Totes Flüchtlingskind am Strand von BodrumAylan Kurdi, drei Jahre, ertrunken auf der Flucht

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Diesem Polizisten fiel die Aufgabe zu, Aylan Kurdi vom Strand in Bodrum aufzuheben.

Diesem Polizisten fiel die Aufgabe zu, Aylan Kurdi vom Strand in Bodrum aufzuheben.

Istanbul – Der Vater des ertrunkenen Flüchtlingskindes aus Syrien, dessen Foto weltweit für Bestürzung sorgt, hat den Tod seiner Familie im Meer geschildert. Das Boot sei auf der Fahrt vom türkischen Bodrum zur griechischen Insel Kos bei hohem Wellengang gekentert, sagte Abdullah Kurdi dem oppositionellen syrischen Radiosender Rosana FM am Donnerstag in einem Telefonat. „Ich half meinen beiden Söhnen und meiner Frau und versuchte mehr als eine Stunde lang, mich am gekenterten Boot festzuhalten. Meine Söhne lebten da noch. Mein erster Sohn starb in den Wellen, ich musste ihn loslassen, um den anderen zu retten.“

Weinend fügte der Vater hinzu, dass trotz seiner Bemühungen auch der andere Sohn gestorben sei. Als er sich dann um seine Ehefrau habe kümmern wollen, habe er sie tot vorgefunden. „Danach war ich drei Stunden im Wasser, bis die Küstenwache ankam und mich rettete.“ Er habe den Schleusern 4000 Euro für die Überfahrt seiner Familie gezahlt. Der Menschenschmuggler an Bord sei nach Beginn des hohen Wellengang ins Wasser gesprungen, um sich in Sicherheit zu bringen, und habe die Flüchtlinge alleine gelassen.

Die Familie wollte nach Kanada

Die Familie, die aus der syrischen Stadt Kobane an der türkischen Grenze kommen soll, wollte zu Verwandten nach Kanada. Wie die in Vancouver lebende Schwester des Vaters einer kanadischen Zeitung berichtete, wurde ihr aber die Einreise im Juni verweigert. Es habe Probleme mit den Papieren aus der Türkei gegeben, sagte sie der National Post. „Ich wollte sie finanziell unterstützen, und meine Freunde und Nachbarn haben mir mit den Bankkonten geholfen. Aber wir konnten sie nicht herausholen, und deshalb sind sie auf das Boot gegangen.“

Eine andere Schwägerin habe sie am Donnerstagmorgen über die Tragödie informiert. „Sie bekam einen Anruf von Abdullah. Alles was er sagen konnte war: meine Frau und beiden Jungs sind tot.“

Das Flüchtlingsboot war auf dem Weg von der Türkei zur griechischen Insel Kos. Mindestens zwölf Menschen kamen bei dem Untergang ums Leben. Die aus Syrien stammenden Flüchtlinge waren in zwei Booten unterwegs. Inzwischen hat die türkische Polizei vier mutmaßliche syrische Schleuser festgenommen, wie türkische Medien berichten.

„Es tut mir leid, kleiner Engel“

Millionen Syrer sind mittlerweile vor dem Bürgerkrieg in ihrem Land in die benachbarte Türkei geflohen. Viele versuchen, über das Mittelmeer in oft seeuntüchtigen Booten Griechenland zu erreichen und dann vor allem nach Deutschland weiterzuziehen.

Hilfsorganisationen schätzen, dass allein im August pro Tag rund 2000 Menschen versuchten, die vergleichsweise kurze Meerpassage zwischen türkischem Festland und griechischen Inseln zu überwinden. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR geht davon aus, dass in diesem Jahr über 2500 Menschen bei dem Versuch ertrunken sind, das Mittelmeer zu überqueren.

Auch in Großbritannien erhöht sich der Druck auf Premierminister David Cameron, mehr Flüchtlinge aufzunehmen. „Mr. Cameron, der Sommer ist vorbei“, titelte das meistverkaufte Blatt des Landes, die Sun. Nun solle er sich um die größte Krise in Europa seit dem zweiten Weltkrieg kümmern.

Noch im April stand das Blatt in der Kritik, weil ein Kolumnist Flüchtlinge mit Kakerlaken verglich. “Ohne Mitgefühl sind wir nichts. In Syrien haben wir versagt„, schrieb der Abgeordnete Nadhim Zahawi von Camerons konservativer Partei. Für Aylan kommt diese Erkenntnis allerdings zu spät: “Es tut mir leid, kleiner Engel. Ruhe in Frieden„, fügte Zahawi hinzu. (dpa/ccp)

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