Im Iran zum Tode verurteilt„Sie haben uns im Stich gelassen“ – Tochter von Jamshid Sharmahd macht Berlin Vorwürfe

Lesezeit 5 Minuten
Jamshid und Gazelle Sharmahd.

Jamshid und Gazelle Sharmahd.

Jamshid Sharmahd ist zum Tode verurteilt worden. Seine Tochter kritisiert die Bundesregierung. Baerbock kündigt unterdessen eine „deutliche Reaktion“ an. 

Es ist eine schreckliche Nachricht, doch für seine Angehörigen kommt sie nicht überraschend: Der Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd ist iranischen Medienberichten zufolge am Dienstag zum Tode verurteilt worden. Bereits am 10. Januar hatte der letzte Prozesstag stattgefunden, seitdem war das Urteil erwartet worden. Bereits vor Bekanntwerden des Urteils am Dienstag warf Sharmahds Tochter Gazelle der Bundesregierung vor, sich nicht ausreichend für ihren Vater eingesetzt zu haben. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International bezeichnen das Verfahren gegen Sharmahd unterdessen als Scheinprozess.

Schon im Januar hatte Sharmahds Tochter auf die Lage ihres Vaters aufmerksam gemacht und sich mit eindringlichen Worten an Bundeskanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock gewandt. „Ich möchte wenigstens mit meinem Vater reden, bevor er hingerichtet und ermordet wird“, erklärte Gazelle Sharmahd in einem Video, das sie in sozialen Netzwerken veröffentlicht hatte. „Wie kann es sein, dass er seit fast 1000 Tagen in Isolationshaft ist, gefoltert wird, hingerichtet werden soll – und Sie sagen kein Wort dazu?“

Laut Auswärtigem Amt hat sich die Bundesregierung für Jamshid Sharmahd eingesetzt

Auf Nachfrage hieß es dazu aus dem Auswärtigen Amt, die Bundesregierung habe sich wiederholt und hochrangig für Sharmahd eingesetzt und werde das auch weiterhin tun. Die Todesstrafe sei unter allen Umständen inakzeptabel, die Verhängung im Fall von Jamshid Sharmahd würde ernsthafte Folgen für die bilateralen Beziehungen haben, hieß es weiter.

Die undatierte Aufnahme zeigt den Deutsch-Iraner Djamshid Sharmahd in einem Teheraner Revolutionsgericht. Sharmahd ist in einem umstrittenen Prozess zum Tode verurteilt worden.

Die undatierte Aufnahme zeigt den Deutsch-Iraner Djamshid Sharmahd in einem Teheraner Revolutionsgericht. Sharmahd ist in einem umstrittenen Prozess zum Tode verurteilt worden.

Für Gazelle Sharmahd reichen die bisherigen Bemühungen der Bundesregierung jedoch nicht aus. „Das Auswärtige Amt hat mir genau das Wort für Wort seit zweieinhalb Jahren erzählt“, erklärte sie Ende Januar im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger". „Ich habe ihnen als gutgläubige Bürgerin geglaubt. Ich habe meiner Regierung vertraut, dass sie alles tun, um uns Bürger vor Terror, Mordanschlägen, Entführung, Folter, Propaganda, Scheinprozessen und Staatsmord durch Hinrichtungen zu beschützen.“ Dennoch habe sich an der Situation ihres Vaters in den letzten beiden Jahren nichts geändert.

Ihm wurden sämtliche Menschenrechte geraubt
Gazelle Sharmahd, Tochter von Jamshid Sharmahd

„Ihm wurden sämtliche Menschenrechte geraubt, er wurde seiner körperlichen und psychischen Gesundheit beraubt, seiner Stimme beraubt, seiner Würde, seiner Hoffnung, und bald soll ihm auch der letzte Atemzug geraubt werden“, führte Gazelle aus.

Tochter von Jamshid Sharmahd wirft Auswärtigem Amt „diplomatische Ausreden“ vor

In den Worten des Auswärtigen Amts sehe sie bloß „diplomatische Ausreden“, erklärte Gazelle Sharmahd Ende Januar. „Wenn wir im eigenen Land verfolgt, entführt und misshandelt werden, dann müssen wir auf den Schutz der Regierung vertrauen.“ Man müsse darauf vertrauen können, „dass unser Leben mehr wert ist als jedes wirtschaftliche oder politische Interesse“, so Sharmahd. „Dieses Vertrauen habe ich verloren.“

Am Dienstag kündigte Außenministerin Annalena Baerbock auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ schließlich eine „deutliche Reaktion“ an. „Das Todesurteil gegen Jamshid Sharmahd ist absolut inakzeptabel. Nicht nur ist die Todesstrafe grausam, unmenschlich und erniedrigend, Jamshid Sharmahd hatte auch zu keinem Zeitpunkt nur den Ansatz eines fairen Prozesses: Er hatte keinen Zugang zu einem frei gewählten Rechtsbeistand. Die öffentliche Zurschaustellung von Herrn Sharmahd kam einer Vorverurteilung gleich“, teilte die Außenministerin mit.

Annalena Baerbock kündigt „deutliche Reaktion“ an

„Wir haben uns seit seiner unter höchst fragwürdigen Umständen zustande gekommenen Festnahme immer wieder und hochrangig für Herrn Sharmahd eingesetzt. Diese intensiven Bemühungen wurden von Iran missachtet, der konsularische Zugang und auch der Zugang zu den Prozessterminen wurden uns immer wieder verweigert“, erklärte die Außenministerin. „Wir fordern Iran dazu auf, diese Mängel im Berufungsverfahren abzustellen, das Urteil entsprechend zu korrigieren und von der Todesstrafe abzusehen.“ 

Zuletzt hatten sich mit Friedrich Merz und Norbert Röttgen jedoch zwei CDU-Politiker für Sharmahd öffentlich starkgemacht. Merz übernahm eine politische Patenschaft für den Deutsch-Iraner, Röttgen forderte unterdessen mehr Einsatz von der Bundesregierung – und wiederholte diese Forderung nun erneut.

„Jamshid Sharmahd ist deutscher Staatsbürger. Er wurde vom Regime in den Iran entführt und nun zum Tode verurteilt - auch um Deutschland unter Druck zu setzen“, schrieb Röttgen bei Twitter. „Die Bundesregierung muss jetzt unmissverständlich klarmachen, dass sie dieses Willkürurteil nicht akzeptiert und um das Leben von Sharmahd kämpfen“, fügte Röttgen an.

Im Sommer 2020 vom iranischen Geheimdienst festgenommen

Der Aktivist Sharmahd wurde im Sommer 2020 Berichten zufolge vom iranischen Geheimdienst in Dubai festgenommen und in den Iran gebracht. Seitdem ist er in Teheran inhaftiert. Zuvor lebte Sharmahd jahrelang in den USA.

In den 80er Jahren kam die Familie nach Deutschland und lebte 16 Jahre lang in Hannover. 2003 zog die Familie in den US-Bundesstaat Kalifornien. Sharmahd engagierte sich in USA als Regimekritiker, so schildert es die Tochter – und wurde so zum Feind des Regimes in Teheran.

Ein Mordversuch im Jahr 2009 in den USA habe vereitelt werden können, berichtet Gazelle, dann aber sei Sharmahd auf einer Geschäftsreise im Jahr 2020 entführt und in den Iran verschleppt worden – seitdem ist er inhaftiert. Das Regime wirft ihm „Korruption auf Erden“ und die Beteiligung an einem Terroranschlag vor. Seine Familie und Menschenrechtsgruppen wiesen die Vorwürfe gegen ihn in der Vergangenheit zurück.

Tochter fordert mehr Einsatz von der Bundesregierung

Während seiner Inhaftierung sei Jamshid Sharmahd gefoltert worden, so dass ihm „die Zähne ausgefallen sind, dass er 20 Kilo Gewicht verloren hat, dass er nicht mehr richtig gehen kann, er kann kaum noch richtig atmen“, berichtete Tochter Gazelle Sharmahd im Januar, was ihrem Vater in Haft widerfahren sei, und forderte mehr Einsatz von der Bundesregierung. „Nutzen Sie Deutschlands Wirtschaftsmacht aus – Deutschland ist der größte Handelspartner der islamischen Regierung.“

Nun scheint die Zeit knapp zu werden. Im Zuge der landesweiten Revolutionsbewegung im Iran hat das Regime in Teheran in den vergangenen Monaten bereits mehrere Menschen hingerichtet, meist kurz nachdem die Urteile – oft ebenfalls wegen „Korruption auf Erden“ – bekanntgegeben worden waren. Deutschland hatte die Hinrichtungen in der Vergangenheit scharf kritisiert.

Zu Jamshid Sharmahd äußerte sich die Bundesregierung derweil bisher nicht öffentlich. „Sie haben uns im Stich gelassen“, sagt seine Tochter.

KStA abonnieren