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„Historische Gerechtigkeit“Stalin-Statue in Moskauer Metro löst Kontroverse aus

Lesezeit 3 Minuten
Pendler vor dem neu enthüllten Hochrelief von Joseph Stalin in der Taganskaja-Metrostation in Moskau.

Pendler vor dem neu enthüllten Hochrelief von Joseph Stalin in der Taganskaja-Metrostation in Moskau.

Die weltberühmte Moskauer Metro feiert ihren 90. Geburtstag mit einem Relief des Sowjetdiktators, das für Ärger sorgt.

Mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Abriss eines umstrittenen Reliefs mit dem sowjetischen Diktator Josef Stalin (1879-1953) hat die Moskauer Metro zu ihrem 90. Geburtstag eine Nachbildung des Werks erhalten. Tausende Passanten, viele sichtlich überrascht, fotografierten das Denkmal mit dem Titel „Dankbarkeit des Volkes gegenüber dem Führer und Kriegsherrn“ an der Station Taganskaja auf der braunen Ringlinie mit der Nummer 5. Das Original war Mitte der 1960er Jahre im Zuge der Abkehr vom Stalinismus abgerissen worden.

Josef Stalin: Terrorherrscher und Massenmörder wird mit Relief geehrt

Nun hat die Stadt das Werk des sozialistischen Realismus zum Geburtstag der Metro, die am 15. Mai 1935 offiziell in Betrieb genommen wurde, nachbilden lassen und eingeweiht. Kritiker werfen den neuen Machthabern in Russland Geschichtsvergessenheit vor. Menschenrechtler und Historiker weisen darauf hin, dass unter Stalin zwischen zehn und 20 Millionen Menschen ums Leben kamen – durch politische Säuberungen, Zwangsarbeit in Gulags, Deportationen und künstlich verursachte Hungersnöte wie den Holodomor. Diese Verbrechen sind historisch gut dokumentiert und gelten als eines der dunkelsten Kapitel des 20. Jahrhunderts.

Pendler vor dem neu enthüllten Hochrelief von Joseph Stalin in der Taganskaja-Metrostation in Moskau.

Pendler vor dem neu enthüllten Hochrelief von Joseph Stalin in der Taganskaja-Metrostation in Moskau.

Der Metro-Historiker Alexander Sinowjew bedauerte, dass das Relief nicht in allen Details, mit den ursprünglichen Materialien und Farben wiederhergestellt wurde. „Im Großen und Ganzen handelte es sich um eine ideologische Geste, bei der es nicht um die Wiederherstellung des historischen architektonischen Erscheinungsbildes ging“, sagte er.

Kritiker beklagen Verhöhnung der Stalin-Opfer

Die liberale Oppositionspartei Jabloko warf der Stadt vor, den Willen ihrer Bürger demonstrativ zu missachten. „Wir bestehen darauf, dass das Andenken an die Opfer der Repressionen bewahrt wird und dass die Verherrlichung des Tyrannen unzulässig ist“, sagte Maxim Kruglow von der Partei. „Die Rückkehr der Symbole des Stalinismus nach Moskau ist eine Verhöhnung der Geschichte, eine Verhöhnung der Nachkommen der Unterdrückten und eine Schande für Moskau.“

Historiker machen Sowjetdiktator Josef Stalin für den Tod von Millionen Menschen verantwortlich - nun erinnert ein Denkmal in der Moskauer Metro an ihn.

Historiker machen Sowjetdiktator Josef Stalin für den Tod von Millionen Menschen verantwortlich - nun erinnert ein Denkmal in der Moskauer Metro an ihn.

Der russische Machtapparat sieht sich auch von Historikern immer wieder der Kritik ausgesetzt, Stalin von seinen Verbrechen wie Massenmorden und politischen Repressionen reinzuwaschen. Zuletzt hatte Kremlchef Wladimir Putin auch die Umbenennung des Flughafens der Stadt Wolgograd in Stalingrad genehmigt. Damit soll an die Schlacht von Stalingrad, wie die Stadt an der Wolga zwischen 1925 und 1961 hieß, im Zweiten Weltkrieg erinnert werden.

Nach der Besetzung ostukrainischer Gebiete durch Russland begann ab 2014 auch der gezielte Abbau von Holodomor-Gedenkstätten. In Snischne wurde bereits 2015 das erste Denkmal entfernt, 2022 folgte die Zerstörung des Mahnmals in Mariupol. Auch in Städten der Region Cherson werden entsprechende Erinnerungsorte systematisch beseitigt.

Eine Tafel an der Station Sokolniki erinnert an die Eröffnung der Moskauer Metro am 15. Mai 1935. Nachträglich angebracht wurde der Name des riesigen Verkehrsnetzes, das nach Revolutionsführer Wladimir Ilijtsch Lenin benannt ist.

Eine Tafel an der Station Sokolniki erinnert an die Eröffnung der Moskauer Metro am 15. Mai 1935. Nachträglich angebracht wurde der Name des riesigen Verkehrsnetzes, das nach Revolutionsführer Wladimir Ilijtsch Lenin benannt ist.

Stalin-Denkmäler waren in Russland in den vergangenen Jahren immer wieder Gegenstand hitziger Debatten. Die Kommunistische Partei in Moskau hingegen zeigte sich erfreut über das Stalin-Relief in der Metro und sprach von „historischer Gerechtigkeit“. Die Kommunisten feiern Stalin unter anderem als ruhmreichen Oberbefehlshaber beim Sieg der Roten Armee über Nazi-Deutschland 1945.

In Deutschland wäre eine vergleichbare Verehrung Hitlers – etwa durch Statuen, Denkmäler oder offizielle Ehrungen – völlig undenkbar. Sie widerspräche dem Grundverständnis der deutschen Erinnerungskultur und ist durch Gesetze wie das Verbot von NS-Symbolik und Volksverhetzung strikt untersagt. (jag/dpa)