Mit dem Einsatz der Nationalgarde in Los Angeles bricht Donald Trump wohl absichtlich ein Tabu und eskaliert den Konflikt.
Eskalation in Los AngelesEin Brandstifter als Ordnungshüter


Rauch liegt in der Luft, als Demonstranten sich mit CHP-Beamten anlegen, nachdem sie den 101 Freeway in der Innenstadt besetzt haben, um gegen die Durchsuchung von Einwanderern zu protestieren.
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Vor gut vier Jahren zog ein rechter Mob vom Weißen Haus in Richtung Kapitol. Dort schlugen die teils bewaffneten Krawallmacher Fenster und Türen ein und bedrohten Abgeordnete. Mehr als 100 Polizisten wurden verletzt. Der damalige Präsident hieß Donald Trump. Erst am Abend konnte er sich dazu durchringen, die Aufrührer zum Rückzug aufzufordern. Inzwischen hat er sie alle begnadigt.
Unwillkürlich drängt sich der Vergleich zu dem Putschversuch auf, wenn man das Agieren des selbsternannten Vorkämpfers von „Law and Order“ gerade in Los Angeles beobachtet. Da hat er gegen den ausdrücklichen Willen des Gouverneurs 2000 Nationalgardisten aktiviert, weil es seit Freitag neben friedlichen Protesten auch einzelne gewalttätige Ausschreitungen gab.

Soldaten der kalifornischen Nationalgarde feuern Tränengas und Gummigeschosse auf Demonstranten.
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Los Angeles beschäftigt fast 9000 Polizisten, im Bundesstaat Kalifornien gibt es 75.000 uniformierte Gesetzeshüter. Schon diese Dimensionen nähren ernste Zweifel, dass die Mobilmachung der Reserve-Armee nötig oder hilfreich ist.
Proteste als Reaktion auf Abschiebungen
Doch gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen dem Kapitolsturm und den Unruhen in Los Angeles: Damals waren Trumps Anhänger für den Krawall verantwortlich. Nun protestieren Unterstützer von Migranten, die inoffiziell geduldet seit Jahren ohne Aufenthaltserlaubnis in den USA leben und arbeiten. Rund ein Drittel der Bewohner der Region stammt aus Lateinamerika.
Wer keine Papiere hat, soll plötzlich mit martialischen Razzien aufgespürt und abgeschoben werden. Das alles spielt in einem überwiegend linksliberalen Bundesstaat, dessen Gouverneur Gavin Newsom als möglicher Bewerber für die demokratische Präsidentschaftskandidatur 2028 gilt. Eine bessere Kulisse für einen Showdown kann sich Trump kaum vorstellen.
Trump vor möglichem Tabubruch
Dass der Präsident die Nationalgarde für den militärischen Einsatz im Landesinneren mobilisiert, steht auf juristisch extrem wackligen Grund. Vor mehr als 60 Jahren hat es zuletzt – freilich unter ganz anderen Vorzeichen – einen ähnlichen Fall gegeben. Wirklich beunruhigend aber ist Trumps mögliche Begründung dieses Tabubruchs. Bislang sollen die Reserve-Soldaten nur Gebäude und Personal schützen.
Doch der Möchtegerndiktator spielt unverhohlen mit dem Gedanken, den „Insurrection Act“ von 1807 zu bemühen, einen Ausnahmezustand, der die Armee zur Niederschlagung der (überwiegend friedlichen) Proteste ermächtigen würde.
Der Gedanke ist beängstigend, aber nicht neu: Den Plan hatte Trump schon während der George Floyd-Proteste 2020. „Können wir nicht einfach auf die schießen?“, fragte er damals seinen Verteidigungsminister Mark Esper. Der lehnte entschieden ab. Der aktuelle Amtsinhaber Pete Hegseth hingegen versetzt im vorauseilenden Gehorsam bereits Marineinfanteristen in Alarmbereitschaft. So kann die Lage in Los Angeles jederzeit explodieren. Und Trump gießt kräftig Öl ins Feuer. (rnd)