Streit um Referendare an SchulenLehramt: Wer beim Examen durchfällt, bekommt weniger Geld – ist das richtig?

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Ein Lehrerin schreibt eine Mathematikaufgabe auf eine digitale Schultafel.

Ein Lehrerin schreibt eine Mathematikaufgabe auf eine digitale Schultafel.

Wer Lehrer werden will, muss das Zweite Staatsexamen bestehen. Wenn das nicht klappt, kürzt NRW Wiederholern die Bezüge. Über das Verfahren ist Streit entbrannt.

Im Jahr 2022 haben 431 Lehramtsanwärter die Prüfung zum Zweiten Staatsexamen nicht bestanden. Das geht aus einer Antwort des NRW-Finanzministeriums auf Anfrage der SPD-Landtagsfraktion hervor, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt. Laut Landesbesoldungsgesetz können die Bezüge der Durchgefallenen um bis zu 30 Prozent gekürzt werden. Dieses Verfahren kam der Antwort zufolge in 171 Fällen zur Anwendung.

Die SPD-Fraktion kritisiert die Regelung und fordert die Landesregierung auf, das Gesetz zu ändern. „Wir befinden uns mitten in der Bildungskatastrophe. Überall fehlen Lehrkräfte. Aber anstatt für eine Attraktivierung des Berufs zu sorgen, macht die Landesregierung unnötig Druck auf die Referendarinnen und Referendare“, sagte SPD-Schulexpertin Dilek Engin unserer Zeitung. Die bekämen „ohnehin in ihrer Ausbildung kaum Geld“ und sollten dann auch noch auf 500 Euro verzichten. Das können „nicht wirklich der Ernst“ von Schulministerin Dorothe Feller (CDU) sein.

Ausnahmen in Härtefällen möglich

Die Möglichkeit der Kürzung ist in Paragraf 79 des Landesbesoldungsgesetz NRW verankert. Dort ist festgelegt, dass in Härtefällen auf die Streichungen verzichtet werden kann. Am häufigsten (216 Fälle) fielen Anwärter für Gymnasien und Gesamtschulen durch. Grundschullehrer-Anwärter scheiterten 71 Mal, Sonderpädagogen 47 Mal.

Referendare verdienen in NRW mindestens 1500 Euro netto im Monat. Die Zahl der Durchgefallenen war in den letzten Jahren relativ konstant – 2021 waren 446 Referendare gescheitert, 2020 waren es 422 bei etwa 6900 Prüfungsanwärtern.

Ayla Celik, Vorsitzende der Gewerkschaft GWE, hält die Kürzungen für aus der Zeit gefallen. Gerade in Zeiten hoher Inflation seien Anwärterinnen und Anwärter besonders zu schützen. Diese würde die Minderung „als Bestrafung“ empfinden.  „Unserer Auffassung nach sollten sich die Lehramtsanwärter*innen vollumfänglich auf den zweiten Prüfungsversuch fokussieren können. Finanzielle Einbußen und dadurch hervorgerufene finanzielle Nöte helfen dabei mit Sicherheit nicht“, so Celik. Die Lehrkräftegewinnung müsse „oberste politische Priorität“ haben.

Das NRW-Finanzministerium erklärte, die Bezirksregierungen würden die Kürzungen im Einzelfall prüfen.  „Härtefallregelungen sind insbesondere aus häuslichen, sozialen oder wirtschaftlichen Gründen vorgesehen. Dies sind Unterhaltsverpflichtungen für Kinder und nahe Angehörige oder Unterhaltsverpflichtungen für geschiedene Ehepartner“, heiß es. Ebenso seien finanzielle Verpflichtungen „wie allgemein gestiegene Lebenshaltungskosten“ einzubeziehen.

6700 Lehrerstellen sind unbesetzt

Die Grünen stehen dem Ansinnen der SPD grundsätzlich offen gegenüber. Lena Zingsheim-Zobel, Sprecherin für Schule und Bildung der grünen Landtagsfraktion, sagte unserer Zeitung: „Wir wollen die Zahl derer verringern, die das zweite Staatsexamen beim ersten Mal nicht bestehen.“ Mit einem Lehramtsstudium habe man wenig Wahlfreiheit für weitere berufliche Wege.

„Es sollte niemand wegen der harten Bedingungen im Vorbereitungsdienst an Prüfungen scheitern. Deshalb müssen wir die Rahmenbedingungen im Referendariat verbessern", so Zingsheim-Zobel. In NRW sind rund 6700 Lehrerstellen unbesetzt.

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