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Der Täter als OpferDonald Trump geht vor Anklage in den Angriffsmodus und ruft zu Protesten auf

Lesezeit 4 Minuten
Donald Trump, ehemaliger Präsident der USA, schaut zu beim Finale der NCAA Wrestling Championships im BOK Center in Tulsa, Oklahoma.

Donald Trump, ehemaliger Präsident der USA, schaut zu beim Finale der NCAA Wrestling Championships im BOK Center in Tulsa, Oklahoma.

Donald Trump versucht, den drohenden Prozess wegen seiner Schweigegeldzahlungen an den Porno-Star Stormy Daniels als politische Intrige darzustellen.

Donald Trump versucht, den drohenden Prozess wegen seiner Schweigegeldzahlungen an den Porno-Star Stormy Daniels als politische Intrige darzustellen und damit seine Anhänger aufzuwiegeln. Während Sicherheitskräfte gewaltsame Proteste fürchten, solidarisieren sich führende Republikaner mit dem Ex-Präsidenten.

Nach vollbrachter Tat bestieg er am Nachmittag seine private Boeing 757, ließ sich von seinem Anwesen in Florida zur Wrestling-Meisterschaft nach Tulsa fliegen und posierte dort in Boxerpose für die Fotografen. Zuvor hatte es Donald Trump allen „teuflischen“ Kräften gezeigt, die das Land zerstören wollen, vor allem aber jenem „korrupten“ Staatsanwalt, der den „bei weitem führenden republikanischen Kandidaten“ fürs Weiße Haus angeblich fertig machen will. „Protestiert! Holt Euch unsere Nation zurück!“, hetzte der Ex-Präsident seine Anhänger auf.

Donald Trump behauptet, er werde diese Woche festgenommen

Um kurz nach sieben Uhr am Samstagmorgen war die wilde Tirade auf Trumps Propagandaplattform „Truth Social“ mit zwei wilden Postings in Großbuchstaben losgebrochen. „Unsere Nation ist nun Dritte Welt und stirbt“, begann die aberwitzige Eruption, in deren zweitem Teil Trump behauptet, er solle an diesem Dienstag verhaftet werden, bevor er in einem dritten Stück mit apokalyptischen Bildern noch einmal „PROTEST, PROTEST, PROTEST!!!“ fordert.

Unsere Nation ist nun Dritte Welt und stirbt
Donald Trump

Wie so oft bei Trump, sind narzisstischer Wahn, wirre Lügen, extremistische Lockrufe und eine Spur von Wahrheit nicht leicht voneinander zu trennen. Was stimmt, ist, dass der Bezirksstaatsanwalt von Manhattan, Alvin Bragg, seit einiger Zeit wegen der Schweigegeldzahlung Trumps an den Porno-Star Stormy Daniels ermittelt. Er hat eine sogenannte Grand Jury berufen, die Zeugen angehört und Beweise gesichtet hat. Nach Medienberichten stehen die Geschworenen vor dem Abschluss dieser Arbeit. Es gilt als wahrscheinlich, dass sie bald ein Verfahren gegen den Ex-Präsidenten eröffnen.

Trump dramatisiert die Anklage als „Verhaftung“

Das haben Trumps Anwälte dem 76-Jährigen offenbar berichtet und dabei den Dienstag als frühest denkbaren Zeitpunkt einer Anklage genannt. Tatsächlich gilt der Tag nach Recherchen der „New York Times“ als unwahrscheinlich, da die Geschworenen zuvor noch einen weiteren Zeugen hören wollen und die Anklage logistisch vorbereitet werden muss. Die Staatsanwaltschaft äußert sich nicht. Der Ex-Präsident pickte sich jedoch dieses Datum heraus, stellt es als Fakt dar und dramatisiert die Anklage als „Verhaftung“, obwohl seine Rechtsberater streuen, er werde sich mutmaßlich freiwillig bei den Behörden melden.

Der Vorgang, um den es in der Sache geht, ist im Vergleich zu Trumps Rolle beim Umsturzversuch am 6. Januar 2021 und der späteren Entwendung geheimer Unterlagen vergleichsweise marginal. Im Wahlkampf 2016 hatte Trumps damaliger Anwalt Michael Cohen 130.000 Dollar Schweigegeld an Stormy Daniels gezahlt. Cohen hat ausgesagt, dass er im Auftrag von Trump handelte, um eine Veröffentlichung über die zehn Jahre zurückliegende Affäre des damals frischverheirateten Immobilienmoguls mit dem Porno-Star zu verhindern, die Trump mutmaßlich Ärger mit Ehefrau Melania eingehandelt und bei christlichen Wählern geschadet hätte. Die Ausgabe wurde als Anwaltskosten abgerechnet. Nach Ansicht des Staatsanwalts hat das Vertuschen des Geldtransfers gegen Gesetze zur Parteienfinanzierung und Buchhaltungsvorschriften verstoßen.

Anklage könnte Trumps Reputation schaden

Die Aussicht, sich vor einem Gericht verantworten zu müssen, dürfte nicht nur Trumps übergroßes Ego extrem belasten. Es könnte ihm als erneutem Kandidaten für das Weiße Haus 2024 auch bei moderaten Wählern schaden. Der Rechtspopulist versucht daher, den Vorgang ins Gegenteil zu verkehren und zur Mobilisierung seiner Anhänger zu nutzen. Das Strafverfahren stellt er als politisch motivierte und von Präsident Joe Biden gesteuerte Kampagne dar, einen gefährlichen Wettbewerber auszuschalten.

„In Wahrheit sind sie nicht hinter mir, sondern hinter Euch her“, hämmert er seiner Basis in einem Werbespot ein. Für den kommenden Samstag hat er eine Kundgebung in Texas angekündigt. Zugleich unterzieht der De-facto-Parteichef andere führende Republikaner einem Loyalitätstest. Fraktionschef Kevin McCarthy hat sich ebenso wie die Abgeordnete Marjorie Taylor Greene und andere extreme Figuren schon solidarisiert. McCarthy kündigte an, das Parlament werde das „politisch motivierte Verfahren“ angreifen. Gleichzeitig startete die Trump-Kampagne eine Spendensammelaktion.

Sicherheitskräfte besorgt über Trumps Aufrufe zum Protest

Derweil sind Sicherheitskräfte besorgt über die „Protest“-Aufrufe Trumps. Sie erinnern in der Wortwahl fatal an seinen Appell „Seid da! Es wird wild“ vor dem Kapitolsturm am 6. Januar 2021. „Trump weiß um die Wirkung seiner Worte auf seine leidenschaftlichen Anhänger“, sagte die Professorin Mary McCord von der Georgetown Law School der „Washington Post“: „Sein Aufruf, ‚holt Euch unsere Nation zurück‘ ist nicht nur eine Bitte, sondern ein Freibrief für notfalls gewaltsames Handeln.“

Während Bezirksstaatsanwalt Bragg in einer Botschaft an die Beschäftigten versicherte, dass „Einschüchterungen unserer Beamten oder Drohungen gegen Recht und Ordnung in New York“ nicht geduldet würden, bereiten sich die Bundespolizei FBI und der Secret Service auf den Tag X vor. Die Absicherung des Justiz-Gebäudekomplexes mit 1600 Beschäftigten im Süden Manhattans sei ein „Alptraum“, werden Insider zitiert. Theoretisch müsste Trump hier seine Fingerabdrücke abgeben und ein Foto von sich aufnehmen lassen. Noch ist unklar, ob die Personalienfeststellung möglicherweise an einen anderen Ort verlegt wird.

Eine Nacht in U-Haft aber bleibt dem Ex-Präsidenten wohl erspart. Beobachter erwarten, dass er bis zu einem möglichen Urteil auf freiem Fuß bleiben kann.