Proteste im IranDas sagen deutsch-iranische Prominente

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Isabel Schayani sitzt vor blauen Hintergrund und redet. Dabei gestikuliert sie mit ihren Händen.

Isabel Schayani ist Kölner Fernsehjournalistin.

Seit dem Tod von Mahsa Amini protestieren Iranerinnen und Iraner gegen die Regierung. Die Proteste bekommen weltweit Aufmerksamkeit. Das sagen deutsch-iranische bekannte Menschen zu der aktuellen Lage.

Jasmin Tabatabai: „Iranische Frauen sind unglaublich stark“

Niemand, der den Iran und die iranischen Frauen kennt, ist auch nur ein bisschen verwundert, dass die Frauen in der ersten Reihe stehen. Die iranischen Frauen sind unglaublich stark und gebildet

Jasmin Tabatabei sitzt auf einem Stuhl und schaut in die Kamera. Sie hat die Beine überschlagen und ihre Hände im Schoß verschränkt.

Jasmin Tabatabei ist Schauspielerin und Musikerin.

Navid Kermani: „Warme Worte reichen nicht“

Die Bundesregierung muss sich endlich klar gegen die Islamische Republik positionieren. Warme Worte reichen nicht und ebenso wenig die bisherigen, rein symbolischen Sanktionen, die Teheran nicht anders verstehen konnte und nicht anders verstanden hat, als dass von der Europäischen Union trotz der massiven Gewalt gegen friedliche Demonstranten kein ernsthafter Druck zu erwarten ist.

Nach meinem Eindruck ist die Bundesregierung in Brüssel auch keineswegs der Motor einer energischen Iranpolitik, als den sie sich darstellt, eher im Gegenteil. Offenkundig setzt sie weiter auf den Erhalt der Islamischen Republik, um nach einem Atomabkommen an billiges iranisches Gas und Öl zu gelangen.

Aber mit diesem Regime, das nur noch auf Waffengewalt beruht, ist kein verlässliches Abkommen zu erzielen, es ist bis ins Innerste morsch, seine Ideologie nur noch ein Lügengerüst, die Wirtschaft am Boden, die Umwelt zerstört, und es fehlt ihm jedwede Vision; über das nach-fossile Zeitalter, das auch in Iran eher früher als später anbrechen wird, denkt es nicht einmal nach, da es selbst nicht mehr damit rechnet, dann noch an der Macht zu sein.

Navid Kermani sitzt vor einem Bücherregal. Er scheint zu reden und hat sein Kinn auf der Hand abgestützt.

Navid Kermani ist Schriftsteller, Publizist und habilitierter Orientalist

Es geht deshalb nicht nur um Solidarität mit Iranern und insbesondere den Iranerinnern. Für Deutschland geht es auch um das eigene nationale und europäische Interesse an Stabilität und preiswerter Energie. Denn ein Atomabkommen würde durch den Wegfall der bisherigen Sanktionen direkt den Unterdrückungsapparat finanzieren, der einen Gutteil der iranischen Wirtschaft beherrscht.

Das heißt, der Westen trüge zum Erhalt eines Regimes bei, das im Inneren massiv ins Wanken geraten ist. Einzig eine demokratische Entwicklung in Iran kann zu Sicherheit, Stabilität und Zugang zu den Energiequellen führen. Zielführend wären gezielte und effektive Sanktionen gegen die Revolutionsgarden und die gesamte Herrschaftselite, wie sie etwa Kanada beschlossen hat, um die Absatzbewegungen und Risse innerhalb des Regimes zu verstärken, die sich bereits abzeichnen.

Natalie Amiri: „Bevölkerung im Iran hat nichts mehr zu verlieren"

Das Regime steht einer Bevölkerung gegenüber, die nichts mehr zu verlieren hat. Wer auf die Straße geht, obwohl man erschossen, gefoltert oder vergewaltigt werden kann, der hat alles auf eine Karte gesetzt

Natalie Amiri sitzt im Studio auf einem Sessel. Ihre Beine sind überschlagen und ihre Hände liegen auf ihrem Schoß. Sie guckt ernst in die Kamera.

Natalie Amiri ist Journalistin

Isabel Schayani: „Das Interesse der Welt ist im Iran Frischluft zum Atmen"

Ich habe mir oft angehört, wie Festnahmen im Iran ablaufen, wie der Geheimdienst den Menschen die Augen verbindet, damit sie nicht sehen, wer sie festnimmt, wo man sie hinbringt, verhört, foltert. Aber jetzt, seit den Protesten, sind diese Momente sichtbar, denn mutige, unerschrockene Bürger filmen sie.

Man sieht, wie sie den Jugendlichen etwas über den Kopf stülpen und sie gewaltsam in einen Wagen zerren. Es werden mehr solcher Videos ihren Weg in die Welt finden, weil es die Wirklichkeit ist und weil das Regime das fortsetzen wird, was Revolutionsführer Khamenei und die seinen stets anordnete: Mit Härte niederschlagen!

Und dann schielt sofort die nächste Frage um die Ecke: Wie lange wird uns das interessieren? Das Interesse der Welt ist wie Frischluft zum Atmen, Energie, die im Iran ankommt und die die Regierung deshalb fürchtet. Dieser vermutlich revolutionäre Prozess kann Zeit kosten. Gerade weil das Regime suggeriert: Euch hört doch eh keiner, ihr seid im Dunklen, wie unter der Augenbinde, ist der wachsame Blick der Welt so wichtig.

Mariam Claren: „Historische und feministische Bewegung“

Wir sind Zeugen einer historischen und feministischen Bewegung. Die deutsche Politik muss sich entscheiden, ob sie zu den protestierenden Iranerinnen steht

Mariam Claren hält ein Schild mit der Aufschrift „#FreeMama, #FreeNahid“ in die Kamera

Mariam Claren ist die Tochter der im m Iran inhaftierten Kölner Menschenrechtlerin Nahid Taghavi

Omid Nouripour: „Das System im Iran hat keine Zukunft“

Die mutigen iranischen Frauen verdienen unsere volle Unterstützung und Solidarität. Wir müssen den Machthabern deutlich machen, dass ihr System, das auf Unterdrückung und Bereicherung basiert, keine Zukunft hat.

Omid Nouripour steht vor grünem Hintergrund mit Logos der Grünen drauf. Er hat eine Augenbraue hochgezogen und guckt eher traurig.

Omid Nouripour ist Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen

Nava Ebrahimi: „Ich wünsche mir Menschenrechte für alle“

Früher, als ich noch häufiger im Iran war, fragten meine Cousinen mich immer mit leuchtenden Augen: „Wie ist es in Freiheit zu leben?“. Sie fragten es nicht pathetisch und auch nicht philosophisch interessiert – sie wollten Freiheit ganz praktisch verstehen.

Wie ist es, in einen Jungen verliebt zu sein und mit ihm durch einen Park zu spazieren? Wie ist es, anziehen zu können, worauf man Lust hat? Wie ist es, sich fertigzumachen, um auf ein Popkonzert zu gehen oder in die Disco?

Nava Ebrahimi hat die Arme verschränkt und guckt in die Kamera.

Nava Ebrahimi ist Journalistin und Autorin.

Damals waren wir Teenager mit dem verengten Blick von Teenagern. Heute wissen wir, dass ihre Fragen eigentlich lauteten: Wie ist es, frei von ständiger Angst, Scham und Sorge um die Familie aufzuwachsen? Wie ist es, selbstbestimmt durchs Leben zu gehen? Wie ist es, wenn die Menschenrechte für einen gelten?

Nichts wünsche ich mir mehr, als dass junge Iranerinnen und Iraner, überhaupt alle jungen Menschen auf dieser Welt, das nicht mehr uns fragen müssen, die wir im Westen leben, sondern es selbst erfahren können.

Emitis Pohl: „Wir fühlen uns im Stich gelassen“

Emitis Pohl steht im „hart aber fair“ Studio. Sie lächelt in die Kamera.

Emitis Pohl ist eine Kölner Unternehmerin und Gründerin des Frauenvereins „seiSTARK“.

Wann gibt Kanzler Scholz seine Zurückhaltung auf? Ich als Frau aus dem Iran kann nur sagen: Wir fühlen uns von der deutschen Politik wirklich im Stich gelassen (KStA)

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