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Polizeischüsse in DortmundPolizisten-Anwalt spricht von „Multi-Kulti-Truppe“

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Menschen stehen vor einem Zaun, an dem mit Kerzen und Blumen eines von der Polizei erschossenen Jugendlichen gedacht wird. Nach den tödlichen Schüssen aus einer Maschinenpistole auf einen 16-Jährigen in Dortmund wird gegen vier weitere Polizisten ermittelt. Dabei geht es um den Einsatz von Pfefferspray und Tasern.

Anwalt der angeklagten Polizisten weist Vorwurf rassistischer Tatmotive zurück.

Können rassistische Motive eine Rolle gespielt haben bei Todesschüssen durch Polizisten? Der Anwalt der Angeklagten weist das zurück.

Im Fall der tödlichen Polizeischüsse auf den 16 Jahre alten Senegalesen in Dortmund hat der Anwalt, dessen Kanzlei drei der angeklagten Polizisten vertritt, den Vorwurf rassistischer Tatmotive zurückgewiesen.

Anwalt Michael Emde spricht von einer „Multi-Kulti-Truppe, die im Einsatz war. Hier rassistische Motive zu unterstellen, ist absurd“. Nach Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ weisen mindestens vier der Einsatzkräfte einen Migrationshintergrund auf. So besitzt eine dunkelhäutige Beamtin afrikanische Wurzeln.

Der Vater stammt aus Ghana. Die Polizeikommissarin zählt zu den fünf Angeklagten. Auf Geheiß ihres Dienstgruppenleiters hatte sie erfolglos versucht, den suizidgefährdeten Jugendlichen, der sich ein Messer gegen den Bauch hielt, mit Pfefferspray außer Gefecht zu setzen.

Kollegin sollte portugiesisch oder spanisch mit dem Jugendlichen sprechen

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass bereits dieser Angriff rechtswidrig war. Vielmehr hätte man ein Kriseninterventionsteam oder einen Dolmetscher herbeirufen müssen.

Allerdings hatte der Einsatzleiter bereits zuvor eine Kollegin in Zivil mit portugiesischer Herkunft damit beauftragt, den Asylbewerber auf spanisch oder portugiesisch anzusprechen. Doch der Jugendliche reagierte nicht.

An dem Geschehen nahm auch der Beamte Mehmet J. (Name geändert) teil. Der deutsch-syrische Kfz-Meister ließ sich von der Polizei anwerben, um als Spezialist die kriminelle Auto-Tuner-Szene im Blick zu haben.

Polizist mit polnischen Wurzeln soll Taser eingesetzt haben

Wie zudem zu erfahren war, verfügte ein weiterer angeklagter Polizist über einen polnischen Migrationshintergrund. Der Beamte setzte vergeblich einen Taser ein, als Mouhamed D. aufstand und sich mit einem Messer den Beamten näherte. Als der Jugendliche mit der 15 Zentimeter langen Klinge nur noch zwei Meter vor dem Sicherungsschützen stand, drückte dieser mit seiner Maschinenpistole sechs Mal ab. Nach wie vor scheint unklar, wie das Opfer das Messer gehalten hat.

Oberstaatsanwalt Carsten Dombert geht davon aus, dass der gesamte Einsatz unverhältnismäßig war. Von der Reizgas- über die Taserattacken bis hin zu den tödlichen Schüssen. Insofern kommt nach Auffassung des Anklägers auch. bei der Schussabgabe eine Notwehrsituation nicht in Betracht.

Strafverteidiger Emde kann dies nicht nachvollziehen. „Spätestens in dem Moment, als der Jugendliche mit dem Messer immer näherkam, war aus meiner Sicht eine Notwehrlage gegeben.“ Er habe mit Dombert darüber gesprochen, berichtet Emde. „Ich haben ihn gefragt, ob die Beamten erst schießen durften, wenn der Angreifer zugestochen hätte. Dies hat der Oberstaatsanwalt bejaht.“ Der Dortmunder Ankläger wollte sich zu diesem Gespräch nicht äußern.

Unterdessen haben die grüne Ratsfraktion und der Unterstützerkreis Mouhamed D. in Dortmund eine Neuorganisation der zuständigen Polizeiwache Nordstadt gefordert. Der Bezirk hier gilt als Kriminalitätshochburgen mit vielen migrantischen Communities. „Neben der Frage der individuellen Schuld wirft der Fall viele Fragen über strukturelle Probleme bei der Polizei in der Aus-, Fort- und Weiterbildung in Bezug auf Rassismus und im Umgang mit psychisch erkrankten Personen auf. Diese müssen jetzt politisch aufgearbeitet werden“, heißt es in einer Stellungnahme.

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