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„Putin könnte diesen Schritt gehen“Pistorius spricht über Worst Case und Drohnen-Abwehr in Deutschland

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Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung

Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung, rät zur Besonnenheit, dämpft aber zugleich die Erwartungen an die Möglichkeiten der Bundeswehr bei der Drohnenabwehr.

Im Jahr 2029 wäre Russland theoretisch imstande, Nato-Gebiete anzugreifen. Der Verteidigungsminister rät zu einer nüchternen Betrachtung der Lage und dämpft zugleich falsche Erwartungen.

Nach den jüngsten und sich häufenden Sichtungen von Drohnen über deutschen Gebieten, ruft Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zur Besonnenheit auf. „Natürlich verstehe ich die Verunsicherung“, sagt Pistorius dem „Handelsblatt“ in seiner Sonntagausgabe. Angesichts der Debatte darüber sei es aber „umso wichtiger, die Lage nüchtern und ruhig zu betrachten“.

Bislang ging von den beobachteten Drohnen „keine konkrete Bedrohung aus“, so Pistorius, der anfügt: „Wir haben Möglichkeiten, darauf zu reagieren - wenn auch noch nicht alle Fähigkeiten, die wir uns wünschen, um sie zu bekämpfen.“

Pistorius unterstützt geplantes Drohnenabwehr-Gesetz – und dämpft Erwartungen

Pistorius unterstützt das geplante Drohnenabwehr-Gesetz von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU). „Die Bundeswehr soll künftig auch Flugkörper außerhalb ihrer örtlichen Zuständigkeit abwehren können, wenn die Polizei sie in besonderen Fällen um Amtshilfe bittet“, sagt er. „Also eine Ausweitung des räumlichen Bereichs für die Abwehr von Flugkörpern - und damit verfassungskonform.“

Zugleich dämpft Pistorius die Erwartungen an die Möglichkeiten der Bundeswehr bei der Drohnenabwehr, wie etwa bei den jüngsten Vorfällen am Münchner Flughafen: „Die Bundeswehr kann nicht überall in Deutschland, wo Drohnen auftauchen, zur Stelle sein und sie vom Himmel holen“. Viel entscheidender sei es, „dass die Polizeien der Länder und des Bundes die Fähigkeiten aufbauen, die sie brauchen, um bis zu einer bestimmten Höhe agieren zu können“. Bei kritischer Infrastruktur wie Flughäfen oder Kraftwerke seien auch die Betreiber selbst gefragt.

Pistorius vergleicht jüngste Luftraumverletzungen mit Kaltem Krieg

Die aktuelle Lage vergleicht Pistorius angesichts der jüngsten Luftraumverletzungen durch russische Drohnen und Kampfflugzeuge in den europäischen Nato-Staaten Polen, Estland und Rumänien mit dem Kalten Krieg. „Es fällt kein Schuss, aber es gibt Provokationen.“ Derzeit seien es „hybride Angriffe“. Die jüngsten Drohnen-Vorfälle lastet der Minister Russland an: „Niemand sonst hat ein Interesse, in großer Zahl Drohnen nach Dänemark oder nach Polen zu schicken“.

Hinsichtlich Analysen, wonach Russland 2029 zu einem Angriff auf Nato-Territorium in der Lage sein könnte, sagt Pistorius: „Vorsicht an der Bahnsteigkante, das wird häufig falsch verstanden.“ Sowohl dem Bundesnachrichtendienst (BND) als auch dem Bundesverteidigungsministerium zufolge wird Russland seine Streitkräfte „um das Jahr 2029 so weit rekonstituiert haben“, dass es „zu einem Angriff auf Nato-Gebiet in der Lage wäre“. „Das heißt nicht, dass Putin tatsächlich diesen Schritt geht, aber er könnte es“, führt Pistorius aus. Daher gehe es darum, „dass wir nicht nur auf den günstigsten Fall hoffen dürfen, sondern uns auch auf den Worst Case vorbereiten müssen“.

Der Kremlchef betonte am Samstag bei einer Rede in Sotschi einmal mehr, kein Interesse an einem Krieg mit der Nato zu haben. Die jüngsten Drohnenvorfälle in Europa und ach in Deutschland quittierte der Kremlchef mit einem Scherz. Der Vorwurf, dass Russland hinter den Vorfällen stecke, sei „absurd“, befand Putin – und fügte dann amüsiert an: „Ich werde keine weiteren schicken. Nicht nach Frankreich, nicht nach Dänemark und nicht nach Kopenhagen.“ (oke/afp)