Über die Flughäfen in NRW sind im vergangenen Jahr 22 Prozent mehr Menschen abgeschoben worden. Fast jede vierte Person war ein Kind.
Zahlen in NRW steigenBundespolizei schenkt Kindern Teddys bei der Abschiebung

Ein Flugzeug hebt hinter einem Zaun mit Natodraht ab. In NRW ist die Zahl der Abschiebeflüge deutlich angestiegen.
Copyright: Sebastian Gollnow/dpa
Das Land NRW hat im Jahr 2024 insgesamt 4 440 Abschiebungen veranlasst, das sind 777 Abschiebungen mehr als im Vorjahr. Der Anteil der Kinder, die über Flughäfen Düsseldorf und Köln/Bonn das Land verlassen mussten, lag bei 22,5 Prozent. Das geht aus dem Jahresbericht der unabhängigen Abschiebungsbeobachtung hervor, der am Dienstag in Düsseldorf vorgestellt wurde. Das Forum Flughäfen in NRW (FFiNW) ist ein Gremium aus Vertretern von staatlichen Behörden, Kirchen und Nichtregierungsorganisationen, die im Austausch über den Vollzug von Flugabschiebungen stehen.
Laut FFiNW ist die Rückführungsoffensive der Bundesregierung und eine verschärfte Abschiebepraxis der Länder der Grund für den Anstieg der Abschiebungen. Beobachter Mert Sayim erklärte, vor dem Hintergrund der Ausweitung behördlicher Befugnisse dürften die Schutzverpflichtungen gegenüber Kindern und anderen vulnerablen Gruppen nicht in den Hintergrund treten. Positiv sei zu bewerten, dass die Bundespolizei im Umgang mit den betroffenen Personen „in der Regel auf deeskalierende Kommunikation“ setze.
In dem Bericht heißt es: „In keinem der beobachteten Fälle stellte die Abschiebungsbeobachtung Misshandlungen durch die Bundespolizei oder Ausländerbehörden fest. Die meisten Rückführungsmaßnahmen waren gut organisiert und wurden professionell durchgeführt.“ Aus Sicht der Abschiebungsbeobachtung sei der „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“ gewahrt worden.
42 „problematische Abschiebungen“
Ein Vertreter des NRW-Fluchtministeriums, das von der Grünen-Politikerin Josefine Paul angeführt wird, erklärte, der Vollzug von Rückführungen erfülle in NRW „grundsätzlich einen hohen Standard“. Rückführungen stellten alle Beteiligten vor große Herausforderungen und es gelte, jedem Einzelfall gerecht zu werden. „Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen ist sich dieser Verantwortung bewusst und setzt sich daher dafür ein, Rückführungen rechtsstaatlich, fair und humanitär zu gestalten“, sagte Manuel Kamp, stellvertretender Leiter der Abteilung „Flucht“.
Die Bundespolizei erklärte, insbesondere bei rückzuführenden Familien mit Kindern oder vulnerablen Personen wolle man mit einer professionellen und empathischen Aufgabenwahrnehmung jedem Einzelfall gerecht werden. „Wir haben neue Räume für Kinder und Familien eingerichtet, wo Spielzeug und Teddys zur Verfügung stehen“, sagte Bundespolizei-Sprecherin Andrea Hoffmeister. All das könne von den Kindern behalten werden. Es gehe darum, die Kinder etwas zu beruhigen.
Familien wurden bei Abschiebungen getrennt
Bei den „problematischen Abschiebungen“ gab es im vergangenen Jahr einen Rückgang von 74 auf 42 Fälle. Der Bericht führt zwölf Beispiele an, die zu Nachfragen führten.
So wurde in einem Fall ein Geschwisterpaar (20 und 17 Jahre alt) ohne seine Mutter nach Nordmazedonien ausgeflogen, weil diese in der Unterkunft nicht angetroffen wurde. In einem ähnlichen Fall wurde eine Familie ohne den Vater abgeschoben, weil dieser noch im Krankenhaus lag. In anderen Fällen stand die fragwürdige medizinische Versorgung in den Herkunftsländern im Mittelpunkt. Ein junger Mann, der gerade am Herzen operiert worden war, wurde ebenso wie eine krebskranke Frau abgeschoben. Beide gaben an, in der Heimat keinen Zugang zu einer medizinischen Versorgung zu haben.
In anderen Fällen wurde moniert, dass Personen ohne ihre Mobiltelefone und ohne wichtige Unterlagen – wie zum Beispiel Geburtsurkunden – die Rückreise antreten mussten. Kirchenrat Pfarrer Rafael Nikodemus, Moderator des FFiNW, erklärte, es sei gut, dass während des Abschiebungsprozesses zumindest am Flughafen eine unabhängige Beobachtung Licht ins Dunkel problematischer Einzelfälle bringen könne: „Transparenz in diesem ansonsten abgeschirmten Bereich tut allen am Abschiebungsprozess beteiligten Institutionen gut“, sagte Nikodemus.