Die Aufnahme von großer Schuldenpakete wurde mit dringend benötigten Mitteln für Investitionen begründet. Wie stichhaltig ist das? In NRW blieben 2024 vorhandene Haushaltsgelder liegen.
Streit um HaushaltsabschlussIn NRW blieben 370 Millionen Euro für Investitionen liegen

Marcus Optendrenk, NRW-Finanzminister, bei einer Pressekonferenz
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Die Vorlage für den Haushalts- und Finanzausschuss ist 14 Seiten lang. Im Kassenabschluss 2024 legt NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) den Abgeordneten den finalen Bericht über die Ein- und Ausgaben des Landes im Jahr 2024 vor. Addiert man unter dem Punkt „Baumaßnahmen“ und „Sonstige Ausgaben für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen“ die Werte, so ergibt sich, dass rund 370 Millionen Euro nicht ausgegeben wurden. „Anders als landläufig von der schwarz-grünen Landesregierung behauptet, fehlen für Investitionsvorhaben oftmals gar nicht die Finanzmittel“, kritisiert Ralf Witzel, Vize-Fraktionsvorsitzender der FDP im Landtag. Wenn bereits im Haushalt vorhandene Investitionsmittel nicht ausgegeben würden, darf der „Investitionsbedarf nicht als Grund für Neuverschuldung vorgeschoben werden“.
Nicht ausgegeben wurden unter anderem Haushaltsmittel zum „Erwerb von beweglichen Sachen“ (172,9 Millionen) sowie für Sanierung und Neubau, wobei die meisten Gelder in den Bereichen Inneres, Umwelt, Naturschutz und Verkehr sowie Arbeit, Gesundheit und Soziales liegen blieben. Der Haushalt 2024 hatte ein Gesamtvolumen von 102,1 Milliarden Euro. Dreimal höher als die ausgefallenen Investitionen waren die ungeplanten Mehrausgaben für konsumtive Zuweisungen und Zuschüsse, die mit zusätzlichen 1,13 Milliarden Euro zu Buche schlugen.
NRW bekommt 21,1 Milliarden Euro aus Sondervermögen
Die schwarz-rote Bundesregierung hatte im Frühjahr ein Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro gebildet, aus dem Investitionen in den Ausbau der Straßen- und Energieinfrastruktur und in Bildung und Digitalisierung finanziert werden sollen. NRW wird aus dem Topf über 12 Jahre rund 21,1 Milliarden Euro erhalten. Auf Wunsch der Länder wurde die Anforderung des Bundes, dass das Geld für zusätzliche Planungen verwendet werden muss, allerdings gestrichen. Die FDP befürchtet, dass das Sondervermögen auch dafür genutzt wird, ohnehin geplante Projekte zu finanzieren. „Dann stünden reguläre Haushaltsmittel im Landeshaushalt wieder für andere Zwecke zur Verfügung“, so Witzel.

Ralf Witzel, Vize-Fraktionsvorsitzender der FDP im Landtag
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Die Liberalen warnen davor, dass die durch „diesen Verschiebebahnhof für freigewordene Gelder“ Wahlgeschenke von Schwarz-Grün bezahlt werden könnten. „Es droht ein gefährlicher Selbstbedienungsladen für immer neue Schulden, damit die Regierung nicht sparen und keine Prioritäten setzen muss“, sagte Witzel. Leidtragende seien die Steuerzahler und insbesondere die junge Generation, „die diese Party bald mit Steuererhöhungen und Mehrbelastungen“ bezahlen müssten.
Die Beseitigung bürokratischer Investitionshemmnisse sei jedenfalls wirkungsvoller als die Aufnahme von neuen Schulden, erläuterte Witzel: „Wenn CDU und Grüne ihr eigenes Märchen der vermeintlich guten Schulden aufrechterhalten wollen, müssen sie sich jetzt zur Zusätzlichkeit werthaltiger Investitionen bei Land und Kommunen in NRW bekennen.“
Geopolitische Lage und gestörte Lieferketten verzögerten Investitionen
Ein Sprecher von NRW-Finanzminister Optendrenk erklärte, die geopolitische Lage sowie gestörte Lieferketten hätten zu einem verzögerten Abfluss von Investitionsmitteln geführt. „Das gilt auch für Baumaßnahmen aufgrund der Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Baumaterialien“, hieß es. Aber auch Verzögerungen im Vergabeverfahren, bei den Planungs- und Genehmigungsprozessen, oder beim Mittelabruf hätten Einfluss auf die Verausgabung der im Haushalt zur Verfügung gestellten Mittel.
Simon Rock, Sprecher für Haushalt und Finanzen der Grünen Landtagsfraktion, sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, Verzögerungen könnten sich auch durch die Witterung oder durch die Jahreszeit ergeben. Würde das Kriterium der Zusätzlichkeit im Gesetz festgeschrieben, würde dies unweigerlich zu mehr Bürokratie führen. „Das wäre die denkbar schlechteste Form von Zusätzlichkeit.“ Olaf Lehne, Finanzexperte der CDU, wies darauf hin, Engpässe bei den Materialien hätten zusätzliche Verzögerungen verursacht.
Das NRW-Finanzministerium betonte, mit der Verabschiedung des Länder-und-Kommunal-Infrastrukturfinanzierungsgesetzes des Bundes sei erst im Herbst 2025 zu rechnen. „Da das Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene noch nicht abgeschlossen ist, können zum jetzigen Zeitpunkt noch keine abschließenden Aussagen getroffen werden, wie das Gesetz in Nordrhein-Westfalen umgesetzt werden soll“, hieß es.