In Zeiten, in denen die USA ihre Hilfen kürzen, muss auf Deutschland Verlass sein. Investitionen helfen nicht nur vor Ort, sondern stärken auch die deutsche Wirtschaft, meint Bill Gates. Ein Gastbeitrag.
Gastbeitrag von Bill GatesDeutschlands Führungsrolle ist wichtiger denn je

Bill Gates hat im Jahr 2000 gemeinsam mit seiner Ex-Frau Melinda die Gates Foundation gegründet. Sie ist die größte private Stiftung der Welt.
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Vor einigen Wochen habe ich angekündigt, praktisch mein gesamtes verbleibendes Vermögen dem Kampf gegen globale Ungerechtigkeit zu widmen. Es ist eine Verpflichtung, auf die ich stolz bin, aber ich bin mir nicht sicher, ob sie wirklich so außergewöhnlich ist – zumindest sollte sie das nicht sein. Im Gegenteil: Ich glaube, die meisten Menschen würden zu dem gleichen Schluss kommen: Dass die Reichen – ob nun Einzelpersonen oder Länder – eine Verantwortung haben, ihre Ressourcen auch zum Wohle derjenigen einzusetzen, die weniger haben.
Genau das hat Deutschland seit Jahrzehnten getan. Deutschland ist einer der großzügigsten Geber von Gesundheits- und Entwicklungshilfe. Und diese Investitionen haben unglaublich viel Gutes bewirkt.
Deutschland ist beispielsweise ein Gründungsmitglied der Impfallianz Gavi. In den vergangenen 25 Jahren hat Gavi mehr als eine Milliarde Kinder geimpft und rund 19 Millionen Menschenleben gerettet. Vor allem dank dieser Bemühungen ist die Zahl der Kinder, die jedes Jahr sterben, um mehr als die Hälfte gesunken. Das ist eine der größten Errungenschaften in der Geschichte der Menschheit.
Entwicklungshilfe: Die USA auf dem Rückzug
Aber seit diesem Jahr hat sich viel verändert. Mein Heimatland, die Vereinigten Staaten, hat mit den wohl drastischsten Kürzungen der Entwicklungshilfe den Rückzug angetreten. Auch viele andere reiche Länder, darunter Großbritannien und sogar Deutschland, haben ihre Verpflichtungen gegenüber den ärmsten Menschen der Welt zurückgefahren. Weltweit wurden insgesamt Dutzende Milliarden Euro an Entwicklungsgeldern gestrichen.
Die Folgen dieser Entscheidungen werden verheerend sein. Krankheiten werden sich ausbreiten. Die Armut wird zunehmen. Und Millionen von Kindern werden sterben. 2025 wird wahrscheinlich das erste Jahr in diesem Jahrhundert sein, in dem die Kindersterblichkeit wieder steigt.

Die beiden Microsoft-Gründer Bill Gates (r.) und Paul Allen (l.) aufgenommen im Jahr 1981.
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Heute ist die Führungsrolle Deutschlands wichtiger denn je. Glücklicherweise sieht die neue Bundesregierung das auch so. Finanzminister Lars Klingbeil hat erklärt, dass Deutschland ein verlässlicher Partner bei der Entwicklungsfinanzierung bleiben werde – „gerade jetzt, da andere wichtige Geberländer ihre Unterstützung reduzieren“. Und Bundeskanzler Friedrich Merz hat deutlich gemacht, dass eine seiner Prioritäten eine international führende Rolle für Deutschland ist.
Dennoch argumentieren einige, dass wohlhabende Länder ihr Geld nicht für die Rettung von Menschenleben in anderen Ländern ausgeben sollten, sondern für ihre eigenen Bürgerinnen und Bürger. Angesichts knapper Kassen und konkurrierender Prioritäten ist diese Meinung nachvollziehbar. Doch die Wahrheit ist, dass selbst die wohlhabendsten Länder selten auch nur 1 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe ausgeben. Und dieser kleine Prozentsatz bewirkt eine Menge Gutes – nicht nur für die ärmsten Menschen der Welt, sondern auch für die Deutschen selbst.
Durch die Impfung von Kindern in Ländern mit niedrigem Einkommen trägt Gavi dazu bei, die Ausbreitung tödlicher Krankheiten über Grenzen hinweg zu verhindern. Durch die Finanzierung von Gesundheitspersonal und Systemen zur Krankheitsüberwachung haben die Geberländer oft sichergestellt, dass Ausbrüche nicht zu Epidemien oder sogar Pandemien wurden. So verheerend die COVID-19-Pandemie auch war, ohne die globale Gesundheitsfinanzierung durch Länder wie Deutschland wäre sie weitaus schlimmer ausgefallen.
Entwicklungshilfe kann auch die deutsche Wirtschaft stärken
Investitionen in Entwicklungshilfe können auch die deutsche Wirtschaft stärken. Die Bevölkerung in vielen afrikanischen Ländern wächst rasant, und Entwicklungszusammenarbeit trägt dazu bei, eine solide Grundlage für Wirtschaftswachstum zu schaffen. Durch die Finanzierung von Gesundheit und Entwicklung in Afrika kann Deutschland neue Handelspartner und neue Märkte für deutsche Waren erschließen – für eine Exportnation wie Deutschland von zentraler Bedeutung.
Deutschland hat viel zu gewinnen, wenn es Gesundheit und Entwicklung unterstützt. Anfang des Jahres habe ich Mainz besucht, um mich mit Forscherinnen und Forschern von BioNTech zu treffen, die bahnbrechende Arbeit an mRNA-Impfstoffen gegen HIV und Tuberkulose leisten. Ein weiterer Partner der Gates Foundation in Deutschland, BASF, hat zur Entwicklung von neuartigen Moskitonetzen beigetragen, die die Ausbreitung von Malaria effektiver eindämmen. Partner wie die Universität Frankfurt, Bayer oder Evotec forschen an nicht-hormonellen Verhütungsmitteln, die mehr Frauen die Möglichkeit geben würden, ihre Zukunft selbst zu bestimmen. Deutsche Wissenschaftlerinnen und Unternehmer sind vielerorts Vorreiter im Bereich der globalen Gesundheit und Entwicklung – und sie brauchen jede Unterstützung, die sie bekommen können.
Bundeskanzler Merz hat sich eindringlich für eine starke Rolle Deutschlands in Europa und der Welt ausgesprochen. Wenn das Land dem globalen Trend entgegensteuert, Entwicklungshilfe zurückzufahren, wäre das mehr als bloß ein starkes Signal. Es käme Millionen von Menschen zugute – nicht nur in den Empfängerländern, sondern auch in Deutschland selbst.