Von Widerspruch bis ZustimmungKontroverse um Faesers neue Abschiebepläne

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Nancy Faeser hat einen neuen Vorschlag zum Ausreisegewahrsam gemacht.

Nancy Faeser hat einen neuen Vorschlag zum Ausreisegewahrsam gemacht.

Längst nicht jeder, der in der Hoffnung auf Schutz oder ein besseres Leben nach Deutschland kommt, darf bleiben. Doch in der Praxis scheitern Abschiebungen häufig. Bundesinnenministerin Faeser bringt nun Verschärfungen ins Spiel.

Der Vorschlag von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) für einen auf bis zu vier Wochen verlängerten Ausreisegewahrsam stößt in den Reihen der Grünen auf Ablehnung. „Abschottung und Abschreckung haben nichts mit den tatsächlichen Herausforderungen bei der Aufnahme, Versorgung und Integration von Schutzsuchenden zu tun“, sagte die Bundestagsabgeordnete Filiz Polat der Deutschen Presse-Agentur in Berlin am Donnerstag. Aus FDP und SPD kam hingegen Zuspruch.

Der Ausreisegewahrsam sei aufgrund des massiven Eingriffs in das verfassungsrechtlich garantierte Freiheitsrecht grundsätzlich abzulehnen, erklärte Polat, die Alternativen forderte. „Es ist Zeit, dass das Bundesinnenministerium den Dauerwahlkampf für Hessen beendet und sich wieder an das vereinbarte Arbeitsprogramm hält.“ Faeser ist Spitzenkandidatin der hessischen SPD im Landtagswahlkampf. Polat forderte eine „Integrationsoffensive“ und warnte vor Kürzungen entsprechender Mittel.

Faeser befürwortet Erweiterung des Ausreisegewahrsam

Derzeit ist der Ausreisegewahrsam bis zu zehn Tage lang möglich, Faeser schlägt eine Erweiterung auf bis zu 28 Tage vor. Damit sollen die Behörden mehr Zeit bekommen, um eine Abschiebung vorzubereiten. Die Neuregelung ist Teil eines Diskussionsentwurfs, den das Ministerium nach Gesprächen mit Ländern und Kommunen erarbeitet hat. Mit diesen soll nun weiter über das Thema beraten werden, bevor das Ministerium Gesetzentwürfe vorlegt. Vorgeschlagen wird von Faeser unter anderem auch, dass Widerspruch und Klage gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote keine aufschiebende Wirkung mehr haben.

Der Ausreisegewahrsam soll verhindern, dass sich jemand einer in naher Zukunft bevorstehenden Abschiebung entzieht. Daneben gibt es auch die Abschiebungshaft, die sich allerdings über Monate erstrecken kann. „Unter engen rechtsstaatlichen Voraussetzungen“ sollen die Beamten bei einer Abschiebung zudem weitere Räumlichkeiten betreten dürfen. Damit solle sichergestellt werden, dass Betroffene auch tatsächlich in Gemeinschaftsunterkünften angetroffen werden, hieß es zur Begründung.

Unterschiedliche Reaktionen auf Faesers Vorschläge

Bei Landkreisen und Kommunen fand Faesers Papier ein gemischtes Echo. „Die Umsetzung der Maßnahmen wäre ein erster Schritt, reicht aber alleine nicht aus“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Donnerstag).

Die Umsetzung der Maßnahmen wäre ein erster Schritt, reicht aber alleine nicht aus.
Gerd Landsberg

„Neben den begrüßenswerten Rechtsänderungen, die eine längere Abschiebehaft ermöglichen, braucht es dringend auch eine Beschleunigung der Gerichtsverfahren bei aufenthaltsrechtlichen Fragen“, forderte Landsberg. Diese Entscheidungen müssten schnell getroffen werden, damit dann eine Abschiebung auch vollzogen werden könne.

Andrea Lindholz wirft Faeser Arbeitsverweigerung vor

Der Präsident des Deutschen Landkreistags, Reinhard Sager, begrüßte in den Funke-Zeitungen unter anderem die verlängerte Gewahrsamsfrist mit Blick auf Erfahrungen bei der Bereitstellung von Transportmöglichkeiten und der Verfügbarkeit von Polizeikräften. Allerdings sei auch eine Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten dringend notwendig. Das sind Länder, bei denen vermutet wird, dass es in der Regel weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung gibt. Das soll schnellere Asylentscheidungen und Abschiebungen ermöglichen.

Für die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Andrea Lindholz (CSU), kommt Faesers Vorstoß zu spät und reicht nicht aus. Sie erinnerte daran, dass der wesentliche Inhalt bereits im Mai beim Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt vereinbart worden war. „Dass die Ministerin in der angespannten Lage nach drei Monaten nicht einmal einen fertigen Regierungsentwurf vorlegt, grenzt an Arbeitsverweigerung“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann forderte die Bundesregierung im Sender „Welt“ zum Handeln auf. „Deswegen bin ich einfach mal dafür, dass Taten folgen; nach monatelangem Gerede sollte jetzt gehandelt werden.“

Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) und Vorsitzende der DPolG Bundespolizeigewerkschaft, Heiko Teggatz, wertete das Papier als „Mogelpackung“ und verlangte: „Die Bundespolizei braucht endlich die Befugnis, auch an den Binnengrenzen zurückweisen zu dürfen. Dadurch kämen diejenigen, deren Bleibeperspektive gen Null läuft, gar nicht erst in langwierige Verfahren.“ Es fehle an Plätzen für Abschiebegewahrsam und -haft.

FDP begrüßt Faesers Vorschlag

Die FDP im Bundestag begrüßte hingegen den Vorschlag, den Ausländerbehörden mehr Zeit für Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber zu verschaffen. Die geplanten Erleichterungen bei den Verfahren seien ein wichtiges Signal, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Stephan Thomae der dpa. Noch immer scheiterten viel zu viele Abschiebungen. „Das muss sich schleunigst ändern.“ SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese erklärte, die Vorschläge seiner Parteikollegin entlasteten die Ausländerbehörden.

2022 wurden nach Angaben der Bundesregierung knapp 13 000 ausreisepflichtige Personen aus Deutschland abgeschoben. Laut Ausländerzentralregister waren Ende 2022 insgesamt gut 304 000 Menschen ausreisepflichtig, davon etwa 248 000 mit einer Duldung. Neben abgelehnten Asylbewerbern können auch Touristen, Arbeitnehmer und ausländische Studenten ausreisepflichtig werden, wenn ihr Visum beziehungsweise ihre Aufenthaltserlaubnis abgelaufen ist.

Geduldete sind Menschen, die zwar ausreisepflichtig sind, aber aus bestimmten Gründen nicht abgeschoben werden können. Das kann beispielsweise daran liegen, dass sie keine Ausweisdokumente haben, krank sind oder ein minderjähriges Kind haben, das eine Aufenthaltserlaubnis besitzt. (dpa)

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