„Das Volk hat es satt“Sahra Wagenknecht gründet Partei – Neue Rolle für Düsseldorfer Ex-OB Geisel

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In Berlin wurde am Montag die Partei „Bündnis Sahra Wagenknecht - für Vernunft und Gerechtigkeit“ gegründet. Wagenknecht gab Details bekannt.

Seit Monaten wird über die Gründung einer neuen Partei durch die ehemalige Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht berichtet. Was lange Spekulation blieb, wurde im Oktober zur Gewissheit. Wagenknecht und neun weitere Bundestagsabgeordnete traten aus der Partei Die Linke aus und gründeten einen Verein, um die Partei vorzubereiten. Die eigentliche Parteigründung von „Bündnis Sahra Wagenknecht - für Vernunft und Gerechtigkeit“ (BSW) fand am Montag (8. Januar) hinter verschlossenen Türen in einem Berliner Hotel statt.

Sahra Wagenknecht und Amira Mohamed Ali führen BSW

Anschließend trat Wagenknecht in der Bundespressekonferenz vor die Öffentlichkeit. Dort ging es um Programm und Führung der Partei. Die Partei soll von einer Doppelspitze aus Wagenknecht selber und der früheren Linksfraktionschefin Amira Mohamed Ali geleitet werden. Stellvertreter wird der Wirtschaftswissenschaftler Shervin Haghsheno, der politisch bislang nicht aktiv war. Der Bundestagsabgeordnete Christian Leye wird Generalsekretär, Schatzmeister der Unternehmer Ralph Suikat und Geschäftsführer der ehemalige Linken-Geschäftsführer in Nordrhein-Westfalen, Lukas Schön.

Wagenknecht fasste zu Beginn noch einmal zusammen, was sie zur Gründung einer neuen Partei bewogen habe. Sie sprach von der „Unfähigkeit der Ampel“, der Grund für die Politikverdrossenheit weiter Bevölkerungsteile sei. „Das Volk hat es satt, so behandelt zu werden“, sparte sie nicht mit Kritik. „Unfähigkeit und Arroganz“ spalteten das Land und verspielten die Zukunft, so Wagenknecht.

Düsseldorfer Ex-OB Thomas Geisel stellte individuelles Grundrecht auf Asyl in Frage

Die Europawahl am 9. Juni 2024 soll die erste Wahl werden, an der das BSW teilnehmen wird. Der frühere Linken-Politiker Fabio De Masi soll Spitzenkandidat werden. Der langjährige SPD-Politiker Thomas Geisel, früher Oberbürgermeister von Düsseldorf, wird ebenfalls bei der Europawahl antreten. Auf dem Podium der Bundespressekonferenz kritisierte er die Haltung seiner früheren Partei hart und vor allem den Kurs der SPD im Ukraine-Krieg. Den Krieg gegen Russland könne die Ukraine nicht gewinnen, die Sanktionen schadeten letztlich Deutschland.

Auch zum Thema Migration äußerte sich Geisel: Es würde sich durch „unkontrollierte Zuwanderung“ Parallelgesellschaften in migrantischen Milieus entwickeln.

In seiner Austrittserklärung aus der SPD hatte sich Geisel wenige Tage zuvor für eine Abschaffung des individuellen Grundrechts auf Asyl ausgesprochen. Ob dies denn eine allgemeine Position ihrer Partei sei, wollte eine Journalistin nun von Sahra Wagenknecht wissen. Diese wiegelte ab und sagte, das sei missverstanden worden. Geisel selber sprach bei der Pressekonferenz nur noch von einer Überarbeitung des Asylrechts. 

Der erste Parteitag der neuen Partei von Sahra Wagenknecht soll am 27. Januar in Berlin stattfinden.

Sahra Wagenknecht gegen Verbot des Verbrenner-Motors

Wagenknecht kritisierte die „ideologiegetriebene Klimapolitik“ der Bundesregierung. So sei beispielsweise das von der EU beschlossene Verbot von Verbrenner-Motoren bei Neuwagen ab 2035 nicht sinnvoll. Die deutsche Autoindustrie hätte stattdessen einfach verbrauchsärmere Verbrennerentwickeln sollen, statt sich der Elektromobilität zu verschreiben.

Bei der Migrationspolitik bekräftigte sie, dass die „unkontrollierte Migration“ gestoppt werden müsse und es daher Asylverfahren an den EU-Außengrenzen geben solle. Wagenknecht behauptete, dass lediglich ein Prozent der Menschen, die einen Asylantrag stellten, wirklich asylberechtigt seien.

Tilo Jung: „Personenkult“ um Sahra Wagenknecht?

Wagenknecht grenzte sich in ihrem Statement gegen Rechts ab: Wer „aktuell in der AfD“ sei, teile auch deren Inhalte, so die 54-Jährige. Da gebe es wenig Gemeinsamkeiten. Parteivize Haghsheno sprach in seinem Statement allerdings von den „sogenannten demokratischen Parteien der Mitte“. Das Vertrauen in diese Parteien gehe allgemein verloren, und auch er selber könne das nachvollziehen.

Der Journalist Tilo Jung wollte von Wagenknecht wissen, ob es bei der Partei mit dem Namen „Bündnis Sahra Wagenknecht“ nicht auch um Personenkult gehe. Wagenknecht sagte, der Name solle nach der Bundestagswahl, wenn es ein Parteiprogramm gebe, geändert werden. Allerdings stehe ihr Name auch für eine bestimmte Programmatik, daher sei es sinnvoll, damit anzufangen.

Sahra Wagenknecht verließ im Oktober Linkspartei

Wagenknecht hatte sich bereits vor langer Zeit mit großen Teilen der Linken überworfen. Insbesondere beim Thema Migration vertritt sie einen harten Kurs, der eher an Positionen der AfD als an klassisch linke Politik erinnert. Auch ihre Haltung zum Ukraine-Krieg stößt vielen übel auf. Sie kritisiert die Militärhilfe für die Ukraine und vermeidet eine eindeutige Verurteilung des russischen Diktators Wladimir Putin.  

Die Linkspartei hatte durch den Austritt Wagenknechts und ihrer Mitstreiterinnen und Mitstreiter ihren Status als Fraktion verloren. (cme)

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