Givat Haviva„Jetzt erst recht notwendig, für den Frieden einzutreten“

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Zwei Frauen, eine Palästinenserin und eine Israelin, auf einem gemeinsamen Porträt.

Eine Israelin und eine Palästinenserin bei einem gemeinsamen Fotoprojekt für Givat Haviva.

Givat Haviva ist das größte Friedenszentrum in Israel. Ruth Ratter ist Vorsitzende des Freundeskreises in Deutschland. Sie erzählt, wie sie die Zeit um den Start des Hamas-Terrors erlebt hat.

Am 7.10. besuchte ich eine kommunalpolitische Klausurtagung. Deshalb habe ich erst in der Mittagspause vom barbarischen Terror der Hamas erfahren. Natürlich waren meine ersten Gedanken bei den Menschen, die ich in der Region kenne. Ich versuchte, in Erfahrung zu bringen, ob sie unmittelbar betroffen sind. Vom Ausmaß der Gräueltaten habe ich erst aus den Abendnachrichten erfahren. Da hörte ich auch das Statement Benjamin Netanjahus, dem unschwer zu entnehmen war, dass die Kriegshandlungen alles übertreffen würden, was in den vergangenen zehn Jahren an Massakern stattgefunden hat.

Dass sich die israelische Regierung erst am Nachmittag an die israelische Bevölkerung gewandt hat, muss die Menschen stark verunsichert haben. Die Mobilmachung der 300.000 Reservistinnen und Reservisten machte dann endgültig schlimmste Befürchtungen wahr.

„Der Cousin unseres Programmdirektors leistete Erste Hilfe und wurde ermordet“

Erst einige Tage später habe ich erfahren, dass Awad Darawshe, ein Cousin des Programmdirektors von Givat Haviva, ein Ambulanzfahrzeug bei dem Supernova-Festival gefahren war. Er leistete Erste Hilfe und fühlte sich sicher, weil er Araber war. Er galt zunächst als vermisst. In den Tagen darauf kam die Nachricht, dass er ermordet worden war.

Ruth Ratter von Givat Haviva Deutschland e.V.

Ruth Ratter von Givat Haviva: „Auch die Angst vor einem Bürgerkrieg ist in Israel groß.“

Am Montag, zwei Tage nach den Attacken, bekamen wir die ersten konkreten Informationen, denen zu entnehmen war, dass die Kämpfe um die Kibbutzim im Süden immer noch anhielten. Bis Dienstag hatten wir das Gefühl von Schockstarre. Die lähmende Angst lag vor allem in der Befürchtung, dass die Hamas nicht nur einen unmenschlichen Krieg am Gazastreifen entfesselt hatte, sondern dass auch die Hisbollah sich vom Libanon aus anschicken könnte, Israel anzugreifen. Dazu kam und kommt nach wie vor die Gefahr eines Bürgerkriegs.

Schüler nach Hause geschickt, um Platz für Evakuierte zu schaffen

Am Mittwoch kam dann der Rundbrief, dem zu entnehmen ist, dass Givat Haviva die Schüler nach Hause geschickt hat, ausländische Mitschüler wurden mit aufgenommen, damit Platz war für 260 Evakuierte aus dem Süden. Zudem hatte die Direktion beschlossen, die Dialoge mit arabischen und jüdischen Verwaltungen in den „gemischten Städten„ wie Yafo, Haifa u.a. weiter zu entwickeln.

Das ist für uns als deutscher Freundeskreis Ansporn, um finanzielle Unterstützung bei allen zu suchen, die weiterhin auf die Möglichkeit einer Verständigung setzen. Gerade weil die israelische Regierung ihre Unterstützung der NGOs vor Ort und namentlich Givat Havivas zurückfährt, ist es vonnöten, die Mehrkosten von Givat Haviva für die Unterbringung und Versorgung der Traumatisierten, das sind täglich etwa 25.000 Euro, aufzufangen.

Wir sind als deutscher Freundeskreis davon überzeugt, dass es nun jetzt erst recht notwendig ist, für den Frieden einzutreten. Zudem darf der Dialog zwischen jüdischen und arabisch-palästinensischen Israelis nicht abreißen. Hier ist Givat Haviva als ältestes und größtes Friedenszentrum notwendiger denn je. Dabei steht für mich außer Frage, dass Menschenrechte nicht verhandelbar sind und dass eine Lösung, die das Selbstbestimmungsrecht von Palästinensern und Israelis verwirklicht, nur gemeinsam mit den jeweiligen Nachbarn und der internationalen Gemeinschaft zu erreichen ist.

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