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Vergiftet?Weitere Festnahmen nach Tod von drei Deutschen in Istanbul

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In einem türkischen Stand für Streetfood, der von den türkischen Behörden geschlossen wurde, steht noch ein Topf mit Muscheln. Streetfood beim Istanbul-Besuch könnte mehreren Mitgliedern einer Familie aus Hamburg das Leben gekostet haben.

In einem türkischen Stand für Streetfood, der von den türkischen Behörden geschlossen wurde, steht noch ein Topf mit Muscheln. Streetfood beim Istanbul-Besuch könnte mehreren Mitgliedern einer Familie aus Hamburg das Leben gekostet haben. 

Der Urlaub in Istanbul endet für Mutter und Kinder einer Hamburger Familie tödlich. Für Aufregung sorgen neue Fälle mutmaßlicher Vergiftungen.

Im Fall ungewöhnlicher Krankheitsfälle in Istanbul gibt es mehr Opfer und weitere Festnahmen. Nach dem Tod einer Hamburger Mutter und ihrer zwei Kindern wurden zwei weitere Touristen mit Vergiftungserscheinungen ins Krankenhaus eingeliefert, wie die Nachrichtenagenturen DHA und Anadolu berichteten. Es soll sich dabei um einen Italiener und einen Marokkaner handeln. Sie übernachteten demnach in demselben Hotel in der Istanbuler Altstadt wie die Familie aus Deutschland. 

Die beiden klagten Anadolu zufolge über Übelkeit und Erbrechen, sie befinden sich demnach aber nicht in Lebensgefahr. Einer der Besitzer des Hotels sagte dem Sender CNN Türk auf eine mögliche Lebensmittelvergiftung angesprochen, das Hotel habe kein Restaurant, es gebe lediglich Wasser. Ermittler nahmen Anadolu zufolge vor Ort Trinkwasser-Proben und werteten die Überwachungskameras aus. Es sei zudem festgestellt worden, dass ein Zimmer im Erdgeschoss mit Chemikalien desinfiziert worden sei. 

Die Polizei nahm Anadolu zufolge drei weitere Verdächtige fest: Einen Verantwortlichen des Hotels und zwei Personen, die die Desinfektion durchgeführt hatten. Damit steigt die Gesamtzahl der Festnahmen auf sieben.

Die Mutter und ihre Kinder im Alter von drei und sechs Jahren waren mutmaßlich an einer Lebensmittelvergiftung gestorben. Genaueren Aufschluss sollen Laborergebnisse geben, die noch ausstehen. Inzwischen wurde die drei Hamburger in einem Ort der westtürkischen Provinz Afyonkarahisar beerdigt, wie Anadolu berichtete. An der Trauerfeier nahmen demnach Verwandte der Familie und Lokalpolitiker teil. Die Familie hat türkische Wurzeln. Der Vater der Familie wird auf einer Intensivstation in Istanbul weiter behandelt.

Behörden lassen Restaurant schließen

Ein Onkel des Vaters sagte Anadolu auf der Beerdigung in Afyonkarahisar, er sei zutiefst betroffen und forderte, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden: „Wer auch immer das getan hat, muss bestraft werden“, sagte er. 

Am Freitag waren bereits vier Verdächtige festgenommen worden. Laut dem Staatssender TRT geht es um Verkäufer von Süßigkeiten, gefüllten Muscheln und einem Gericht aus Kalbsdärmen (Kokorec). Ihnen werde fahrlässige Tötung vorgeworfen, berichtete Anadolu. Demnach sind alle Verdächtigen wegen anderer Delikte vorbestraft. Die Behörden ließen einen Laden schließen, in dem die Familie gegessen haben soll.

Die Behörden haben einen Laden im Stadtteil Ortaköy schließen lassen.

Die Behörden haben einen Laden im Stadtteil Ortaköy schließen lassen.

Vater, Mutter, der sechs Jahre alte Sohn und die drei Jahre alte Tochter waren am Sonntag nach Istanbul gereist. Die Familie soll am Dienstag um die Mittagszeit in den Stadtteil Ortaköy gefahren sein. Das habe der Vater der Familie ausgesagt, bevor sich sein Zustand verschlechtert habe, berichtet die Zeitung „Sabah“. Dort hätten sie bei einem fliegenden Händler gefüllte Muscheln und in einem anderen Laden dann Suppe und Kokorec gegessen. Auf dem Rückweg ins Hotel im Stadtteil Fatih hätten sie noch Lokum - eine türkische Süßigkeit - und Wasser eingekauft. Anadolu berichtete, die Familie habe auch Hühnchen gegessen.

Am Mittwoch sei die Familie zunächst wegen Übelkeit und Erbrechens in ein Krankenhaus mit Verdacht auf Lebensmittelvergiftung eingeliefert worden, berichtete die Nachrichtenagentur. Die Eltern seien mit Durchfall und Gastroenteritis diagnostiziert und behandelt worden, die Kinder in einer anderen Klinik wegen Übelkeit und Erbrechens, später aber wieder entlassen worden. Als sich besonders der Zustand der Kinder verschlechterte, sei die gesamte Familie in der Nacht erneut in ein Krankenhaus gebracht worden. Kurz darauf verstarben beide Kinder, gefolgt von der Mutter.

Experten bemängeln unzureichende Kontrollen

Der Gesundheitsdirektor der Provinz Istanbul erklärte auf X, bisher sei kein ungewöhnlicher Anstieg der Lebensmittelvergiftungsfälle festgestellt worden.

In der Türkei werden Restaurants und Straßenverkäufer zwar kontrolliert, die Kontrolldichte ist jedoch insbesondere in touristisch stark frequentierten Gebieten Experten zufolge oft unzureichend.

Immer wieder berichten Medien auch über mutmaßliche Lebensmittelvergiftungen. Im zentralanatolischen Kayseri wurden Anfang November demnach 80 Schüler und Lehrer ins Krankenhaus eingeliefert, nachdem sie im Rahmen einer Veranstaltung Wurst im Brot verzehrt hatten. 

Laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) können Lebensmittelvergiftungen auftreten, wenn sich Schimmelpilze oder bestimmte Bakterien im Lebensmittel vermehren, die Giftstoffe (sogenannte Toxine) bilden. Zudem können Fische und Muscheln marine Biotoxine (Algentoxine genannt) enthalten, die Lebensmittelvergiftungen auslösen. (dpa)