Informationsverbot bei AbtreibungenScharfe Kritik an Video von FDP-Politikern

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Symbolbild 219a

Eine Frau hält einen Zettel mit der Aufschrift „219a nicht zeitgemäß!“ (Archivbild)

Köln – Am Montagabend sorgte ein Video, das von der Bundestagsabgeordneten Kristine Lütke (FDP) in den sozialen Medien gepostet wurde, für viel Aufregung und Kritik. In der neunsekündigen Sequenz war zu sehen, wie Lütke zusammen mit FDP-Fraktionskollegen mit Sonnenbrillen und Masken bestückt durch einen gelb beleuchteten Gang tänzelt. Im Hintergrund war der Pop-Song „Short Dick Man“ zu hören, betitelt war der kurze Clip mit „Wir, auf dem Weg zur Abstimmung, um endlich § 219a aus dem StGB kicken zu können“. Lütke hat das Video mittlerweile gelöscht.

Ampel-Koalition will Paragraf 219a reformieren

Der Paragraf 219a regelt das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche. Die Ampel-Koalition hatte angekündigt, ihn streichen zu wollen. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) ließ mittlerweile Taten folgen und hat einen Entwurf zur Neufassung des Paragrafen erarbeiten lassen. Ärztinnen und Ärzte würden sich demzufolge nicht mehr strafbar machen, wenn sie über Abtreibungen informieren. Auf diese Entwicklung zielten die FDP-Politiker mit ihrem Video ab.

Die Freude von Lütke und Co. über die geplante Neuregelung stieß in den sozialen Netzwerken am Montagabend allerdings auf scharfe Kritik. Vor allem beim Kurznachrichtendienst Twitter sorgte das Video für viele Wortmeldungen.

Kritik aus der Union: Klöckner, Bär und Ulrich melden sich zu Wort

„Nicht ihr Ernst, Tanzeinlagen zu diesem Thema?“, fragte Julia Klöckner. „Es geht auch um die Frage von Lebensschutz. Die Abschaffung des Par. 219 wie eine Party zu feiern, zu ignorieren, dass es auch um Zielkonflikte geht … Das Leben oder die Abtreibung eines Ungeborenen ist nichts Banales“, führte die Bundesschatzmeisterin der CDU aus.

Auch Dorothee Bär, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Familie und Kultur, meldete sich zu Wort. „Herzlichen Glückwunsch zum geschmacklosesten Tweet seit langem“, schrieb Bär. „Das Thema ist viel zu ernst, um lustig dazu zu johlen. Keine Frau rennt tanzend und singend zur Abtreibung…“ Weitere CDU-Vertreter schlossen sich der Kritik an. „Das ist würdelos“, erklärte CDU-Fraktionsmitglied Volker Ulrich. Der Beitrag sei „geschmacklos“ schrieb die Kölner CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler.

Viel Zuspruch für verteidigende Beiträge

Das Video der FDP-Politiker fand jedoch auch Verteidiger, die der überwiegend aus konservativen Kreisen geäußerten Kritik entgegentraten. Vielfach wurde darauf verwiesen, dass der Paragraf 219a nicht die Bestimmungen zur Abtreibung selbst regele, sondern lediglich das Werbeverbot. „Sie rennen ja auch nicht zur Abtreibung, sondern zur Abstimmung. Wieso sollten sie zu fünft zur Abtreibung, es gibt da ja keinen Mengenrabatt“, konterte Autorin Sophie Passmann Bärs Wortmeldung und erhielt dafür mehr Zuspruch als die CSU-Politikerin für ihre Kritik.

Die bildungspolitische Sprecherin der FDP, Ria Schröder, die ebenfalls im Video mitgewirkte hatte, verteidigte noch am Montagabend ihre Teilnahme gegen die Unionskritik. „Geschmacklos ist ein Paragraph im Strafgesetzbuch (!), der Frauen sachliche Informationen über Schwangerschaftsabbrüche vorenthält“, schrieb Schröder.

Lütke löscht Video: „Raum für Missverständnisse“

Lütke, die das Video auf Twitter verbreitet hatte, reagierte unterdessen am Dienstagvormittag. „Dass die Information über Schwangerschaftsabbrüche und unterstützende Ärztinnen und Ärzte künftig nicht mehr strafbar sein wird, das ist ein Grund zur Freude“, schrieb die Sucht- und drogenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion. „Das dazu gepostete Video hat bei diesem sensiblen Anlass aber Raum für Missverständnisse geboten. Ich habe es daher gelöscht und bitte um Entschuldigung.“

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Der umstritten Paragraf 219a wurde bereits im Jahr 2019 einer Reform unterzogen. Seitdem dürfen Ärzte und Ärztinnen öffentlich darüber informieren, dass Schwangerschaftsabbrüche zu ihren Leistungen gehören. Über die Methodik dürfen sie weiterhin keine Informationen anbieten. Bei der Nicht-Beachtung dieses Paragrafen drohen Medizinern Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe.

Ärztin Hänel prominente Kämpferin gegen § 219a

Die Gießener Ärztin Kristina Hänel hatte in der Vergangenheit bewusst gegen den Paragrafen 219a verstoßen und so überregionale Bekanntheit erlangt, da sie angeklagt und zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. Nach einer Revision hob das Oberlandesgericht Frankfurt die Verurteilung auf. Das Landgericht Gießen musste den Fall erneut verhandeln – im Hinblick auf die im März 2019 verabschiedete Änderung des Paragrafen 219a. Erneut wurde Hänel zu einer Geldstrafe verurteilt. Eine erneute Revision der Ärztin wurde verworfen, woraufhin Hänel Verfassungsbeschwerde einlegte. 

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