Moskau erpresst Mutter des KremlgegnersNawalnys Witwe wirft Putin „offenen Satanismus“ vor

Lesezeit 3 Minuten
Der russische Präsident Wladimir Putin (l.) und der Vorsteher der Russischen-Orthodoxen Kirche, Patriarch Kyrill I. Nawalnys Witwe wirft dem Kremlchef „Satanismus“ vor. (Archivbild)

Der russische Präsident Wladimir Putin (l.) und der Vorsteher der Russischen-Orthodoxen Kirche, Patriarch Kyrill I. Nawalnys Witwe wirft dem Kremlchef „Satanismus“ vor. (Archivbild)

Putin, der sich selbst als gläubiger Christ bezeichne, verhöhne die Überreste des toten Kremlkritikers Alexej Nawalny, sagt seine Witwe.

Mehr als eine Woche nach dem Tod des Kremlgegners Alexej Nawalny im Straflager haben seine Witwe und die Tochter Präsident Wladimir Putin mit Nachdruck aufgefordert, die Leiche für eine menschenwürdige Beerdigung herauszugeben. Putin, der sich selbst als gläubiger Christ bezeichne, verhöhne die Überreste des Toten und lege einen „offenen Satanismus“ an den Tag, sagte die Witwe Julia Nawalnaja in einer am Samstag veröffentlichen Videobotschaft. „Geben Sie Alexej heraus. Sie haben ihn lebendig gefoltert und foltern ihn tot weiter“, sagte sie. „Sie brechen jedes menschliche und göttliche Gesetz.“

Nawalny-Familie fordert Freigabe von Leiche: „Gebt Oma den Körper meines Vaters“

„Gebt Oma den Körper meines Vaters“, schrieb Nawalnys Tochter Darja im sozialen Netzwerk X (vormals Twitter) am Samstag. Ihre Großmutter Ljudmila Nawalnaja hatte am Donnerstag in einem Video erklärt, dass Putins Behörden sie zu einer geheimen Beerdigung zwingen wollten und ihr gedroht hätten, der Leiche etwas anzutun. Nawalnys Witwe warf Putin vor, Alexejs Mutter weiter zu quälen und brechen zu wollen.

Die russischen Behörden versuchen offenbar weiterhin Nawalnys Mutter zu erpressen. Ein Ermittler rief Alexej Mutter an und stellte ihr ein Ultimatum, schrieb Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch am Freitagnachmittag bei X.

Russische Behörden probieren Nawalnys Mutter zu erpressen

„Entweder stimmt sie einer geheimen Beerdigung ohne öffentliche Verabschiedung innerhalb von drei Stunden zu oder Alexej wird in einer Kolonie begraben“, habe der Beamte Ljudmila Nawalnaja gedroht. Nawalnys Mutter bestehe weiterhin auf die Herausgabe der Leiche, so Jarmysch. „Sie besteht darauf, dass die Behörden eine ordnungsgemäße Durchführung der Beerdigung und Gedenkfeier zulassen.“

Putin inszeniere sich zwar mit Kerze in der Hand in russisch-orthodoxen Kirchen und küsse Ikonen, sei aber in Wahrheit von Hass und Rachegelüsten getrieben, sagte Julia Nawalnaja in ihrer Videobotschaft unterdessen. „Nein, es ist nicht einmal Hass, es ist Satanismus, Heidentum.“ Im Glauben aber gehe es um Güte, um Barmherzigkeit, um Erlösung. „Und kein wahrer Christ könnte jemals tun, was Putin jetzt mit dem toten Alexej tut.“

„Kein wahrer Christ könnte jemals tun, was Putin jetzt mit dem toten Alexej tut“

Zugleich verurteilte die 47-Jährige Putins Krieg gegen die Ukraine, für den er ebenfalls die Kirche instrumentalisiere. Der Kremlchef führe den Feldzug unter Berufung auf traditionelle Werte gegen den Westen. „Aber Sie töten einfach nur, bombardieren schlafende Zivilisten nachts mit Raketen, die in der Kirche gesegnet wurden“, sagte Nawalnaja. Der Patriarch der russisch-orthodoxen Kirche, Kirill, ist ein Vertrauter Putins und ein glühender Unterstützer des Krieges gegen die Ukraine. Geistliche segnen immer wieder öffentlich Raketen.

Nawalny starb am 16. Februar nach Behördenangaben im Straflager mit dem inoffiziellen Namen „Polarwolf“ in der sibirischen Arktisregion Jamal. Die Umstände seines Todes sind nicht geklärt. Der durch den Giftanschlag und wiederholte Einzelhaft im Lager geschwächte Politiker soll bei einem Rundgang auf dem eisigen Gefängnishof zusammengebrochen und trotz Wiederbelebungsversuchen gestorben sein. Nach Angaben von Nawalnys Team ist im Todesschein von „natürlichen“ Ursachen die Rede.

Seit Nawalnys Tod kommt es in Russland zu Trauerbekundungen. Die russischen Behörden gehen teilweise hart gegen die Menschen vor, die ihre Sympathie mit Nawalny bekunden. Es gab mehrere hundert Festnahmen.  (das/dpa)

KStA abonnieren