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„Entweder wir oder sie“Putin warnt Deutschland – und sein Militär will Krieg gegen den „satanischen Westen“

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Kremlchef Wladimir Putin bei seinem Auftritt beim Waldai-Forum in Sotschi. (Archivbild)

Kremlchef Wladimir Putin bei seinem Auftritt beim Waldai-Forum in Sotschi. (Archivbild)

Putin bleibt auf Kurs – dann äußert sich ein russischer Kommandeur noch drastischer. Moskau setzt auf einen langen Krieg, sagt ein Experte. 

Rund vier Stunden nahm sich Kremlchef Wladimir Putin am Donnerstag (4. Oktober) Zeit: Bei seinem Auftritt beim Waldai-Forum in Sotschi am Schwarzen Meer riet der russische Autokrat dem Westen sich „um seine eigenen Probleme“ zu kümmern, versicherte, dass Russland die Nato nicht angreifen wolle und droht schließlich einer „neuen Etappe der Eskalation“, sollten die USA tatsächlich Tomahawk-Marschflugkörper an die Ukraine liefern.

Der Einsatz solcher Waffen sei nicht ohne US-Militärs möglich, sagte Putin. „Das ist gefährlich.“ Es handele sich um ein mächtiges Waffensystem, das Russland schaden könne. Zwar verändere das nicht das Kräfteverhältnis auf dem Schlachtfeld in der Ukraine, aber das könne die Beziehungen zwischen Russland und den USA beschädigen und zu einer „absolut neuen, qualitativ neuen Etappe der Eskalation“ führen, warnte der Kremlchef.

Wladimir Putin warnt USA vor Tomahawk-Lieferung

Zuvor hatte US-Vizepräsident J. D. Vance Berichte über entsprechende Überlegungen in Washington bestätigt. US-Präsident Donald Trump werde über eine mögliche Lieferung von Tomahawks entscheiden, erklärte Vance. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bestätigte ebenfalls, dass er bei Trump um die Waffe gebeten habe. „Wir werden sehen“, hieß es vom Ukrainer, der in der Vorwoche noch mit Angriffen auf den Kreml gedroht hatte.

Dass der Kremlchef keinen Kurswechsel anstrebt, wurde in Sotschi trotz Putins üblicher Versicherungen, dass Moskau kein Interesse an einem Krieg mit der Nato habe, unterdessen erneut deutlich. Die jüngsten Drohnenvorfälle in Europa und mittlerweile auch in Deutschland quittierte der Kremlchef mit einem Scherz. Der Vorwurf, dass Russland hinter den Vorfällen stecke, sei „absurd“, befand Putin – und fügte dann amüsiert an: „Ich werde keine weiteren schicken. Nicht nach Frankreich, nicht nach Dänemark und nicht nach Kopenhagen.“

Putin-Rede: Exilmedium erinnert an frühere Falschangaben

Das russische Exil-Medium „Meduza“ sah sich angesichts dieser Worte an frühere Falschangaben des Kremlchefs erinnert. So habe Putin etwa bereits vor einem Jahrzehnt geleugnet, dass russische Truppen an der Besetzung der ukrainischen Krim-Halbinsel beteiligt gewesen waren. „Später räumte er die Operation jedoch ein – und feierte sie sogar“, kommentierte „Meduza“ Putins Äußerungen und veröffentlichte eine Liste von Dementis des Kremlchefs, die sich später als Falschangaben herausgestellt haben.

In der Nacht auf Samstag sorgten dann erneut Drohnen für Störungen am Münchner Flughafen – wer hinter der Aktion steckt, blieb zunächst unklar. Den Auftakt für eine ganze Reihe von Drohnen-Vorfällen in Europa hatte jedoch Moskau geliefert, als russische Drohnen am 9. September in den polnischen Luftraum eingedrungen waren und dort teilweise von Nato-Kampfjets abgeschossen werden mussten.

Nach Putins Rede in Sotschi werden Warnungen laut

„Putin hat sein Ziel fast erreicht: Wir reden fast nur noch über Drohnen und nicht mehr darüber, wie die Ukraine wieder in die Vorhand kommt“, betonte CDU-Politiker Peter Altmaier am Freitag auf der Plattform X, wer von dem jüngsten Drohnen-Wirbel in Europa profitiert. „Wenn Putin gewinnt, ist das für uns die größte Bedrohung überhaupt“, warnte der ehemalige Bundeswirtschaftsminister. „Deshalb braucht die Ukraine sehr schnell, sehr viel mehr und bessere Waffen.“

Matthäus Wehowski, Historiker und Russland-Experte, sieht derweil keinerlei Anzeichen für eine Abkehr vom Kriegskurs in Moskau. Putin habe sich „fest in seiner Weltanschauung eingemauert“, schrieb Wehowski mit Blick auf den Auftritt des Kremlchefs in Sotschi. „Ein rationaler Dialog – und sei es nur über einen Waffenstillstand entlang der gegenwärtigen Front – ist hier unmöglich“, erklärte der Russland-Experte.

„Diese Form der Bedrohung gab es seit den 1930ern nicht mehr“

Putin werde seinen Krieg so lange fortführen, „solange er dazu die Mittel hat“, prognostiziert der Experte. „Erst wenn Soldaten nicht mehr bezahlt und Raketen nicht mehr produziert werden können, könnte es Bewegung geben“, lautete Wehowskis Einschätzung. Solange „Putin und seine Entourage“ in Moskau an der Macht seien, sei dieser Fall jedoch unwahrscheinlich, so der Historiker. Europa müsse nun einen Weg finden, darauf zu reagieren, forderte Wehowski schließlich und fügte hinzu: „Diese Form der Bedrohung gab es seit den 1930ern nicht mehr.“

Mit Apti Alaudinow lieferte wenig später ein hochrangiger Kommandeur der russischen Armee Aussagen, die wie eine Bestätigung der Analyse des Experten wirken: Angesichts einer möglichen Tomahawk-Lieferung an die Ukraine sprach der Chef der tschetschenischen Achmat-Spezialkräfte laut der Übersetzung des „Russian Media Monitor“ im Staats-TV vom „satanischen Westen“, gegen den Russland Krieg führe.

Russischer Kommandeur: „Entweder wir oder sie“

„In diesem Fall beweist sich einmal mehr, dass wir nicht gegen die Ukraine Krieg führen, sondern in Wirklichkeit gegen den satanischen Westen“, sagte Alaudinow im Gespräch mit Moderator Jewgeni Popow und wurde schließlich noch deutlicher: „Ich möchte noch einmal alle dazu auffordern, sich bewusst zu machen, dass der Westen nicht zur Ruhe kommen wird, bis wir ihn besiegt haben“, erklärte der Kommandeur und bekräftigte Moskaus Weltsicht mit deutlichen Worten: „Entweder wir besiegen sie oder sie besiegen uns.“

Nicht nur an den martialischen Absichten, sondern auch an der bedingungslosen Unterstützung Putins lässt man in Moskau derweil keine Zweifel aufkommen: Leonid Sluzki, Vorsitzender des Ausschusses für internationale Angelegenheiten der russischen Duma, bediente den Personenkult um Putin und lobte den Kremlchef nach seinem Auftritt in Sotschi überschwänglich.

Personenkult um Putin in Russland: „Er ist ein toller Kerl“

„Der Präsident war beim Treffen des Waldai-Clubs in hervorragender Form und guter Laune“, zitierten Staatsagenturen den russischen Politiker. „Alles, was er sagte, war absolut richtig. Er ist ein toller Kerl“, hieß es weiter. Putins Rede habe eine große Bedeutung „für die multipolare Welt“ gehabt, fügte Sluzki schließlich an.

Die Reaktion aus Europa auf die mehrstündigen Ausführungen des Kremlchefs fiel unterdessen anders aus. „Wir verfolgen nicht alle Reden von Präsident Putin“, erklärte die Chefsprecherin der EU-Kommission, Paula Pinho, während einer Pressekonferenz in Brüssel.

Der Kremlchef hatte in seiner Rede auch angekündigt, dass Russland auf die Aufrüstung der europäischen Staaten reagieren werde. „In Deutschland heißt es zum Beispiel, dass die deutsche Armee die stärkste in Europa werden soll. Also gut. Wir hören das, schauen, was damit gemeint ist“, sagte Putin und unterstrich erneut seinen Kurs. „Niemand zweifelt, dass Schritte Russlands, Gegenmaßnahmen Russlands nicht lange auf sich warten lassen“, kündigte der Autokrat an. (mit dpa)