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Ein Bauernhof, der keiner istEnthüllungen um Orbans Luxus-Anwesen bringen Premier in Bedrängnis

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Für den ungarischen Ministerpräsident Viktor Orban wird ein Handyvideo zum Problem (Archivbild)

Für den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban wird ein Handyvideo zum Problem (Archivbild)

Pools, prunkvolle Gärten und ein riesiger Bankettsaal, dabei lebt er offiziell nur auf einem Bauernhof. Der ungarische Regierungschef gerät in Bedrängnis.

Ein Bauernhof, der keiner ist: Offiziell ist der Landsitz der Familie Orban westlich von Budapest ein einfacher, historischer landwirtschaftlicher Betrieb. Doch ein Handyvideo des unabhängigen Abgeordneten Akos Hadhazy öffnet nun den Blick hinter die Mauern von Hatvanpuszta auf einen luxuriösen Palast, eingefasst von pompösen Parkanlagen und zwei Pools mit glitzerndem Wasser. Hunderttausendfach wurden die Aufnahmen binnen Stunden angesehen, kommentiert und geteilt – und konfrontieren Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orban mit Bildern, die kaum zu seiner Inszenierung als Anwalt der „einfachen Leute“ passen.

„Der Ministerpräsident lügt, wenn er sagt, dass dies ein landwirtschaftlicher Betrieb sei“, sagt Hadhazy im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Das ist unverkennbar ein äußerst luxuriöses Schloss.“

Das Video von Hadhazy

Der Abgeordnete deckt seit vielen Jahren Korruption in Ungarn auf und hatte das Anwesen vor wenigen Tagen ohne ausdrückliche Erlaubnis betreten und gefilmt. Schon zuvor veröffentlichte er Luftaufnahmen der Anlage. Allein die opulenten Gärten umfassen rund 7000 Quadratmeter und erstrahlen in sattem Grün. „Ich habe einen prächtigen Park gesehen, mit Ölpalmen und akkurat gemähtem Rasen. Das alles muss täglich mit Unmengen Wasser bewässert werden, sonst wäre es niemals so grün – hier in Ungarn.“ Die Pools seien offenbar aus Marmor, das Esszimmer eher ein Bankettsaal von fast 200 Quadratmetern. „Es ist durch und durch luxuriös“, sagt Hadhazy, der durch Fenster ins Innere schauen konnte. In den kommenden Tagen will er Baupläne mit weiteren Details veröffentlichen.

Seit Jahren kursieren Berichte, Orban selbst nutze Hatvanpuszta regelmäßig als privaten Rückzugsort, auch seine Frau soll dort häufig anzutreffen sein. In unmittelbarer Nähe liegt ein Golfplatz, der Nachbar – ein regierungsnaher Oligarch – hält Zebras und Antilopen. Immer wieder soll Orban Minister und hochrangige Politiker in Hatvanpuszta empfangen haben. Kritische Fragen wies er immer wieder zurück oder spielte die Vorwürfe herunter. Es sei ein Bauernhof, der ihm nicht einmal gehöre, sagte der Premier stets. Das Anwesen sei im Besitz seines 84-jährigen Vaters, der es 2011 erwarb.

Das Schloss blickt auf eine lange Geschichte zurück. Einst hatte Erzherzog Josef, ein Sohn von Kaiser Leopold II. und Bruder von Kaiser Franz, das Landgut angelegt. Große Teile stehen daher eigentlich unter Denkmalschutz. Orbans Vater erhielt zwar eine Genehmigung für die denkmalgerechte Restaurierung des landwirtschaftlichen Betriebs, doch laut Hadhazy wurden die historischen Gebäude dem Luxus-Komplex geopfert.

Video von Hatvanpuszta hat mehr als eine Million Aufrufe

In Ungarn kennt jeder Hatvanpuszta. Für viele ist es längst ein Symbol für Machtmissbrauch den Kontrast zwischen Orbans Reden und der Realität seines Regierens. „Orban spürt, dass der Druck wächst“, sagt Hadhazy dem RND, nachdem sein Video mehr als eine Million Aufrufe erhielt. Bisher habe der Premier versucht, die kritischen Fragen zum Luxus-Anwesen der Familie totzuschweigen, doch inzwischen werde auch aus der eigenen Wählerschaft Kritik laut. Nur so kann sich der ungarische Abgeordnete erklären, dass Orban seinen Vater zu einem Interview geschickt hat und auch selbst etwas mehr über das Anwesen spricht. „Alles Lügen“, habe Orban entgegnet, und überhaupt sei die Restaurierung noch gar nicht abgeschlossen.

Auf dem Anwesen gibt es offenbar auch eine riesige Bibliothek und eine ausladende Galerie, die 140 Quadratmeter umfasst. Zehn geräumige Gästewohnungen befinden sich ebenfalls auf dem Grundstück. Orbans 84-jähriger Vater hat in dem Interview offenbar auch Informationen preisgegeben, die selbst für Hadhazy neu waren.

So seien angeblich noch weitere Zimmer für Studenten vorgesehen. Dass jemals ein Student in dem prunkvollen Palast übernachten wird, hält der Oppositionspolitiker allerdings für ausgeschlossen.

Oppositionspolitiker erhebt schwere Vorwürfe gegen Orban

Woher das Geld für ein Anwesen dieser Dimension stammt, ist unklar. Orban verweist auf die guten Geschäfte seines Vaters. Dabei hatte sich dieser in einem Interview vor Jahrzehnten noch beklagt, seine Steinbrüche brächten nur vier bis fünf Prozent Gewinn. Seit Orban an der Macht ist, sollen es laut Hadhazy 40 bis 50 Prozent sein. Er wirft dem Vater des Premiers vor, Steine bei öffentlichen Aufträgen zu überhöhten Preisen verkauft zu haben. Es sind Bauprojekte, die oft von der EU mitfinanziert wurden. „Es ist offensichtlich, dass dieses Schloss teilweise von europäischen Steuerzahlern bezahlt wurde“, sagt Hadhazy.

Ungarn gilt nach Einschätzung von Transparency International als das korrupteste Land der Europäischen Union. Die EU-Kommission ist äußerst besorgt und hat wegen schwerwiegender Vorwürfe derzeit 19 Milliarden Euro eingefroren, die eigentlich nach Budapest fließen sollten. Orbans Regierung weist die Anschuldigungen zurück.

Für den Premierminister kommen die Enthüllungen zur Unzeit, denn im Land beginnt der Wahlkampf für die Parlamentswahlen im Frühling. In Umfragen liegt die neugegründete Tisza-Partei des EU-Abgeordneten Peter Magyar deutlich vor Orbans Fidesz-Partei. Magyar kündigte nach einer Protestaktion an Orbans Landgut an, im Fall eines Regierungswechsels sofort eine Untersuchung über das Vermögen von Viktor Orban und seiner Familie einzuleiten – mit besonderem Augenmerk auf Hatvanpuszta.