In der aktuellen Ausgabe seiner Kolumne, schreibt Klaus Larres, deutscher Historiker und Politikwissenschaftler, wieso die USA unter Trump auf der Kippe stehen.
Kolumne LarresDie USA auf der Kippe

Eine Frau mit mehreren Flaggen geht an einem brennenden Auto vorbei, während sie gegen die Razzien der Trump-Regierung gegen Einwanderer in Los Angeles protestiert.
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Die guten Botschaften zuerst: In der nun schon seit Monaten durch die Trump-Administration verursachte Krisensituation zeigt ein Blick in die amerikanische Geschichte, dass das Land recht robust ist. Es hat die Große Depression von 1929, den Ost-West-Konflikt nach 1945 wie auch die tiefen gesellschaftlichen Spaltungen durch den Vietnamkrieg letztlich gut überstanden. Auch mit der Terrorattacke vom 11. September 2001, der tiefen Finanzkrise von 2008/2010 und der Covid-Pandemie sind die USA fertig geworden. Das drittgrößte Land der Erde verfügt über ungeheuer viele natürliche Ressourcen, die ihm immer wieder geholfen haben, die vielen tiefen Krisen seiner turbulenten Geschichte zu meistern.
Nun versucht die Trump-Administration gerade, den führenden Universitäten des Landes das Wasser abzugraben. Doch auch und gerade hier gilt: Die USA verfügen nach wie vor über eine große Anzahl kreativer, innovativer, gleichermaßen individualistisch wie demokratisch gesinnter Bürgerinnen und Bürger. Sie sind, wie jetzt die Ereignisse in Los Angeles zeigen, keinesfalls gewillt, dem Aufbau eines autoritären Polizeistaates passiv zuzusehen. Auch die Militärparade in Washington an Trumps Geburtstag kam insgesamt nicht gut an. Vergessen sollte man überdies nicht, das von den bei den Präsidentschaftswahlen im November 2024 abgegebenen 152 Millionen Stimmen nur eine knappe Mehrheit von 2,3 Millionen auf Donald Trump entfielen. 1,5 Prozent der US-Wähler gaben den Ausschlag für Trump. Von ihnen sind mittlerweile viele von Trumps chaotischer Politik sehr enttäuscht.
Die Mitte in den USA hat sich nach rechts verschoben
In der Zwischenzeit ist auch der Demokratischen Partei ein Licht aufgegangen, und sie beginnt, sich von einer überzogenen Identitätspolitik der letzten Jahre auf die Mitte des politischen Spektrums zuzubewegen. Im Vergleich zu Deutschland ist diese Mitte in den USA deutlich nach rechts verschoben. Die USA sind, ob man das gutheißt oder nicht, einfach mehrheitlich ein sehr konservatives Land. Auch wenn viele in der Demokratischen Partei hoffnungsvoll auf die Zwischenwahlen im November 2026 schauen – die nächsten Präsidentschaftswahlen finden erst zwei Jahre danach statt.
Bis dahin und bis zu einem möglichen Sieg eines demokratischen Bewerbers wird es noch ein langer, aber durchaus nicht aussichtsloser Weg sein. Und hier nun die schlechte Nachricht: Die USA und ihre freiheitlich-demokratische Ordnung stehen klar auf der Kippe. Die Trump-Administration ähnelt immer mehr der inkompetenten und chaotischen Regierung einer autokratischen, korrupten Bananenrepublik. Trump selber verhält sich zunehmend so, wie es dem Stereotyp eines rücksichtslosen und opportunistischen, gelegentlich aber auch gutmütigen Mafiabosses entspricht. Drei Faktoren sind besonders auffällig.
Trump agiert immer spontan
1. Die Berichterstattung über das Chaos der Trump-Administration versucht in der Regel krampfhaft, der Politik des Präsidenten eine gewisse strategische Logik und Rationalität unterzujubeln. Das ist nicht gerechtfertigt. Trump hat keine Strategie. Nur sein ideologisches Ziel ist klar, und das verfolgt er stur. Trump möchte die USA in einen rechtsextremen und autokratisch regierten Staat umfunktionieren, der sich ganz und gar an nationalistischen und protektionistischen Leitlinien orientiert und auch klare rassistische Züge aufweist. Bekannterweise hat Trump große Sympathien für die Autokraten unserer Zeit und hält nicht viel von den meisten demokratischen Regierungschefs in Europa und anderswo. Aber eine durchdachte Strategie, um sein Ziel zu erreichen, hat er nicht.
Trump agiert immer recht spontan. Sich bietende Gelegenheiten nutzt er eiskalt und gnadenlos aus. Die Proteste in Los Angeles gegen die Deportationen illegaler Einwanderer gaben ihm unverhofft die Möglichkeit, die geballte Polizei- und Militärgewalt der Bundesregierung gegen das liberale Kalifornien aufzufahren, das ihm schon lange ein Dorn im Auge ist. Dabei wurde die Ausweitung der anfänglich recht kleinen Proteste erst durch den völlig unnötigen Einsatz der Nationalgarde und einer 700 Mann starken Elitetruppe des Militärs provoziert.
Ähnlich verhält es sich mit Trumps Zollpolitik. Eine rationale, klug durchdachte Handelspolitik der USA gibt es derzeit nicht. Zölle werden recht willkürlich auf schwindelerregende Höhen angehoben, um mit der enormen Wirtschaftskraft der USA andere Handelsnationen an die Wand zu fahren. Nur wenn die Finanzmärkte gefährlich wackeln oder wenn China ernsthafte Gegenmaßnahmen trifft und die für die amerikanische Militär- und Industrieproduktion so wichtigen Exporte Seltener Erden drastisch zurückschraubt, gibt Trump nach. Das wird dann vom Weißen Haus als schon immer so geplante, weise Strategie dargestellt.

Klaus Larres, deutscher Historiker und Politikwissenschaftler, ist regelmäßig als Kolumnist für den Kölner Stadt-Anzeiger tätig.
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Großer Respekt vor „Recht und Ordnung“
2. Die meisten Menschen in den USA haben großen Respekt vor „Recht und Ordnung“ und relativ großes Vertrauen in eine unabhängige, neutral agierende Staatsgewalt, einschließlich der Steuerbehörde. Polizisten, Feuerwehrleute, Soldaten und Offiziere genießen große Anerkennung. Auch dem Amt des Präsidenten bringen die meisten Amerikaner eine fast heroisierende Verehrung entgegen, was vielleicht auch etwas mit der schon lange bestehenden Celebrity-Kultur des Landes zu tun hat.
Trump nutzt das voll aus. Als unübertroffener Selbstdarsteller geht er geschickt mit den Medien aller Art um, überflutet sie mit immer neuen Ereignissen und Stellungnahmen. Mit seinen vielen, oftmals illegalen präsidialen Verordnungen dominiert er unablässig die Tagespolitik. Trump stellt sich dabei gerne wie ein feudaler Herrscher dar, dem es nur um das Wohl der Untertanen gehe. Die Gerichte kommen kaum noch nach, all die juristischen Anfechtungen seiner Verordnungen zu bearbeiten – und im Ergebnis oft gegen den Präsidenten zu entscheiden.
Trump behandelt USA wie Familienbesitz
3. Trump geht mit den USA um, als handelte es sich um Familienbesitz. Es geht ihm darum, das Land abzuzocken und sich so viele dauerhafte finanzielle Vorteile wie möglich zu verschaffen. Unter Trump ist das Präsidentenamt käuflich und korrupt geworden. Seine zwei Söhne und sein Schwiegersohn Jared Kushner reisen um die Welt, um Trump-Resorts zu bauen und Investitionen für ihre weit verzweigten, aber sehr undurchsichtigen Firmennetzwerke einzusammeln.
Donald Trump und seine Frau haben ihr eigenes Krypto- und Bitcoin-Empire gegründet, das ihnen bereits Millionen Dollar eingebracht hat. Das Präsidentenamt und Einladungen ins Weiße Haus helfen ihm dabei, kräftig abzusahnen. Das hat es so in den USA noch nie gegeben. Ohne Zögern hat Trump auch die Offerte Katars eines neuen Regierungsflugzeugs im Wert von 400 Million Dollar angenommen. Zum Vergleich: Ein normaler Regierungsbeamter darf nur Geschenke für maximal 20 Dollar annehmen, solange der Gesamtwert aus einer einzelnen Quelle nicht 50 Dollar pro Kalenderjahr übersteigt.
Doch solche Regeln gelten nicht für einen Donald Trump nicht. Er nimmt Maß an Frankreichs absolutistischem König Ludwig XIV., bei dem es hieß: L'État, c'est moi – Der Staat bin ich.