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„Es ist nicht sein Haus“Trump schwärmt von Prunksaal-Bau – Viele Amerikaner sind schockiert

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US-Präsident schwärmt von einem Versailles-ähnlichen goldenen Prunksaal, der künftig den historischen Ostflügel des Weißen Hauses ersetzen soll.

US-Präsident schwärmt von einem Versailles-ähnlichen goldenen Prunksaal, der künftig den historischen Ostflügel des Weißen Hauses ersetzen soll.

Ohne Genehmigung lässt Donald Trump in einer Nacht- und Nebelaktion den kompletten Ostflügel des Weißen Hauses niederreißen. Ein privat finanzierter Versailles-ähnlicher goldener Prunksaal soll dort entstehen.

Es ging um Krieg und Frieden, um Leid und Zerstörung im Osten Europas, als Nato-Generalsekretär Mark Rutte am Mittwochnachmittag im Oval Office mit Donald Trump zusammentraf. Doch ein Architektur-Modell auf dem Couchtisch des güldenen Regierungssitzes ließ schon erahnen, dass der amerikanische Präsident in Gedanken bei einem ganz anderen, nur wenige Meter entfernten Trümmerfeld war, das er höchstpersönlich zu verantworten hat.

Nur ein paar Minuten kreisten die Fragen um (angekündigte) Sanktionen gegen Russland und (abgesagte) Tomahawk-Lieferungen an die Ukraine. Dann lenkte der Hausherr die mediale Aufmerksamkeit schnell auf sein aktuelles Lieblingsprojekt: „Das wird der großartigste Ballsaal werden, der je gebaut wurde“, schwärmte er: „Niemand hat jemals so etwas gesehen.“ Das Gesicht von Außenminister Marco Rubio wirkte versteinert.

Trump reagiert dünnhäutig auf Fragen: „Sie sind ein drittklassiger Reporter“

Zum Ukraine-Krieg hatte Trump ein paar Stanzen abgesondert. Jetzt redete er voller Leidenschaft: „Es gibt nichts Vergleichbares. Das Interieur wird von höchster Klasse sein“. Als Beleg wedelte er mit Bauplänen und Computergrafiken, auf denen ein mächtiges Gebäude mit goldenen Säulen und Lüstern zu erkennen war. Einen Journalisten, der eine kritische Frage stellte, fuhr er an: „Sie sind ein drittklassiger Reporter.“

Dabei sind Fragen mehr als angebracht angesichts der Nacht- und Nebel-Aktion, in der Trump gerade den historischen Ostflügel des Weißen Hauses abreißen und in einen Versailles-ähnlichen Prunksaal für seine Golf-Buddies verwandeln lässt. Am Montag veröffentlichte die „Washington Post“ erste Fotos von Bulldozern, die eine Außenmauer malträtierten. Schon am Wochenende dürfte von dem Gebäude nichts mehr übrig sein.

Nato-Generalsekretär Mark Rutte (l.) sitzt im Oval Office mit US-Präsident Donald Trump (m.) und US-Außenminister Marco Rubio zusammen.

Nato-Generalsekretär Mark Rutte (l.) sitzt im Oval Office mit US-Präsident Donald Trump (m.) und US-Außenminister Marco Rubio zusammen.

Der Turbo-Abriss widerspricht früheren Trump-Versprechungen, er wurde von den Behörden nicht genehmigt, wird das Aussehen des Weißen Hauses dauerhaft verändern und unbekannte Kosten verursachen. Noch im Juli hatte Trumps Sprecherin Karoline Leavitt versichert: „Nichts wird abgerissen werden“. Damals war von 200 Millionen Dollar Kosten die Rede. Am Mittwoch sprach Trump beiläufig von 300 Millionen Dollar. Wahrscheinlich ist auch diese Zahl gegriffen.

Aufregung in den USA – „Abrissbirne der Demokratie“

Entsprechend groß ist die öffentliche Aufregung. In Washington gibt es seit Tagen kaum ein anderes Gesprächsthema. Alle großen Zeitungen haben Fotos auf den Titelseiten veröffentlicht. Im Fernsehen wird rund um die Uhr berichtet. Ein Bericht der „Washington Post“ über den Neubau provozierte in wenigen Stunden 6800 Online-Kommentare. Fast alle waren negativ. Viele bemerkten, dass man die Metapher vom Präsidenten als „Abrissbirne der Demokratie“ kaum besser illustrieren könne.

„Es ist nicht sein Haus. Es ist unser Haus. Und er zerstört es“, empörte sich auch Ex-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton. Die vom Kongress eingesetzte Denkmalschutz-Stiftung National Trust for Historic Preservation schlug Alarm: Das weltbekannte Hauptgebäude des Weißen Hauses drohe durch den künftig doppelt so großen East Wing optisch „erdrückt“ zu werden und forderte einen Baustopp, „bis das offizielle Genehmigungsverfahren durchlaufen ist“.

Doch daran denkt Trump gar nicht. Die zuständige National Planning Commission hat er ohnehin mit einem loyalen Beamten auf Kurs gebracht. Sie arbeitet wegen des Shutdowns derzeit gar nicht. Derweil schafft der Möchtegernautokrat erneut Fakten. „Der East Wing hat eh nicht viel hergemacht“, behauptete er. Im Übrigen würden er persönlich „und ein paar Freunde“ den Neubau bezahlen. Namen nannte er nicht.

Ein Modell des künftigen Weißen Hauses: Laut der Denkmalschutz-Stiftung National Trust for Historic Preservation droht das weltbekannte Hauptgebäude des Weißen Hauses durch den künftig doppelt so großen East Wing optisch „erdrückt“ zu werden.

Ein Modell des künftigen Weißen Hauses: Laut der Denkmalschutz-Stiftung National Trust for Historic Preservation droht das weltbekannte Hauptgebäude des Weißen Hauses durch den künftig doppelt so großen East Wing optisch „erdrückt“ zu werden.

Tatsächlich stand der East Wing stets im Schatten des bekannteren West Wings mit dem Oval Office an der anderen Seite. Er wurde - zunächst einstöckig - erst 1902 dem Hauptgebäude des Weißen Hauses angefügt und 1942 um eine Etage aufgestockt, um die Büros der Präsidentengattin und des Militärdienstes zu beherbergen.

Mehrheit der Amerikaner gegen Abriss des Ostflügels

Trotzdem ist das klassizistische Gebäude Millionen Amerikanern ein Begriff. Dort begannen nämlich die Besuchertouren des Weißen Hauses, die durch die ikonografischen Kolonnaden am Jacqueline Kennedy Garden vorbei zum Haupthaus führten.

Damit ist es nun vorbei. Alle Führungen sind auf unbestimmte Zeit abgesagt. Der neue East Wing ist nicht als Foyer, sondern als repräsentativer Prunksaal für ausländische Staatschefs und inländische Großspender gedacht, deren Namen Trump nach US-Medienberichten im Gemäuer eingravieren lassen will.

„Die Besprechungen sind großartig“, preist der Immobilienmogul das Projekt an, das dem Weißen Haus für immer seinen Stempel aufdrücken soll. In Wahrheit sind gerade einmal 24 Prozent der Amerikaner laut einer aktuellen YouGov-Umfrage mit dem Abriss einverstanden, während ihn 53 Prozent ablehnen. Angesichts der goldenen Verkitschung des Oval Office und der Pflasterung des Rose Garden glauben viele Kommentatoren, das einst ehrwürdige Weiße Haus solle zu einer Washingtoner Kopie von Trumps neureichem Club Mar-a-Lago in Florida werden. „Was kommt als nächstes?“, fragte ein „Washington Post“-Leser sarkastisch: „Rosa Flamingos auf dem Rasen?“