Senioren bekommen meist keine Kredite mehr. Wenn Sie Geld benötigen, scheint der Teilverkauf ihrer Immobilie eine attraktive Lösung zu sein. Doch die Risiken sind erheblich.
Senioren droht KostenfalleNRW-Justizminister Limbach warnt vor Risiken von Teilimmobilien-Verkäufen

Ein älteres Pärchen steht in einem Garten vor seinem Haus (gestellte Szene).
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Die schwarz-grüne Landesregierung will Senioren besser vor den Risiken eines Immobilien-Teilverkaufs schützen. Die Vertragsmodelle bergen nach Auffassung von NRW-Justizminister Benjamin Limbach erhebliche Fallstricke: „Was auf den ersten Blick wie eine attraktive Möglichkeit aussieht, im Alter wieder flüssig zu werden, kann erhebliche finanzielle Folgen haben, denen sich die meisten nicht bewusst sind“, sagte der Politiker der Grünen. Es bestehe die Gefahr, dass Senioren für ihre Liquiditätssorgen „den höchsten Preis“ bezahlen müssen: „Es droht der Verlust der eigenen vier Wände“, warnte Limbach.
Die Landesregierung hat das Thema gemeinsam mit Baden-Württemberg zur nächsten Justizministerkonferenz am 7. November 2025 angemeldet. In der Vorlage, die unserer Zeitung vorliegt, heißt es, die Verbraucher müssten über die „besonders gravierenden Folgen des Vertragsmodells“ durch die Einführung einer „Aufklärungspflicht“ gewarnt werden. Die „hohe Komplexität der Verträge und ihre oftmals fehlende Transparenz“ erschwerten es den Verbrauchern, eine „informierte Entscheidung“ zu treffen.
Erhebliche Risiken
Zwischen 2020 und 2024 wurden in Deutschland etwa 5000 Immobilien-Teilverkäufe durchgeführt, hauptsächlich von Personen über 65 Jahren. Die Verkäufe bieten Senioren die Möglichkeit, Liquidität zu gewinnen, um Renovierungen, altersgerechte Umbauten oder Pflegekosten zu finanzieren. Die Senioren werden wieder liquide, ohne ihre Immobilie verlassen zu müssen. Die erheblichen Risiken dieses Geschäftsmodells sind vielen älteren Menschen nicht bewusst – sie schlummern im Kleingedruckten der Verträge. Limbach verlangt nun eine Pflicht zur transparenten Ausweisung der Kosten bei Immobilien-Teilverkäufen. „Wenn ältere Menschen einen Teil ihrer Immobilie verkaufen, geschieht das meist aus der Not heraus“, sagt der Politiker aus Bonn. In der Vorlage für den Bundesrat wird Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) aufgefordert, ein angemessenes Verbraucherschutzniveau beim Immobilien-Teilverkauf sicherzustellen.
Bei einem Teilverkauf müssen die Senioren dem Käufer ein monatliches Nutzungsentgelt zahlen, das mit einer Art „Miete“ vergleichbar ist. Die Laufzeit der fälligen Beträge ist aber oft zeitlich eng begrenzt und kann bei einer Neufestlegung drastisch ansteigen. Zum Teil wird das Nutzungsentgelt an die Inflationsrate gekoppelt und steigt somit automatisch an. Die monatlich zu zahlende Nutzungsgebühr stellt für die bislang mietfrei wohnenden Senioren oftmals eine erhebliche laufende Belastung dar.
Zuschlag von bis zu 17 Prozent
Daneben müssen sie regelmäßig die vollen Lasten und Instandhaltungskosten des Grundstücks tragen. Denn den Kosten für Sanierungsmaßnahmen und Reparaturen beteiligt sich der Teilkäufer nicht. Können die Raten nicht gezahlt werden, droht der Zwangsverkauf der Immobilie. Auch bei einem normalen Verkauf der Objekte können erhebliche Kosten für die Verkäufer oder ihre Erben entstehen. Denn die Unternehmen, die das Haus kaufen, sichern fast immer gegen fallende Immobilienpreise ab. Sie verlangen ihre Investitionssumme in voller Höhe zurück und kassieren einen Zuschlag von bis zu 17 Prozent.
Das Geschäftsmodell des Teilimmobilien-Verkaufs hat seinen Ursprung darin, dass Senioren nach dem Ende des Erwerbslebens keinen ausreichenden Zugang mehr zum Kreditmarkt haben, weil die Darlehen zu Lebzeiten zurückgezahlt werden müssen. Deshalb will Schwarz-Grün eine Anpassung der Kreditwürdigkeitsprüfung für ältere Menschen erreichen: „Dazu muss unser Recht geändert werden, was ich auf die Tagesordnung der nächsten Justizministerkonferenz gesetzt habe“, so Limbach.
Die Werbeversprechen hören sich attraktiv an. Mit Slogans wie „Wohnen wie immer – leben wie neu“ oder „Klüger wohnen und besser leben“, wird Senioren ein Teilverkauf ihrer Immobilien schmackhaft gemacht. Kapitalgesellschaften bieten Senioren, die Geld benötigen, einen vermeintlich attraktiven Deal an. Sie überweisen eine hohe Summe, werden dafür aber Miteigentümer. Die Verbraucherzentrale NRW warnt vor den Risiken solche Geschäftsmodelle. „Halten Sie die Werbung nicht für bare Münze“, warnt Finanzexperte Ralf Scherfling.
Monatliche Nutzungsgebühr
Viele Senioren hängen an ihren Immobilien. Die Vorstellung, ihr Haus verkaufen zu müssen, ist für die meisten ein Alptraum. Die emotionale Bindung machen sich viele Kapitalgesellschaften zu Nutze, wenn die Rentner in eine Zwangslage geraten. Die Kosten einer Dachsanierung oder der Einbau einer neuen Heizung übersteigen oft die verfügbaren Rücklagen. Dann scheint ein Teilverkauf ein guter Ausweg zu sein.
Viele Rentner verkaufen dabei bis zu 50 Prozent ihrer Immobilie. Um den veräußerten Teil weiter nutzen zu können, wird ihnen ein Nießbrauchrecht eingeräumt. Dafür zahlen sie an den Erwerber eine monatliche Nutzungsgebühr. Die Höhe des Nutzungsentgelts hängt von der Größe des Verkaufsanteils und vom Wert der Immobilie ab. „Das Entgelt wird meist nur für eine bestimmte Vertragslaufzeit festgeschrieben und danach neu vereinbart. Es kann aber auch variabel sein und zum Beispiel mit der Inflationsrate automatisch steigen“, erklärt Verbraucherschützer Scherfling. In einem Beispielfall sollte ein Rentner, der 20 Prozent seiner Immobilie verkauft hatte und dafür 100 000 Euro erhalten solle, monatlich 416 Euro zahlen – bei einer Laufzeit von 10 Jahren. Zum Teil liegen die Nutzungsentgelte deutlich über der örtlichen Vergleichsmiete. Diese Nebenkosten können zu einer erheblichen Belastung werden. Wer mit den Raten in Verzug gerät, dem droht ein Fiasko.
Experte: Professionellen Rat einholen
Denn: Die Kapitalgesellschaften finanzieren den Kaufpreis durch ein Darlehen. Zur Sicherung wird zu Gunsten seiner finanzierenden Bank eine Grundschuld auf dem gesamten Immobilienbesitz eingetragen. Die steht im Grundbuch im Rang vor dem eingetragenen Nießbrauchrecht der Senioren. Wenn Zahlungen ausbleiben, kann das Haus zwangsversteigert werden. Dabei verlieren die Rentner nicht nur ihre eigenen vier Wände, sondern werden zusätzlich durch eine unverhältnismäßige Aufteilung des Restwerts belastet.
Die Kapitalgesellschaft haben lassen sich bei Vertragsabschluss oft garantieren, dass sie die beim Verkauf die volle Investitionssumme plus einen „Wert x“ erhalten, der zum Teil bei 17 Prozent liegt. Wer ein Haus verkauft, das 400.000 Euro wert ist, erhält die Kapitalgesellschaft danach 234.000 Euro, der Alteigentümer bekommt nur 166.000 Euro. Zudem kommt auf die Verkäufer ein sogenanntes Durchführungsentgelt zu, das bis zu 5,5 Prozent des Gesamtpreises betragen kann. Die Verbraucherschutzzentrale rät Verkaufswilligen, sich vor dem Vertragsabschluss professionellen Rat einzuholen. „Lassen Sie die Klauseln unbedingt anwaltlich prüfen“, sagt Ralf Scherfling. „Lassen Sie sich nicht von der vermeintlich simplen Handhabe und schnellen Abwicklung leiten“, warnt der Experte. Ein einfacher Kredit könne unterm Strich meist deutlich attraktivere Konditionen bieten. Aber der wird Senioren von vielen Kreditinstituten verwehrt.