach Osten ziehen und die Luft über Island und dem Atlantik stark verschmutzen“, heißt es in einer ersten Prognose des isländischen Wetterdienstes.

Island: Anzeichen für Vulkanausbruch verdichten sich – Geologen sorgen sich um Magmatunnel unter Grindavík

In Grindavík und den umliegenden Gebieten bildet sich seit Sonntag zudem ein Riss an der Erdoberfläche. Geologen gehen davon aus, dass dieser oberhalb des Magmatunnels liegt. Seit dem Abend nimmt die Zahl der Erdbeben ab. Ein Anzeichen dafür, dass sich der Magmatunnel nicht mehr weit unter der Erdoberfläche befindet.

Auch Rikke Pedersen, Forscherin an der Universität von Island, rechnet mit einem baldigen Ausbruch. „Das sind typische Vorboten einer Eruption. Wir hatten eine Menge Beben über [der Stärke] drei, aber dann lässt es etwas nach“, erklärte Pedersen dem dänischen Radiosender DR.

Am Montagnachmittag wurden in Grindavík größere Risse an der Erdoberfläche festgestellt, aus den Spalten trat heißer Dampf aus. Die Anzeichen für einen Ausbruch direkt unter dem Stadtgebiet verfestigten sich im Verlauf des Tages.

Island: Vulkanausbruch könnte riesige Aschewolke verursachen – Hunderte Erdbeben gemessen

Geologen rechnen mit einem Ausbruch, der vergleichbar mit der Unterwasser-Eruption 1963 ist, bei der die Insel Surtsey südwestlich von Island entstand. Der Ausbruch zog sich über mehrere Monate hin, immer wieder spuckte der Vulkan Asche und Gestein in die Atmosphäre.

Unterwasservulkan-Ausbrüche können teils große Auswirkungen auf die Weltmeere haben. Bei einem deutlich stärkeren Ausbruch in der Nähe des Inselstaats Tonga im Pazifik im Jahr 2022 entstand eine Druckwelle, die sogar in Köln messbar war. Der Ausbruch erreichte eine Stärke von 5,8 auf der Richter-Skala – in Island wurden bisher Beben mit einer maximalen Magnitude von 5 gemessen.

Island: Regierung ruft Notstand aus – Straßen bei Grindavík reißen auf

Die letzten Einsatzkräfte haben am Samstagabend Grindavík verlassen, nachdem sie Reparaturen am Stromnetz und an Kaltwasserleitungen durchgeführt hatten. Durch die Erdbeben und Verschiebungen von Landmassen hatten sich teilweise 1,20 Meter breite Spalten an der Erdoberfläche gebildet. Mehrere Straßen und ein Golfplatz in Grindavík wurden stark beschädigt.

Einige Einwohner Grindavíks wurden am Sonntag und Montag kurzzeitig in die Stadt gelassen, um Habseligkeiten oder Haustiere aus den eilig verlassenen Häusern zu holen. Das isländische Verteidigungsministerium erklärte, am Dienstag werde über eine vorläufige Rückkehr in den Ort entschieden. Man müsse die aktuellen Entwicklungen abwarten.

Die Erdbeben der vergangenen Tage sind die Folge von Erdbeben im Jahr 2019 am Berg Porbjörn, durch die vier Magmatunnel im Südwesten Islands entstanden sind. Drei der Tunnel sind bereits ausgebrochen, der vierte Tunnel und Grindavík könnte den verheerendsten Vulkanausbruch in Island seit 50 Jahren auslösen. (shh)

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